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Ein Freigiebiger. Seine Bilder verschenkte Pico, meistens gegen eine Spende.

© Imago

Nachruf auf "Pico": Er war der Maler vom Kurfürstendamm

"Pico" malte und lebte in Berlin auf der Straße. Nun ist der Künstler mit dem bewegten Leben gestorben. Er wurde 91 Jahre alt.

Diesen Text würde Pico möglicherweise als Körperverletzung einstufen. Einer von seinem Format ließ sich nicht in das System von Kunst und ihrer öffentlichen Wahrnehmung und Vermarktung pressen. Pico malte und lebte auf der Straße, in einem Bauwagen oder selbstgezimmerten Verschlägen, bis sein Körper den Anforderungen dieser Askese nicht mehr standhielt. Mit Hilfe seiner Freunde fand er zuletzt in die Geborgenheit des Martin-Luther-Krankenhauses, wo er am 13. Dezember nach kurzer Krankheit starb – im Alter von 91 Jahren.

Pico, mit bürgerlichem Namen Gerhard Janowski, war der Malerfürst vom Ku’damm. Unter den Augen von Touristen entwarf er großformatige Bilder auf Leintüchern, Clowns waren häufig seine Motive, aber auch verschlüsselte Botschaften an die Welt, aus seiner Phantasie entworfen. Die Bilder verschenkte er, allenfalls Spenden nahm er an. Geld verdirbt die Kunst, sagte er.

Frei ist, wer nichts verlieren kann. Pico wollte nichts Materielles, nicht mal seine Bilder behielt er bei sich. Einige sind im Besitz der Familie Cornelsen und Billerbeck, andere hängen in den neuen Botschaften Italiens und Japans, wie Christiane Floyd und Anna Knauss berichten, die Pico schon lange kennen.

Er baute sich eine Künstlerresidenz im Tiergartenviertel

Zwischen den zerstörten Botschaften Japans und Italiens im Tiergartenviertel hatte Pico in den 80er Jahren seine Künstlerresidenz errichtet, ein großes „Arbeitszelt in Gestalt eines transparenten Kuppelbaus“, erinnern sich die Freundinnen. „Im Garten hielt er zwei Esel, Ziegen, Hunde und mehrere Enten“. 1992 brannte die Residenz ab. Pico ging nach München, lebte unter den Isar-Brücken, nach zehn Jahren kam er aber zurück in seine Heimatstadt Berlin.

Von seinen leiblichen Eltern ist nichts bekannt. Pico wuchs im Waisenhaus an der Alten Jakobstraße auf, mit vier Jahren wurde er zu Pflegeeltern nach Mariendorf gegeben, doch die wussten nicht viel mit dem Jungen anzufangen. Mit 8 Jahren kam er ins katholische Marienstift im brandenburgischen Frankfurt (Oder). Schon damals wollte er Kunstmaler werden, doch das schien den Erziehern zu gewagt, sie schickten ihn stattdessen in eine Bäckerlehre.

Im "Schumanns" am Savignyplatz traf man sich

Anschließend meldet er sich freiwillig zur SS, als 16-Jähriger, doch als er in seiner Unterkunft einen Adventskranz aufhängt, fliegt er raus und wird ins kroatische Regiment Prinz Eugen gesteckt. Das Kriegsende erlebt er in der Nähe von Salzburg, im Lager der US-Army freundet er sich mit Malern und Bildhauern an.

In den 50er und 60er Jahren wird er Teil der Westberliner Künstlerszene, er macht bei Performances mit, verkehrt im „Schumanns“ am Savignyplatz und nimmt an Ausstellungen teil. Privat logierte er zeitweise in den Kasematten der Spandauer Zitadelle.

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