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Berlin: Naked Jazz: Neukölln statt New York

Fabulös, der Glitzerfummel, den Michael Ray da samt Kopfputz und standesgemäß verspiegelter Sonnenbrille anhat. Als ehemaliges Mitglied der Funk- und Disco-Band Kool & The Gang und des legendären Intergalactic Arkestra des Pianisten Sun Ra ist der Trompeter seinem Image natürlich einiges an Glamour schuldig.

Fabulös, der Glitzerfummel, den Michael Ray da samt Kopfputz und standesgemäß verspiegelter Sonnenbrille anhat. Als ehemaliges Mitglied der Funk- und Disco-Band Kool & The Gang und des legendären Intergalactic Arkestra des Pianisten Sun Ra ist der Trompeter seinem Image natürlich einiges an Glamour schuldig. Am heutigen Sonnabend tritt der geschmeidig gealterte Ray, dessen Riffs so funky wie eh und je sind, in Berlin auf. Nicht beim Jazzfest, das noch bis zum Sonntag im Haus der Berliner Festspiele, der Akademie der Künste und Jazzclubs wie A-Trane und Quasimodo läuft. Sondern im Club der schönen Werkstatt der Kulturen, die in der Wissmannstraße am Hermannplatz als Konzertort ein viel zu wenig beachtetes Dasein führt.

Seit ein paar Wochen ist die 150-Plätze-Bühne im Untergeschoss einer der überall aus dem Boden sprießenden coolen Jazz-Spielorte der Stadt. Jeden Samstag treffen sich hier Musiker um den Schlagzeuger Eric Vaughn zur Konzertreihe „Naked Jazz presenting The Extended Family“. Die „Family“ hat einen Kern von fünf, sechs Jazzern plus wechselnden Gästen. Diesmal ist neben Michael Ray auch der belgische Gitarrist Jean-Francois Prins dabei, der am Jazz Institut Berlin lehrt.

Den virtuosen Drummer Eric Vaughn, 47, hat es vor knapp zwei Jahren endgültig aus Atlanta, Georgia, nach Berlin – genauer Moabit – getrieben. Fünf Mal die Woche ist der Mann, der mit Größen wie Freddie Hubbard oder Cedar Walton gespielt hat, in verschiedenen Clubs zu hören. Darunter nicht nur szenige, wie das Badehaus Szimpla in Friedrichshain, sondern auch in der Jazzscheune Schupke in Reinickendorf oder „Bei Ernst“ in der Weddinger Sprengelstraße. Seinen allerersten Gig in Berlin hatte er in einem klassischen Berliner Jazz-Laden, dem Badenschen Hof in Wilmersdorf. 2008 war das, bei seinem ersten Europabesuch. „Ich wollte hier nur eine Freundin besuchen und hatte gleich am zweiten Tag meinen ersten Job als Musiker“, staunt er noch im Nachhinein. Das habe ihn gleich für Berlin eingenommen, erzählt er. So sehr, dass er bald für vier Monate wiederkam, um die Musikszene kennenzulernen, und dann ganz herzog. „Weil ich hier meine Ideen umsetzen kann“, sagt Vaughn, der weltweit mit Kollegen vernetzt ist. Es gebe jede Menge hervorragende Musiker, viele Clubs und – im Gegensatz zu New York – ein bezahlbares Leben. Was allerdings auch hart erspielt werden muss. „Ich bin ein bisschen enttäuscht, dass mich das Jazzfest nicht eingeladen hat“, grinst er und winkt lässig ab. „Egal, vielleicht machen meine Freunde und ich nächstes Jahr einfach ein eigenes.“ gba

Werkstatt der Kulturen, Wissmannstr. 32, Neukölln, Sonnabend 21.30 Uhr, 9 Euro

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