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Saunen und Thermen wie das Liquidrom dürfen in Berlin wieder öffnen – aber nur für Geimpfte und Genesene.

© Rainer Jensen/dpa

Update

Neue Corona-Regeln des Senats: Berlin privilegiert Geimpfte und Genesene

Der Berliner Senat hat weitreichende Änderungen an der Infektionsschutzverordnung beschlossen. Kalayci will Amtsärzte entmachten – doch die winken ab.

In Berlin genießen Geimpfte und Genesene ab dem Wochenende erste Privilegien gegenüber Ungeimpften. Das hat der Senat auf seiner Sitzung am Dienstag beschlossen. So dürfen Clubs und Diskotheken in Berlin ihre Innenbereiche grundsätzlich wieder für Personen öffnen, die gegen das Coronavirus geimpft oder bereits genesen sind (sogenannte 2G-Regel).

Der Senat folgte damit einer Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts. Dieses hatte vor eineinhalb Wochen das generelle Tanzverbot in Clubs aufgehoben, zugleich aber erklärt, dass die Innenräume nur von Geimpften und Genesenen aufgesucht werden dürfen. Der Senat hob zugleich die Maskenpflicht und Abstandsregeln für diese Clubbereiche auf.

Zugleich beschloss der Senat weitere Vorrechte für Geimpfte und Genesene. So dürfen Thermen und Saunen nun wieder Aufgüsse anbieten und ihre Dampfbäder öffnen. Allerdings ist der Zutritt nur Personen gestattet, die unter die 2G-Regel fallen. Anders als von der Senatswirtschaftsverwaltung vorgeschlagen, weitete der Senat die 2G-Regelung jedoch nicht auf Konzerte und anderen Veranstaltungen mit bis zu 25.000 Teilnehmern aus.

Auch der Vorschlag, die Clubs zusätzlich für PCR-getestete Personen zu öffnen, sei abgelehnt worden, da sich das Verwaltungsgericht dazu nicht eindeutig geäußert habe, sagte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) nach der Sitzung.

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Die Einführung der Sonderrechte dürfte der Anfang eines grundsätzlichen Strategiewechsels sein und auf weitere Bereiche übertragen werden. „Wir werden das Thema 2G nächste Woche im Senat noch einmal grundsätzlich erörtern“, erklärte Kalayci.

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Aus der Koalition kamen zustimmende Worte für weitere Vorrechte für Geimpfte und Genesene. "Ich glaube, das kommt sowieso. Deshalb sollten wir jetzt schnell die noch offenen Fragen klären, um dann eine Option auf 2G bei Veranstaltungen und in der Gastronomie zu ermöglichen", sagte Grüne-Co-Fraktionschefin Antje Kapek. Es müsse vor allem eine Regelung für Menschen geben, die sich aus alters- oder gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen könnten.

Ähnlich sah es die Co-Fraktionsvorsitzende der Linke Anne Helm: "Wir sind an einem Punkt, wo wir die Rechte von Menschen, die nicht gefährdet sind und nicht gefährlich sind für andere, nicht mehr einschränken können." Dies gelte vor allem für den privatwirtschaftlichen Raum. Möglich sei, etwa Gastwirten die Option zu geben, nur für Geimpfte und Genesene zu öffnen und dadurch zugleich weniger strenge Hygieneauflagen einhalten zu müssen. So wird es etwa bereits aktuell in Hamburg praktiziert.

Helm nannte es richtig, nicht schon am Dienstag einen Beschluss dazu gefasst zu haben. In der kommenden Woche allerdings sollte der Senat eine Entscheidung treffen. "Es ist wichtig, dass man die Debatte gut vorbereitet und schnell führt, sonst werden uns die Gerichte die Entscheidung abnehmen", sagte sie.

Berlin verkürzt Quarantänedauer für Schul- und Kita-Kinder

Der Berliner Senat beschloss am Dienstag noch weitere Änderungen an den Infektionsschutzregeln in der Hauptstadt Neue Vorschriften, gültig ab Sonnabend, den 4. September, gibt es unter anderem für die Quarantäneregelungen in Schulen und Kitas. Statt 14 Tage müssen Schüler:innen und Kita-Kinder künftig nur noch fünf Tage in Quarantäne, wenn sie Kontaktpersonen eines oder einer Corona-Infizierten sind.

„Ein großer Anteil der Infektionen passiert in den ersten fünf Tagen“, sagte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) nach der Senatssitzung. Das Restrisiko für später eintretende Infektionen sei daher vertretbar, weil es in den Schulen eine Maskenpflicht, Lüftungskonzepte und Testungen gebe.

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Mit der Entscheidung des Senats soll auch der in den vergangenen Tagen aufgekommene Streit zwischen Senatsgesundheitsverwaltung und den Amtsärzt:innen der Bezirke ein Ende finden. Diese hatten vergangene Woche entschieden, Kontaktpersonen in Kitas und Schulen nicht mehr in Quarantäne zu schicken, weil die Nachteile für die Kinder in keinem Verhältnis zu der geringen Wahrscheinlichkeit einer erfolgten Infektion stünden.  

