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Der Südeingang der Messe Berlin.

© promo

Neubau am BER?: Neuer Schwung für die Messe Berlin

Teile der CDU fordern einen Verkauf des Geländes unterm Funkturm. Der Senat winkt sofort ab. Vielleicht etwas voreilig. Eine Analyse.

Hat man in den vergangenen Jahren von der Messe Berlin gesprochen, waren Worte wie „Großbaustelle“ und „Sanierung“ nie weit. Klar: Viele Mauern des Rings aus Hallen am Gelände unterm Funkturm in Westend stammen noch aus der Messegründerzeit in den 1930er Jahren. Das angrenzende Internationale Congress Centrum (ICC) ist zwar nicht vor 90, sondern „erst“ vor 40 Jahren eröffnet worden, musste aber trotzdem mittlerweile stillgelegt werden. Asbestgefahr!

Alle bisher ernsthaft diskutierten Konzepte aus der Sphäre des Berliner Senats unterstellten, dass man das Areal der landeseigenen Betreibergesellschaft bei laufendem Betrieb sanieren muss. The Show must go on. Aber wer sagt denn, dass der für Berlin ökonomisch so wichtige Rummel auf immer genau dort stattfinden muss, wo er schon seit 90 Jahren tobt? Die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU Berlin hat jetzt angeregt, das Messegelände zu privatisieren, für Wohnungen und Gewerbe zu räumen und ein neues Messegelände zu errichten.

Das sei eine „komplette Neuaufstellung“ der Messe, ein „radikaler Vorschlag“, meint der MIT-Landesvorsitzende Christian Gräff, der im Abgeordnetenhaus zugleich für die CDU-Opposition als wirtschaftspolitischer Sprecher die Stellung hält. In der Radikalität übertroffen wird er vielleicht nur von seinem Parteifreund Stephan Standfuß, dem sportpolitischen Sprecher. Der meint, ein neues Stadtquartier auf dem Messegelände eigne sich auch „hervorragend für ein neues Stadion von Hertha BSC Berlin“.

Präsentiert die Opposition hier eine große Klappe für gleich zwei Fliegen? Erstens die Auflösung des Sanierungsstaus bei der Messe, der auf 1,2 Milliarden Euro geschätzt wird? Und zweitens für die Suche nach einer Heimspielstätte für den Fußballbundesligisten Hertha BSC, der lieber früher als später das zugige Olympiastadion zugunsten einer modernen Fußballarena aufgeben würde?

Berlin braucht eine Messe

Im Umfeld des CDU-Vereins MIT heißt es, dass man sich bei diesem Plan selbstverständlich von den Beteiligten habe inspirieren lassen. Und dass man ihn vorantreiben werde, säße man an der Regierung. Davon ist die CDU trotz der Umfrageschwäche der SPD weit entfernt. Und doch lohnt es sich, den Plan durchzuspielen – der Einfachheit halber hier ohne den Faktor Hertha BSC.

Politischer Konsens ist: Berlin braucht eine Messe – ob privat oder landeseigen sei dahingestellt. Die Messe würde sich für die lokale Wirtschaft sogar rechnen, wenn ein Messebetreiber selbst rote Zahlen schreiben würde – und nicht 16,8 Millionen Euro Gewinn machte wie im vergangenen Rekordjahr. „Der eigentliche Mehrwert eines erfolgreichen Messegeschäftes liegt in der Stadtrendite“, heißt es in dem dreiseitigen Papier der MIT.

Die 2,5 Millionen Besucher der rund 130 Veranstaltungen mit rund 40.000 Unternehmen lassen ihr Geld natürlich nicht nur in den Hallen unterm Funkturm, sondern auch im Taxi, in Hotels und Pensionen, in der Gastronomie oder im Einzelhandel: Laut Schätzungen generierten Berlins Messebesucher allein 2018 insgesamt 1,8 Milliarden Euro Umsatz. Diese Summe Geld im Berliner Wirtschaftskreislauf ist 107-mal so groß wie der Gewinn, den die Messe schreiben konnte.

Eine neue Messe am BER

Grüne Woche, Tourismusmesse ITB, die Funkausstellung IFA, die Schienenverkehrsmesse InnoTrans und die Fruchtmesse Fruit Logistica: Das sind die fünf größten Veranstaltungen im Messekalender. Dazu kommen noch Großveranstaltungen wie die alle zwei Jahre stattfindende Luftfahrtshow ILA, die – weil sie naturgemäß Start- und Landebahnen fürs Fluggerät braucht – mittlerweile auf einem Gelände der Messe im Schönefelder Ortsteil Selchow stattfindet.

Dieses Areal direkt am künftigen Flughafen BER wäre für internationale Gäste optimal angebunden und wird daher von Gräff und seinen Mitstreitern als einer von drei neuen Messestandorten ins Spiel gebracht. Ein Nachteil wäre: Ein Teil der Gäste würde Schönefeld gar nicht erst in Richtung Berlin verlassen.

Wohl auch deshalb bringt der MIT-Landesvorstand auch den ehemaligen Flughafen Tempelhof samt den davorliegenden Freiflächen beziehungsweise das Gelände des „vielleicht einmal geschlossenen Flughafens Tegel“ ins Spiel. Diese Areale haben allerdings auch nicht auf die Messe gewartet: In Tempelhof konnte auch der Senat bisher keine Randbebauung des Feldes mit Wohnungen politisch durchsetzen, obwohl sich der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) persönlich dafür ausspricht.

Am 16. August eröffnet die Messe ihre neue Superhalle

Und in Tegel gibt es bereits fortgeschrittene Pläne für die „Urban Tech Republic“, ein Stadtquartier zum Wohnen, Arbeiten und Forschen samt 5000 bis 6000 dringend benötigten Wohnungen für bis zu 12.000 Menschen. Würde der Senat das bestehende Messegelände verkaufen und Wohnbebauung zulassen, könnte das Land etwa eine Milliarde Euro einnehmen, rechnet der MIT vor – ohne Einzelheiten oder Quellen zu nennen. Und das „ICC könnte – losgelöst vom Messegelände – neue Wege gehen und die in der Vergangenheit als einzig betriebswirtschaftlich sinnvoll erachteten Mischnutzungen wären möglich“, träumen Gräff und Co. weiter.

Die Messe lehnt jeden Kommentar dazu ab. Und Pop, die als Vertreterin des Senats stellvertretende Vorsitzende im Aufsichtsrat der Messe ist, lässt ausrichten, der Plan sei „für uns keine Option. Die Messe ist ein erfolgreiches Unternehmen und erwirtschaftet steigende Gewinne, die nicht ans Land Berlin abgeführt werden müssen, sondern in die Geschäftstätigkeit investiert werden.“

Wohin die Debatte zur Zukunft der Messe führt, wird sich zeigen. Am Freitag kommender Woche eröffnet die Messe zunächst im südlichen Teil ihres Geländes ihre neue Superhalle „Hub27“ für Veranstaltungen bis zu 11.500 Menschen. 75 Millionen Euro wurden dort verbaut. Dass diese Halle nun Wohnungen weicht, ist eher unwahrscheinlich.

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