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Der Neubau von Straßenbahnlinien ist fest eingeplant. Beim Ausbau des S- und U-Bahnnetzes ist der Senat nicht so forsch.

©  Lars von Törne

Nahverkehrsplan: So sollen BVG und S-Bahn in Zukunft fahren

Der Senat verspricht die Trendwende beim Nahverkehr. Innerhalb von 15 Jahren sollen 28 Milliarden Euro ins System fließen.

Schneckentempo im überfüllten M 29, Zugverspätungen wegen Signalstörung auf der Ringbahn, ein Schadzug, der die U 7 blockiert. Die Misere des öffentlichen Nahverkehrs im Jahr 2019 soll spätestens im Jahr 2035 der Vergangenheit angehören. Die Koalition will den Nahverkehr drastisch beschleunigen, verbessern und ausbauen. „Eine Trendwende im ÖPNV“, verspricht Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne), „sauberer, attraktiver, komfortabler und zuverlässiger“.

Dazu soll am Dienstag im Senat der „Nahverkehrsplan 2019-2023“ beschlossen werden, der auch die Entwicklung bis 2035 beschreibt. Im Zeitraum von 2020 bis 2035 will der Senat für den ÖPNV inklusive Neuanschaffungen von Bussen und Zügen, Neubau von Strecken und die Sanierung der Infrastruktur 28,1 Milliarden Euro ausgeben.

Das ehrgeizige Programm fußt auf der Annahme, dass Berlins Bevölkerung weiter wächst und das Nahverkehrsangebot noch intensiver nutzt. Und darauf, dass der Senat auch die Haushaltsmittel erwirtschaftet, die der Ausbau kosten wird. Statt 1,1 Milliarden Euro wie bisher soll der Finanzsenator den ÖPNV künftig mit 1,76 Milliarden Euro pro Jahr bezuschussen, also für Investitionen und Betrieb ausgeben. In den Jahren 2024 bis 2028 soll der Etat für den Nahverkehr sogar auf zeitweise mehr als zwei Milliarden Euro im Jahr wachsen.

Tickets werden teurer

Gleichzeitig soll die BVG ihre Einnahmen um rund 3,4 Prozent pro Jahr steigern, teils aus Ticketpreiserhöhungen (1,4 Prozent), teils aus Fahrgaststeigerungen (1,8 Prozent). Wobei auch das bereits beschlossene kostenlose Schülerticket berücksichtigt wurde. Bis 2035 werden dafür Kosten, bzw. Mindereinnahmen von drei Milliarden Euro kalkuliert, sagte Günther.

Konkret soll der Fuhrpark der Straßenbahn von derzeit 342 Zügen auf 472 im Jahr 2015 wachsen, bei der U-Bahn von derzeit 1272 auf 1656 Wagen, bei der S-Bahn von derzeit 650 Viertelzügen auf 790. Das sind Zuwächse von bis zu 38 Prozent. Die Streckenkilometer sollen von derzeit 194 auf 267 bei der Straßenbahn wachsen. Die bereits durchgeplanten Neubaustrecken Hauptbahnhof – Turmstraße, Ostkreuz-Anbindung und Adlershof – Schöneweide sollen 2021 in Betrieb gehen, danach sollen bis 2016/27 sieben weitere Strecken realisiert werden, darunter die M 27 Turmstraße – Jungfernheide, und die M 48 Alexanderplatz – Potsdamer Platz. Insgesamt sind bei der Straßenbahn 16 Neubauprojekte bis 2035 geplant.

Bei U- und S-Bahn ist die Zielzahl der Streckenlänge noch offen, weil Entscheidungen ausstehen, welche Strecken tatsächlich realisiert werden können. Nach der U 5, die 2020 eröffnet werden soll, sind vier Neubaustrecken in Planung, für die aber bislang nur Machbarkeitsstudien laufen oder noch in diesem Jahr beauftragt werden sollen: U 7 von Rudow zum BER, geschätzte Kosten: 900 Millionen Euro, U 8 von Wittenau ins Märkische Viertel für geschätzte 240 Millionen Euro, eine neue Linie vom Kurt-Schumacher-Platz zur Urban Tech Republic auf dem derzeitigen Flughafen Tegel: 405 Millionen Euro und die U 7 von Spandau zur Heerstraße-Nord: 450 Millionen Euro.

Senat will Verlängerung des Vertrags mit BVG beschließen

Parallel zum Nahverkehrsplan will der Senat am Dienstag auch die Verlängerung des Verkehrsvertrags mit der BVG bis 2035 beschließen. Die Vorgaben aus dem Nahverkehrsplan sollen darin einfließen, sagte Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), damit seien auch künftige Regierungen an den Plan gebunden.

Die Busse der BVG sollen bis 2035 barrierefrei sein (wobei eine ausziehbare Rampe nicht ausreicht), außerdem sollen bis 2030 nur noch elektrisch betriebene Busse eingesetzt werden. Allein für die Anschaffung dieser Busse und die Ladeinfrastruktur will der Senat bis 2035 rund 1,4 Milliarden Euro aufwenden. Für die Beschleunigung des Busverkehrs und barrierefreie Haltestellen sind 380 Millionen Euro vorgesehen.

Vergleichsweise übersichtlich sind die Projekte bei der S-Bahn. Hier sollen für drei Milliarden Euro 602 neue Viertelzüge angeschafft werden. Der Neubau der S 21 ist mit 900 Millionen Euro veranschlagt, wobei der dritte Bauabschnitt von der Yorckstraße zum Potsdamer Platz erst nach 2035 fertig werden soll. Für den Neubau der S-Bahnhöfe Kamenzer Damm (S 2) und Perleberger Straße (S 21) sind jeweils zehn Millionen Euro vorgesehen.

Mehr Linien im Zehn-Minuten-Takt

Auch innerhalb des bestehenden Netzes soll das Angebot verbessert werden. Zusätzliche Linien sollen einen Zehn-Minuten-Takt bekommen, auf den U-Bahnlinien 2,5,6 und 8 soll bis 2023 ein 3,3 Minuten-Takt eingeführt werden. Wo sich ein normaler Busbetrieb nicht lohnt, sollen Rufbusse eingeführt werden. Überlastete Buslinien sollen möglichst durch Tramstrecken ersetzt werden.

Erklärtes Ziel des Nahverkehrsplans von Rot-Rot-Grün ist es, den Autoverkehr zurückzudrängen und den Verkehr insgesamt sicherer, gesünder und klimafreundlicher zu machen. „Hunderte Millionen Fahrgäste werden davon profitieren“, sagte Günther. Und wer bislang lieber mit dem Auto gefahren ist – trotz Staus, fehlender Parkplätze und höherer Unfallgefahr – solle „sagen können: Ich brauche gar kein Auto.“

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