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Noch brennt’s vor dem Roten Rathaus. Erst wenn alle Versprechungen auch verbindlich in die Tat umgesetzt wurden, wollen die Feuerwehrleute ihren Protest beenden.

© imago/Christian Mang

Nach öffentlicher Protestaktion: Geisel bezahlt alle Überstunden der Berliner Feuerwehr

Die angesammelten Überstunden werden bezahlt, die reguläre Wochenarbeitszeit verringert: Innensenator Andreas Geisel hatte am Montag gute Nachrichten für die Rettungskräfte.

Am Ende gab es zumindest für eine Ankündigung Applaus von den rund 20 Feuerwehrleuten, die im Nieselregen vor der Senatsverwaltung für Inneres und Sport warteten: Zum 1. Mai sollen alle angesammelten Überstunden der Berliner Feuerwehrleute ausbezahlt werden. Und zwar nicht nur zu 80 Prozent, wie es in der Berliner Überstundenverordnung vorgesehen ist, sondern zu 100 Prozent. Das zumindest ist der gemeinsame Wunsch von Innensenator Andreas Geisel (SPD), Gewerkschaftsvertretern und Personalräten der Feuerwehr, die sich am Montag zu einem Expertengespräch getroffen hatten. Mehr als 100 000 Überstunden stehen zu Buche. Sie alle zu bezahlen würde mehr als 5 Millionen Euro kosten.

Eine Einmalzahlung in dieser Höhe wäre ein ungewöhnlicher Schritt, normalerweise sollen Überstunden in Freizeit abgegolten werden. Dass das mit Blick auf die angespannte Personalsituation kaum möglich ist, bekräftigten alle Gesprächspartner. Ein entsprechender Beschluss könnte unter Umständen für andere belastete Bereiche einen Präzedenzfall schaffen. Zum Beispiel für die Polizeibehörde.

Damit die Auszahlung möglich ist, bedarf es einer Änderung des bisherigen Beschlusses durch den Senat. „Der Innensenator hat uns zugesichert, dass er uns auf dem Weg zu einer einhundertprozentigen Auszahlung unterstützt und es nicht am Geld scheitern kann“, sagte Roland Tremper von Verdi. Geisel versicherte am Montag, er habe sich bereits mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller und Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (beide SPD) beraten und sehe die Möglichkeit für eine rechtliche Ausnahmeregelung gegeben.

Die Krankheitsquote lag bei 22 Prozent

Nötig wird der rasche Abbau von Überstunden, da ebenfalls ab Mai die Wochenarbeitszeit der Feuerwehrleute von 48 Stunden auf 44 Stunden reduziert werden soll und man nicht mit Altlasten in das neue Modell starten will. Zum Jahreswechsel hatte der Personalrat die 24-Stunden-Dienstvereinbarung gekündigt, die Feuerwehrleute haben in der Konsequenz also weniger lange am Stück, dafür deutlich häufiger gearbeitet. Ein Umstand, der zu einem massiven Anstieg der Krankheitsfälle führte: Die Krankheitsquote lag zuletzt bei 22 Prozent, im Schnitt war jeder Feuerwehrmann 48 Tage im Jahr krank.

Da aus Personalmangel jedoch keine Rückkehr zu den 24-Stunden-Diensten möglich ist, zeigten sich die Gewerkschaftsvertreter zufrieden mit der 44-Stunden-Regelung. Die Feuerwehrleute vor der Senatsverwaltung hatten sich mehr erhofft: „Uns belasten die 12-Stunden-Dienste viel mehr, weil wir häufiger zur Wache fahren müssen“, sagt einer von ihnen. „Davor hatten wir mehr Flexibilität im Dienstplan und die Kollegen waren seltener krank.“ Durch den häufigen Wechsel von Tag- und Nachtschicht leide das Privatleben enorm.

Um die Umstellung reibungslos zu gewährleisten, soll es bis September eine Übergangsregelung geben, bei der ein Teil der Angestellten zwar weiterhin 48 Stunden pro Woche arbeitet, dafür aber jeweils vier Überstunden bezahlt bekommt.

Wir verschwinden mit der Tonne erst, wenn wir greifbare Fakten haben

Neben der Regelung zu Überstunden und Wochenarbeitszeit soll der Beförderungsstau aufgelöst und es sollen neue Fahrzeuge angeschafft werden. Trotz der Erfolge für die Vertreter der Feuerwehr soll die Mahnwache vor dem Roten Rathaus fortgesetzt werden. Unter dem Motto „Berlin brennt“ protestieren Feuerwehrleute seit Ende März Tag und Nacht. „Wir verschwinden mit der Tonne erst, wenn wir greifbare Fakten haben“, sagte Stefan Ehricht von Verdi. Bislang sei keines der Vorhaben vertraglich festgelegt, geschweige denn in die Tat umgesetzt.

Außerdem kam es in dem Gespräch am Montag zu keiner Einigung bei der Erhöhung der Feuerwehrzulage, einem festen Bestandteil der regelmäßigen Bezahlung. Die Gewerkschaftsvertreter hatten eine Erhöhung von bislang 127 Euro pro Monat auf 200 Euro gefordert. Im Rahmen des Expertengesprächs konnte lediglich ein Zuschlag von 6 Euro erreicht werden. „Das ist ein Witz“, sagt Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei, die auch Feuerwehrleute vertritt. Von der Gewerkschaft der Polizei heißt es: „Berlins Kassen sind voll, die Bürgerinnen und Bürger verdienen es, dass ihre Steuern spürbar in die innere Sicherheit und nicht nur in Abgeordnetendiäten investiert werden.“

Wenn sich nichts ändert, kommt das System bald an die Belastungsgrenze

Neben den Verbesserungen in der Arbeit soll eine gemeinsame Kampagne von Feuerwehr, Gewerkschaften und Senat dazu führen, dass die Feuerwehrleute generell weniger Arbeit haben. Zu oft werde die 112 wegen Kleinigkeiten gerufen. Mehr als eine Million Mal pro Jahr klingelt in der Leitstelle das Telefon. Das sind rund 3000 Telefonate am Tag, gut 100 in der Stunde oder zwei pro Minute. Aus etwa jedem zweiten Anruf wird ein Einsatz. Diese hohe Belastung zwang die Feuerwehr, von Januar bis April dieses Jahres schon 27 Mal den „Ausnahmezustand Rettungsdienst“ auszurufen. Das passiert, wenn 90 Prozent der Rettungswagen unterwegs sind.

Am vergangenen Wochenende war es wieder einmal fast soweit: Knapp 24 Stunden war die Feuerwehr nach einem Brand auf dem Gelände des Alten Schlachthofs in Prenzlauer Berg und weiteren schweren Bränden in Neukölln und Pankow im Großeinsatz. „Das muss sich verändern, sonst kommt das System bald an die Belastungsgrenze“, sagte Geisel. In den kommenden zwei Jahren sollen insgesamt 354 neue Stellen bei der Feuerwehr geschaffen werden, das ist im Doppelhaushalt 2018/19 festgelegt.

Der Innensenator selbst hatte die Mahnwache der Feuerwehr in den vergangenen Wochen mehrfach besucht und betont, das verlorene Vertrauen zwischen Senat und Feuerwehr wieder herstellen zu wollen. Das gestrige Gespräch sei dabei nur ein erster Schritt gewesen, künftig sollen jährlich mindestens zwei Expertenrunden dieser Art abgehalten werden.

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