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Bei einer Mahnwache nach dem tödlichen Unfall wurden Blumen und ein weißes Fahrrad an die Unfallstelle gelegt.

© Christophe Gateau/dpa

Nach Tod von Berliner Comicexpertin: Streifenwagen auf Radweg sorgt für Empörung – Polizei prüft Vorfall

Ein Polizeiwagen parkte nur wenige Meter von der Stelle, wo Radfahrerin Laëtitia Graffart ums Leben kam. Die Behörde untersucht nun, ob das erlaubt war.

Ein Polizeieinsatz in Berlin-Friedrichshain hat Unmut und scharfe Kritik ausgelöst – weil ein Streifenwagen auf dem Radweg in der Frankfurter Allee stand. Der Wagen parkte am Donnerstag nur wenige Meter von der Stelle entfernt, an der die Comic-Expertin und Musikerin Laëtitia Graffart Ende Mai bei einem Unfall im Alter von 37 Jahre getötet worden war.

Radfahrer haben die Situation bei Twitter mit Fotos und Videos dokumentiert. Der Einsatzwagen parkte am Ausgang des U-Bahnhofs Samariterstraße in Fahrrichtung Alexanderplatz, gleich daneben lagen noch die Blumen und Trauergebinde für Laëtitia Graffart – und ein weißes Fahrrad als Mahnmal. Laëtitia Graffart hatte einem auf dem Radweg stehenden Transporter ausweichen müssen. Auf der Fahrbahn wurde sie von einem Laster überfahren.

Die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann (Grüne) erklärte beim Kurznachrichtendienst Twitter zu dem parkenden Polizeiwagen: „Ich verstehe das wirklich nicht mehr! Ist das Provokation, Ignoranz, Versagen der Führung oder bewusstes Statement gegen Radfahrende?“

Die „Zeit“-Journalistin Christina Schmidt schrieb: „Als Polizei den Radweg exakt dort zu blockieren, wo vor zwei Wochen eine Fahrradfahrerin überfahren wurde, weil jemand den Radweg blockierte: Wow.“

Die Polizei hat inzwischen auf den Vorfall von Donnerstag reagiert und spricht offiziell von Fehlverhalten eines Beamten. Dabei geht es aber vorrangig nicht um das Parken selbst, die Umstände dazu werden noch geprüft. Vielmehr geht es um die Aussagen des Beamten, nachdem ein Radfahrer ihn angesprochen hat.

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„Natürlich hat sie Schuld“, sagte der Beamte

Dokumentiert ist das alles auf einem Twitter-Video. „Sie stehen da wirklich schlecht“, rief der Mann den Polizisten zu. „Warum fahren Sie nicht da rein“, fragte der Radfahrer und verwies auf eine Parkbucht einige Meter weiter. Antwort des Beamten:

„Weil ich hier zu tun habe.“ Damit würden andere aber gefährdet, erwiderte der Radfahrer. „Ja, dann muss man mal nach hinten gucken und nicht einfach auf die Fahrbahn ausweichen.“ Der Radfahrer empörte sich, dass der Beamte offenbar Laëtitia Graffart die Schuld an ihrem Tod gegeben habe. „Natürlich hat sie Schuld“, sagte der Beamte.

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Es geht also um zweierlei Dinge bei dem Vorfall: Durften die Beamten den Einsatzwagen dort auf dem Radweg abstellen? Das wird von der Polizei untersucht. Und hat sich der Beamte angemessen verhalten? Die Behörde findet: nein.

Noch am Freitagabend, als der Beamte seine Nachtschicht antrat, haben seine Vorgesetzten mit ihm gesprochen. Über Konsequenzen werde noch entschieden, sagte eine Sprecherin.

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Der Beamte und eine Polizistin waren zu einem Einsatz wegen Ladendiebstahls gerufen worden. „Es handelte sich um einen Einsatz in einem Drogeriemarkt, in dem ein Tatverdächtiger eines Diebstahls festgehalten wurde, der der Polizei für die weiteren Ermittlungen übergeben werden sollte“, sagte die Polizeisprecherin.

Parkbucht sei nicht frei gewesen

Der Drogeriemarkt ist direkt am Ausgang des U-Bahnhofs. Der Beamte soll bei seiner Befragung durch die Vorgesetzten am Freitagabend erklärt haben, dass die Parkbucht, auf die der Radaktivist hingewiesen hatte, bei seiner Ankunft nicht frei gewesen sei.

