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Florentine C. Bredow (1948-2018)

© privat

Nachruf auf Florentine C. Bredow (Geb. 1948): Teddys, überall Teddys

Teddys, überall Teddys. Die wertvollsten muss sie in Ketten legen.

Die Einführung der D-Mark und die Rosinenbomber machten das Geburtsjahr von Florentine ebenso besonders wie der kleine Teddybär, den der Vater für die Tochter gegen Tabak eintauschte. Das blonde Mädchen war lange die Kleinste, aber ungewöhnlich begabt. In der Schule umschwärmten sie die anderen Kinder, weil sie viel wusste und Bärengeschichten erfand, die allen gefielen. Die Braunschweiger Schulzeit war unbeschwert und das spätere Studium der Kunstgeschichte auch.

In einem Zeitungsinserat las sie über zwölf Stoffbären, von denen sechs noch neu und sechs löchrig geliebt waren. Florentine kam zu spät und erwarb nur noch die Abgeliebten mit fehlenden Armen und viel zu wenig Holzwolle im Bauch. Das Prachtexemplar aus Babytagen hatte nun sechs beschädigte Geschwister. Die Idee, der jungen, leicht verbrauchten Bärenfamilie viele Geschwister zu bescheren, war geboren. Der eigene, unerfüllte Kinderwunsch, so vermuten Freunde, mag Ursache für jene Sammlung gewesen sein, die einige Jahre später in der Welt ein gewisses Aufsehen erregte.

Ihren geregelten Lehr- und Schulbetrieb bewältigte Florentine mit Leichtigkeit. Sie unterrichtete Kunsterziehung an einem Berliner Gymnasium. Da blieb viel Zeit für die Leidenschaft, eine stetig anwachsende Bärengemeinde um sich zu scharen.

1989 tapste Götz in ihr Leben, ein Mann von bärischem Format, der drei florierende Unternehmen führt und einen Gang hat, der an aufrecht laufende Grizzlies erinnert. „Endlich einer, dem ich keinen Staub aus dem Pelz bürsten muss!“, freute sich Florentine.

Für eigene Kinder sind die beiden bereits zu alt, und so verleiht Florentines Sammlung dem Familienleben einen höheren Sinn. Götz unterstützt sie mit allen Kräften.

Nach drei Jahren heiraten die beiden, vermehren auf Auktionen in der ganzen Welt die Bärenfamilie ungeheuerlich. Florentine füllt die Zeit zwischen Schulbetrieb und Akquisereisen mit dem Verfassen von Fachbüchern über Stoff- und Werbebären. Museen auf der ganzen Welt wollen ihre Bären zeigen. Die auf mehr als 5000 Mitglieder gewachsene Familie geht auf Reisen.

Ein Museum am Kurfürstendamm

Das Guinnessbuch würdigt Florentine mit dem Vermerk, weltweit die umfangreichste Sammlung dieser Art zu besitzen. Am Kurfürstendamm entsteht das erste Teddymuseum, muss aber nach fünf Jahren einer anderen Sammlung weichen. Von den vielen Bewerbern für die Bärenfamilie favorisiert Florentine ein Museum in der Hofer Ludwigstraße.

Viele Besucher schenken ihr ein, zwei oder auch mal mehrere Plüschtiere. Schließlich benötigen die mehr als 7000 Gestalten aus Stoff, Plastik, Porzellan und Pappe zusätzliche Lagerflächen.

Das KaDeWe leiht 300 Bären und dekoriert damit das gewaltige nach Nordwesten zeigende Schaufenster. Kinderscharen versammeln sich vor dem Theater hinter Glas und bringen den Fußgängerverkehr zum Erliegen.

2012 ist auch in Hof Schluss, und das Ehepaar Bredow mietet neben der eigenen Wohnung am Kurfürstendamm eine zweite mit drei Zimmern, Küche und Bad. In dem scheinbar wahllos zusammengestellten Mobiliar übervölkern die Bärenscharen liegend, hängend und sitzend Stühle, Tische, Ledersessel, Waschbecken und Teppiche. Gäbe es ein paar Zimmer mehr, müssten sich nicht Hunderte Plüschtiere in goldenen Stuckrahmen drängen. Es kommt vor, dass Besucher den wachsamen Blicken der Eigentümerin ausweichen, um besonders wertvolle Exemplare zu entführen. Florentine bangt um ihre Raritäten und legt die wertvollsten in Ketten oder fixiert sie an Drahtseilen.

2017 braucht sie eine Auszeit. Zahllose Führungen und das niemals endende Entstauben der Bärenhorde haben sie erschöpft. Mit dem Flugzeug fliegen sie und Götz nach Florida, mit dem Schiff fahren sie zurück. Aber Florentine fühlt sich weiterhin nicht wohl und entscheidet, endlich mal zum Arzt zu gehen. Die Arztbesuche häufen sich, doch Florentine verliert kein Wort über Diagnose und Behandlung. Götz folgt ihrem Wunsch, das Bärenkonvolut zu verpacken und einzulagern. Der auf 15 000 Objekte angewachsene Plüschschatz mit einem Wert von mehreren hunderttausend Euro schlummert nun verhüllt in Pappe, Blasenfolie und Gitterboxen.

Im Juni 2018 stürzt Florentine. Götz kann sie noch zum Arzt auf der anderen Straßenseite bringen, wo sie Minuten später stirbt. Kurz darauf erfährt er, dass Florentine am Tag vor dem Sturz ihre Seebestattung auf Sylt arrangiert hat. Der Bestatter übermittelt den Wunsch der Verstorbenen, dass kein Verwandter oder Freund, nicht mal der geliebte Götz, dem Zeremoniell auf hoher See beiwohnen soll.

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