Kalayci lehnte das – unterstützt vom Landeselternausschuss  Kindertagesstätten – entschieden ab und setzte die Verkürzung der Quarantäne dagegen.

Die Senatorin betonte, dass es auch jetzt  keineswegs üblich sei, ganze Lern- und Kitagruppen in Quarantäne zu schicken. Dies passiere nur in Ausnahmefällen, erklärte die SPD-Politikerin. Dies belegten auch die Statistiken. Demnach seien von 435.500 Schüler:innen in Berlin derzeit 1050 positiv getestet sowie 3886 in Quarantäne.

Im Durchschnitt müssen demnach pro infiziertem Kind oder Jugendlichem drei bis vier weitere Schüler:innen aus der Klasse ebenfalls dem Präsenzunterricht fernbleiben. „Die ganze Klasse in Quarantäne zu schicken ist nicht mehr zeitgemäß“, sagte Kalayci. Wegen der Hygienemaßnahmen benenne man Kinder, die weit weg säßen, nicht mehr als Kontaktpersonen.

Kalayci: „Strategiewechsel sind nicht Sache der Amtsärzte“

Um ein von der Senatslinie abweichendes Verhalten der Amtsärzt:innen zu unterbinden, begrenzte der Senat in der Infektionsschutzverordnung zugleich die Kompetenz der Ärzt:innen. „Im Rahmen der Einzelfallentscheidung haben die Gesundheitsämter nicht mehr den Spielraum, keine Quarantäne anzuordnen“, sagte die Senatorin.

„Was die Pandemiebekämpfung angeht, obliegt die Strategie der Senatsgesundheitsverwaltung. Strategiewechsel sind nicht Sache der Amtsärzte und Amtsärztinnen“, stellte Kalayci klar. Mit ihrem Papier seien die bezirklichen Gesundheitsämter „über das Ziel hinausgeschossen“.

Daran ändere auch nichts, dass eine Mitarbeiterin Kalaycis den Amtsärzt:innen zuvor Unterstützung für ihren Plan signalisiert habe. Dies sei lediglich „auf Arbeitsebene“ geschehen, sagte die Senatorin. Bei der Mitarbeiterin handelte es sich allerdings um die Referatsleiterin für den Infektionsschutz.

Reinickendorfs Amtsarzt hält dagegen

Hingegen sagte Reinickendorfs Amtsarzt Patrick Larscheid auf Anfrage: „Niemand besitzt ein Weisungsrecht für solche ärztlichen Entscheidungen, auch keine Rechtsverordnung." Ansonsten schlug er nach der Entscheidung versöhnliche Töne an: "Wir sind froh, dass wir offensichtlich einen Prozess ausgelöst haben". Die Amtsärzte hofften aber "im Interesse der Kinder, dass weiter diskutiert wird".

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Larscheid wies am Dienstag darauf hin, dass Länder wie Baden-Württemberg gerade die Quarantäne für Kontaktpersonen an Schulen abschaffen. Die neue Verordnung der grünen Bildungsministerin Theresa Schopper regelt dort, dass in Schulen "an die Stelle der Absonderungspflicht enger Kontaktpersonen die Verpflichtung zu einer täglichen Testung tritt" – für die Dauer von fünf Schultagen.

Der Senat beschloss in seiner Sitzung am Dienstag zugleich die neue Berliner Corona-Ampel. Als dritter Indikator neben der Sieben-Tage-Inzidenz und der Intensivbettenbelegung bei der Berliner Corona-Ampel gilt künftig die Sieben-Tage-Hospitalisierungsinzidenz. Sie gibt an, wie viele Corona-Infizierte pro 100.000 Einwohner in den vorangegangenen sieben Tagen in die Krankenhäuser eingeliefert wurden. Dafür entfällt die Veränderung der Sieben-Tage-Inzidenz aus Wochensicht aus der Liste.

Schwellwerte für die Sieben-Tage-Inzidenz angepasst

Angepasst wurden auch die Schwellwerte für die Indikatoren. Bei der Sieben-Tage-Inzidenz springt die Ampel bei einem Wert von 35 auf Gelb und künftig ab 100 auf Rot. Die neue Sieben-Tage-Hospitalisierungsinzidenz zeigt ab einem Wert von 4 Gelb und leuchtet ab 8 rot. Damit folge Berlin den Ergebnissen eines Arbeitspapiers von Expert:innen aus Bund und Ländern, erklärte Gesundheitssenatorin Kalayci.

Bei der Intensivbettenbelegung hat sich der Senat dazu entschieden, die Grenzwerte zu verschärfen. Statt 15 Prozent Belegung steht der Wert künftig schon bei 5 Prozent auf Gelb. Auf Rot springt der Indikator nun, wenn 20 Prozent der Betten auf Intensivstationen besetzt sind. Bislang galt hier eine Quote von 25 Prozent Belegung „Wir halten es für erforderlich, diese Haltelinie nach unten zu korrigieren, damit die Intensivstationen nicht überlastet werden“, sagte Kalayci.

Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt in Berlin aktuell bei 72,2, die Hospitalisierungsinzidenz bei 1,3 und die Intensivbettenbelegung bei 4,8 Prozent. (mit sve)

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