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Umstritten: Solche Demofotos auf Social-Media-Kanälen der Polizei.

© epd/Ch. Ditsch

Nach Urteil aus Gelsenkirchen: Berliner Polizei hält an Demofotos auf Twitter fest

Ein Verwaltungsgericht in NRW hat entschieden, dass das bloße Fotografieren einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit darstellt. Wie ist die Lage in Berlin?

Die Praxis der Berliner Polizei, bestimmte Fotos von Demonstrationen auf Social-Media-Kanälen zu verbreiten, könnte rechtswidrig sein. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen in Nordrhein-Westfalen hat kürzlich entschieden, dass bereits das bloße Anfertigen von Fotografien einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Versammlungsfreiheit darstellt (Az.: 14 K 3543 / 18). Das Polizeipräsidium Essen hält dies dagegen im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit für zulässig.

Auf Tagesspiegel-Anfrage verteidigte die Polizei ihre Fotopraxis auch in Anbetracht des Gelsenkirchener Richterspruchs. Es würden über den Twitter-Einsatzkanal nur „Übersichtsaufnahmen“ von Demonstrationen veröffentlicht. Personen seien darauf nicht zu erkennen – und wenn, handele es sich um Einsatzkräfte der Polizei. Fotos von Teilnehmenden würden generell nicht gemacht, heißt es. Bei Berichten über Veranstaltungen wie dem Christopher-Street-Day oder der Demonstration „Zug der Liebe“ seien zwar Fotos von Teilnehmern veröffentlicht worden, dafür habe sich das Social-Media-Team aber das Einverständnis der Betroffenen eingeholt.

Noch liegt keine schriftliche Begründung des Gelsenkirchener Urteils vor. Bei der Urteilsverkündung hatte das Gericht allerdings deutlich gemacht, dass es auf eine Identifizierbarkeit nicht ankommt. Allein, dass die Polizei bei der Demo für die Demonstranten wahrnehmbar fotografiert hatte, sei rechtswidrig, meinen die Richter. Es dürfe bei Kundgebungen erst gar nicht der Eindruck von staatlicher Überwachung entstehen. Fotografierende Polizeibeamte könnten einschüchternd wirken und Demonstranten von der Ausübung ihres Grundrechts auf Versammlungsfreiheit abhalten.

Erlaubt: Fotos von Gewalt wie hier am 1. Mai oder drohenden Gefahren.
Erlaubt: Fotos von Gewalt wie hier am 1. Mai oder drohenden Gefahren.

© Florian Schuh/dpa/picture alliance

Rechtslage in Berlin und NRW unterschiedlich

Geklagt hatten ein Teilnehmer und der Anmelder einer Demo in Essen gegen Rassismus und Gewalt im Mai dieses Jahres. Die Polizei verbreitete bei Facebook und Twitter Aufnahmen des Umzugs. In diesem Fall trat noch hinzu, dass die Betroffenen am Gesicht erkennbar waren. Die Essener Polizei hatte in der Verhandlung betont, sie wolle die Bevölkerung transparent und „am Puls der Zeit“ informieren. Außerdem habe es sich um „Übersichtsaufnahmen“ gehandelt.

Die Rechtslage ist in NRW und Berlin unterschiedlich. In beiden Bundesländern sind Teilnehmerfotos bei Demos nur erlaubt, wenn Anhaltspunkte für Gefahren vorliegen. Dies dürfte in Berlin beispielsweise auf etliche jüngst veröffentlichte Fahndungsfotos von Teilnehmern der „Revolutionären 1. Mai-Demo“ zutreffen. Ihnen werden mutmaßliche gewaltsame Ausschreitungen gegenüber Polizisten vorgeworfen.

Zusätzlich gibt es in Berlin aber noch eine Sonderregelung für Übersichtsaufnahmen. Sie sind demnach zulässig, wenn ihre Anfertigung wegen Größe oder Unübersichtlichkeit der Veranstaltung zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes erforderlich ist. Die Verwertung auf Social-Media-Kanälen wird allerdings nicht mitgeregelt.

Der Berliner Verfassungsgerichtshof hatte die Regelungen 2014 trotz drohenden „Einschüchterungseffekts“ noch als verfassungsgemäß bestätigt. Ob dadurch auch Veröffentlichungen bei Polizei-Accounts bei Twitter oder Facebook gerechtfertigt werden können, ist unklar.

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