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Die Polizei konnte noch keine Auskunft darüber geben, ob es sich um einen eilbedürftigen Blaulicht-Einsatz gehandelt hat, ob die Beamten also sogenannte Sonder- und Wegerechte hatten. Die genauen Umstände, ob der Wagen dort auf dem Radweg geparkt werden konnte für den Einsatz, werden ebenfalls noch geprüft. Es sei aber jedenfalls bei solchen Einsätzen nicht unüblich, dass die Fahrzeuge so abgestellt werden, dass Beamte nach dem Aussteigen zu Fuß den kürzesten Weg haben.

Dabei geht es auch um taktische Fragen: Festgenommene Personen sollen schnell und auf einfachstem Wege zum Einsatzwagen gebracht werden können. Damit soll auch vermieden werden, dass sich umstehende Personen mit Verdächtigen solidarisieren und die Polizei bei ihrer Arbeit behindern.

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Als am Donnerstag der Radaktivist und der Polizist aneinander geraten sind, saß im Streifenwagen bereits der Tatverdächtige. Polizeiintern ist von einer Stresssituation die Rede, weil der Verdächtige sich nicht ruhig verhalten habe. Andererseits, so ist es aus der Behörde auch zu hören, hätte der Beamte sich im Griff haben müssen und ruhig erklären können, dass es um eine Festnahme ging und die Polizisten kurze Zeit später losfahren würden.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) wirbt für einen differenzierten Blick. „Es ist unstrittig, dass die Videosequenz nicht die beste Werbung für die Berliner Polizei ist. Aber es gibt leider selten den perfekten Platz, um einen Funkwagen im fließenden Verkehr abzustellen“, sagte GdP-Sprecher Benjamin Jendro. „Und es kann eben auch sein, dass selbst Berlins Polizisten in einer hektischen Situation mal etwas Empathie vermissen lassen.“ Genau deshalb sei es gut, dass die Polizei das Gespräch suche und den Vorfall genau auswerten möchte. „Wir stehen für ein Miteinander und gegenseitige Rücksichtnahme aller Verkehrsteilnehmer.“

Beamte: Beim Ausweichen sollten Radfahrer die Fahrbahn beobachten

Offiziell erklärte die Polizei, er habe sich „unangemessen und abweisend“ verhalten. Beachtlich ist die – wenn auch unsensible – Aussage des Beamten dennoch. Der Bezirk hatte vor einem Jahr an der Unfallstelle einen sogenannten Pop-up-Radweg markiert. Dieser ist aber nicht durch Poller von der Fahrbahn der Autos gesichert. 

Wer sich in der Polizei umhört, selbst bei Beamten, die ausdrücklich überzeugte Radfahrer sind, bekommt immer wieder eines zu hören: Wenn ein Hindernis auf dem Radweg steht und man auf die Fahrbahn ausweichen muss, sollten Radfahrer sich vergewissern, dass diese frei ist, um den parkenden Transporter gefahrlos zu umfahren.

Auf den Fotos vom parkenden Polizeiwagen vom Donnerstag sind auch Radfahrerinnen zu sehen: Sie haben augenscheinlich auf dem Radweg hinter dem Streifenwagen gehalten und nach hinten gesehen, ob die Fahrbahn frei ist.

Nach dem Unfall von Laëtitia Graffart drehte sich die Debatte aber vor allem um den parkenden Transporter, dem die Französin ausweichen musste. Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) erklärte etwa: „Ich bin es so leid! Wozu legen wir bitte Radstreifen an, wenn sich der motorisierte Verkehr nicht darum schert? Radstreifen müssen konsequent freigehalten werden. Jeder tödliche Unfall ist einer zu viel!“

Dem Fahrer des Transporters droht ein Bußgeld, weil er dort nicht hätte parken dürfen. Rechtlich dürfte ihn am tödlichen Unfall keine Schuld treffen – in der öffentlichen Debatte wird ihm zumindest moralisch eine Mitschuld gegeben.

Inwiefern der Lkw-Fahrer zur Verantwortung gezogen werden kann, ist noch unklar. Die Polizei hat die Aufnahmen einer Kamera im Sattelschlepper beschlagnahmt.

Die Verkehrsermittler untersuchen, wie sich der Unfall genau zugetragen und wer ihn verursacht hat. Dazu zählt bei diesem schrecklichen Tod rechtlich auch das Verhalten der Verstorbenen.

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