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Gutsherr. Nach der Wiedervereinigung kaufte er Land zurück.

© Kitty Kleist-Heinrich

Nachruf auf Krafft Freiherr von dem Knesebeck: Wie alter Adel einem Dorf zu neuem Glanz verhalf

Sein halbes Leben verbrachte Krafft Freiherr von dem Knesebeck als Seemann. Dann begann er das Dorf Karwe zu restaurieren, in dem seine Familie einst lebte.

Ein Mann des Landes und der Landwirtschaft wie der Kultur und Geschichte. Krafft Freiherr von dem Knesebeck, der vergangene Samstagnacht mit 66 Jahren gestorben ist, war Bauer und Erbauer, ein Pionier, der in der kleinen Gemeinde Karwe bei Neuruppin für einen erstaunlichen Glücksfall der deutschen Wiedervereinigung gesorgt hat. Das Einheits-Jubiläum konnte er noch erleben, doch dass der Tod infolge einer Krebserkrankung ihn gerade zum zweiten Advent geholt hat, markiert zugleich ein besonderes Datum.

Denn vor und nach der Jahrtausendwende war Karwe dank Knesebeck für viele Jahre immer an einem Dezembersamstag so etwas wie ein Kultort geworden. In der frisch restaurierten Feldsteinkirche des Dörfchens drängten sich Besucher aus der Region und viele auch aus der Hauptstadt, wenn der Berliner Film- und Theaterschauspieler Hartmut Becker auf Knesebecks Einladung und begleitet von avancierten jungen Musikkünstlern ein literarisch-musikalisches Adventsprogramm spielte und in der Dorfkirche Bach und Jazz, Barockgedichte und Texte von Brecht, Ingeborg Bachmann oder John Lennon erklangen.

Anschließend ging es über den kleinen Kirchhof, auf dem der preußische Feldmarschall Carl Friedrich von dem Knesebeck ruht (ein Sieger über Napoleon), hinüber zur offenen Backsteinscheune aus dem 17. Jahrhundert – wo die Knesebecksche Freifrau den Gästen ihren Wildschweinburger mit Kraut und dem Fleisch aus der eigenen Jagd ausgab, meist in lehmbatzigen schweren Stiefeln, die auch der Hausherr einen Großteil des Jahres trug.

Dieser hochgewachsene, sehr rustikal wirkende Landadlige war sein halbes Leben lang Seemann und dann Kaufmann gewesen. Die Familie Knesebeck hatte in Karwe zwar gegenüber von Kirche und Scheune einst ein Schloss samt großen Ländereien besessen. Doch 1945 flohen Kraffts Eltern in den norddeutschen Westen. Im Schloss verblieb nur ein Onkel, den die Rote Armee sogleich festnahm.

Der Hinrichtung oder Deportation entging er nur, weil der sowjetische Kommandant sich erinnerte, dass auf seiner Militärakademie jener alte Marschall Knesebeck als Held galt. Der Ahne Carl Friedrich nämlich hatte dem Zaren vorm Einmarsch Napoleons den genialen Rat gegeben, Moskau freiwillig preiszugeben und die Franzosen so in die Tiefe des russischen Raums und in den für sie tödlichen Winter zu locken.

Als die Russen später aus Karwe abzogen, war der Knesebecksche Besitz enteignet, und das zur DDR-Zeit verfallende Barockschloss, in dem auch Fontane zu Gast war, wurde in den 80er Jahren abgerissen. Der 1954 in Schleswig-Holstein geborene Krafft hatte die großelterlichen Güter vor der Wende nie gesehen.

Der Funke sprang über

Sein Vater schlug sich im Kaffeehandel durch, der Sohn studierte Betriebswirtschaft, war bis 1987 Schnellbootkommandant der Bundesmarine und dann Geschäftsführer im Einzelhandel. Als Vater und Sohn Ostern 1990 erstmals nach Karwe kamen und die idyllisch am Ruppiner See gelegenen Reste des Familienguts erblickten, sprang der Funke über.

Knesebecks Vater gewann die zunächst misstrauischen Dörfler mit der Versicherung, keinem würde nun etwas genommen. Krafft kaufte auch nach dem Tod seines Vaters mit Treuhandkrediten allmählich Land und die Ruinen zurück, zog mit Frau und Hunden selbst ins Dorf.
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Am See entstanden aus verfallenen Häusern restaurierte Backsteinbauten für Sommergäste und Eigentumswohnungen. Felder und Wälder wurden rekultiviert und aus der ehemaligen Schnapsbrennerei und dem Pferdestall Knesebecks neues Domizil. Mitsamt einer Galerie.

Als dort 2019 im Fontanejahr die Ausstellung „Fontane trifft Knesebeck“ stattfand, konnte Krafft als letzter direkter Nachfahre des legendären Marschalls Familienstücke präsentieren, die auch Theodor Fontane bei seinen Wanderungen durch Brandenburg vor gut 150 Jahren vor Augen hatte. Über den so tatkräftigen Freiherrn hätte ein Fontane von heute wohl sagen können, er war ein guter Geist und ganzer Kerl.

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