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Mit brachialer Gewalt öffneten die Täter den Geldtransporter in der Schillingstraße.

© Paul Zinken/dpa

Nach Überfall auf Geldtransporter: Millionen-Räuber vom Alexanderplatz vor Gericht

Elf Monate nach dem spektakulären Überfall auf einen Geldtransporter nahe dem Alexanderplatz stehen drei Männer vor dem Landgericht.

Einer der Räuber schoss auf der Flucht mit einer Kalaschnikow in Richtung einer Funkstreife. Die Kriegswaffe war laut Anklage auf Dauerfeuer eingestellt. Einer Ladehemmung sei es zu verdanken, dass bei der Szene im morgendlichen Berufsverkehr „nur“ ein Schuss fiel. Elf Monate nach dem spektakulären Überfall auf einen Geldtransporter nahe dem Alexanderplatz, bei dem die Täter sieben Millionen Euro erbeutet und kurz darauf alle acht Geldkisten verloren hatten, stehen drei Männer vor dem Landgericht.

Der 38-jährige Suphi S. und der 33-jährige Aiman S., die mit zwei bislang nicht bekannten Komplizen und einem untergetauchten Mittäter vor Ort gewesen sein sollen, schwiegen zu Prozessbeginn am Donnerstag. Einer der Anwälte von Suphi S. gab allerdings eine Erklärung zur Anklage ab. Sein Mandant habe bei der Polizei erklärt, dass er nichts mit der Tat zu tun habe, so der Verteidiger. Polizei und Staatsanwaltschaft hätten sich aber schnell auf ihn festgelegt und dann daran festgehalten. Bei S. bestehe nun ein „tiefes Misstrauen“ in die Objektivität der Ermittlungsbehörden.

Der wegen Beihilfe zum schweren Raub angeklagte Abdallah T. (33) wies die Vorwürfe zurück. „Ich hatte weder von der Planung noch von der Ausführung der Tat Kenntnis“, verlas einer der Verteidiger. T. soll Tatwerkzeug und ein Fluchtauto beschafft haben. Es waren rund 30.000 Euro teure Spezialwerkzeuge, die die Feuerwehr bei Unfällen benutzt, um Türen zu öffnen.

T. erklärte, er habe solche Geräte zwar weit vor dem Überfall in Mitte „im Auftrag einer anderen Person“ beschafft, sei aber nicht von einem geplanten Raub ausgegangen. Den Mercedes R-Klasse habe er im Juni 2018 für eine andere Person vom Ordnungsamt auslösen sollen. Ihm sei „nicht einmal die Idee“ gekommen, dass jemand so ein seltenes Auto als Fluchtwagen nehmen würde.

Stationen einer Verfolgungsjagd: Durch Mitte und Kreuzberg flohen die Täter.
Stationen einer Verfolgungsjagd: Durch Mitte und Kreuzberg flohen die Täter.

© Fabian Bartel

Gegen 7.30 Uhr wurde am 19. Oktober 2018 ein Geldtransporter von zwei Fahrzeugen ausgebremst und eingekeilt. Fünf Maskierte stiegen aus. Zwei von ihnen bedrohten die Besatzung des Transporters mit automatischen Gewehren – baugleich einer Kalaschnikow/AK47, so die Anklage. Mit einem Hydraulik-Spreizer knackten sie die gepanzerte Tür.

Acht Geldkisten hievten die Täter in den Kofferraum eines Mercedes R-Klasse. Zufällig aber näherte sich ein Funkwagen, der eigentlich in einem anderen Einsatz eingebunden war. Die erste Pleite für die Räuber. „Sie brachen ihre Tat vorzeitig ab“, so die Anklage. Nächste Panne: Eine der Geldkisten war so groß, dass sich die Heckklappe des Fluchtwagens nicht mehr schließen ließ. Beim Anfahren fiel die Kiste mit zwei Millionen Euro aus dem Mercedes. Suphi S., der den Mercedes gesteuert haben soll, sei dennoch davongerast, so die Anklage. Mit bis zu 100 Stundenkilometern.

Richtung Kreuzberg wollten die Täter entkommen. Bei der Verfolgungsjagd mit der Polizei habe Suphi S. mehrere Unfälle verursacht. Etliche Blechschäden seien es gewesen. Der Fahrer eines Motorrollers sei bei einer Berührung leicht an der Wade verletzt worden. „Der Angeklagte entfernte sich ohne Rücksicht auf den Querverkehr“, so die Anklage.

Mit Blaulicht und Martinshorn verfolgte die Polizei die Räuber. Plötzlich ein Schuss aus dem hinter dem Mercedes fahrenden Täterauto, einem Audi A6. Mit einer Kalaschnikow wurde aus dem geöffneten Schiebedach geschossen. Ein bislang unbekannter Mittäter soll abgedrückt haben. Er habe „mit zumindest bedingter Tötungsabsicht zur Flucht- und Beuteabsicherung“ gefeuert. Das Projektil traf den Funkwagen. Die Polizisten brachen die Verfolgung ab.

Dann das Aus für die Beute: Der Mercedes war mit gebrochener Vorderachse und zerfetztem Reifen nicht mehr zu bewegen. Die Insassen, darunter aus Sicht der Anklage die beiden Hauptangeklagten, seien zu Fuß geflohen. Die sieben Kisten mit fünf Millionen Euro blieben zurück.

DNA-Spuren, die im Mercedes gefunden wurden, führten sechs Wochen später zur Verhaftung von Suphi S., einem gelernter Hauswirtschaftler mit ungeklärter Staatsbürgerschaft. Abdallah T. wurde im einige Tage später festgenommen und Aiman S., ein Berliner Gastronom, befindet sich seit Juli in U-Haft. Ob es einen Bezug zu Clan-Kriminalität gibt? „Die Beweisaufnahme wird ergeben, ob es tatsächlich solche Beziehungen gibt oder nicht“, sagte der Ankläger. 36 weitere Prozesstage sind geplant.

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