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Der Berliner Fernsehturm ist zwischen sanierten Altbauten und einem Plattenbau-Hochhaus.

© dpa/Jens Kalaene

Nach Münchner Urteil: Pleite für Volksbegehren weckt neue Zweifel am Berliner Mietendeckel

Nach dem Münchner Urteil ist der Mietenstopp in der Hauptstadt noch umstrittener. Der Senat setzt jetzt alles auf eine Karte. Die heißt Karlsruhe.

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Nach der Entscheidung des bayerischen Verfassungsgerichtshofs gegen einen Mietenstopp wachsen die Zweifel, ob der Berliner Mietendeckel rechtmäßig ist. Zugleich steuert der rot-rot-grüne Senat auf einen Showdown vor dem Bundesverfassungsgericht zu und fordert eine Grundsatzentscheidung aus Karlsruhe.

Die Verfassungsrichter des Freistaats haben am Donnerstag ein Volksbegehren gegen Mieterhöhungen in Bayern gestoppt. Durch das Urteil sehen sich die Berliner CDU und FDP, aber auch der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) in ihrer Auffassung bestätigt, dass der Mietendeckel für die Hauptstadt verfassungswidrig ist.

In dem Urteil ging es um die Zulassung eines Volksbegehrens für einen sechsjährigen Mietenstopp, das vom Mieterverein München im Oktober 2019 gestartet worden war. Die Verfassungsrichter entschieden am Donnerstag, „dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung des Volksbegehrens nicht gegeben sind“.

Die Begründung: Der Gesetzentwurf der Initiative für einen Mietenstopp sei mit Bundesrecht unvereinbar, weil dem Landesgesetzgeber „die Gesetzgebungskompetenz fehlt“. Schon vorhandene bundesgesetzliche Normen für das Mietrecht versperrten die Möglichkeit landesgesetzlicher Regelungen.

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Denn mit der Mietpreisbremse und der Kappungsgrenze habe der Bundesgesetzgeber von der ihm zustehenden „konkurrierenden Gesetzeszuständigkeit für das bürgerliche Recht“ erschöpfend Gebrauch gemacht.
Es gebe deshalb keine Möglichkeit, per Rechtsverordnung auf Landesebene „im Hinblick auf die Festlegung der zulässigen Miethöhe“ abzuweichen, heißt es in dem achtseitigen Urteil.

Es fehle an einem Gesamtkonzept

Die Volksbegehrens-Initiative könne sich auch nicht auf die föderale Zuständigkeit der Bundesländer für das Wohnungswesen stützen, „weil es an einem öffentlich-rechtlichen Gesamtkonzept fehlt“. Der Entwurf, über den das Volk abstimmen sollte, sei nichts anderes als eine Verschärfung des geltenden Bundesrechts.

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Das Münchner Urteil deckt sich mit der Auffassung des Bundesinnenministeriums zu dem Berliner Gesetz, das im Februar in Kraft getreten ist. Auch gegen den Mietendeckel der rot-rot-grünen Koalition gibt es mehrere Klagen.

Der Berliner Senat will nun alles auf eine Karte setzen und gleich das Bundesverfassungsgericht entscheiden lassen. Die Anwälte des Senats haben beantragt, dass das Berliner Verfassungsgericht die Verfahren zum Mietendeckel aussetzt, bis Karlsruhe in dem Fall entschieden hat. Der Senat setzt darauf, dass der Mietendeckel in Karlsruhe umfassender geprüft wird.

Das Bundesverfassungsgericht messe der Frage „eine bundesweite Relevanz vor allem wegen der Kompetenzfrage“ zu und habe bereits 22 Stellungnahmen erbeten, hieß es.

Die „Tatsachenbasis“ sei in Karlsruhe größer

Die Anwaltskanzlei des Senats erklärte, dass das Bundesverfassungsgericht „einen größeren Kreis an Stellungnahmen einholen kann“ als das Berliner Gericht. Zudem lägen neben der Normenkontrollklage in Karlsruhe zwölf weitere Verfassungsbeschwerden vor. Die Bundesverfassungsrichter würden daher „auf einer größeren Tatsachenbasis“ entscheiden.

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Die Berliner Opposition begrüßte das Urteil aus München. Die Entscheidung gebe dem anhängigen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Berliner Mietendeckel Rückenwind, sagte der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak. Die Auffassung von Union und FDP, die in Karlsruhe auf abstrakte Normenkontrolle klagen, werde durch das Münchener Urteil voll bestätigt.

Die CDU setzt auf eine „absehbare Niederlage“

„Ein Bundesland kann keine eigenen, den bundesrechtlichen Mietgesetzen widersprechenden Regelungen erlassen“, sagte Luczak, der das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht für die Kläger koordiniert.

Er ist sich sicher, dass Karlsruhe „den Berliner Mietendeckel kassieren wird“. Der rot-rot-grüne Senat solle die absehbare Niederlage nicht abwarten, sondern jetzt reagieren und die zweite Stufe des im Februar beschlossenen Mietgesetzes, das ab November zur Absenkung von Mieten verpflichtet, aussetzen.

Auch der Berliner CDU-Landeschef Kai Wegner forderte die Koalition auf, „jetzt die Notbremse zu ziehen“. Die Entscheidung aus München habe Signalwirkung für Berlin. Berlins FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja findet „den Fingerzeig aus München deutlich“. Diese Entscheidung schnüre auch dem Berliner Mietendeckel langsam die Luft ab.

Die SPD interpretiert das Urteil anders

Der SPD-Rechtsexperte Sven Kohlmeier hingegen sprach von einem „durchaus klugen Urteil“. Das Bayerische Verfassungsgericht habe darauf hingewiesen, dass die im Grundgesetz verankerte Landeszuständigkeit für das Wohnungswesen vorhanden sei. Dies setze allerdings voraus, dass landeseigene Mietpreisregelungen in das „öffentlich-rechtliches Gesamtkonzept“ eingebettet werden müssten.

Es stelle sich aus seiner Sicht nun die Frage, ob das Land Berlin ein solches sozial orientiertes wohnungspolitisches Konzept vorweisen könne, das verfassungsrechtlich überzeuge. Der Berliner Mieterverein glaubt nicht, dass das „negative Signal aus München“ eine Vorentscheidung für den Berliner Mietendeckel ist. „Wir bleiben optimistisch“, sagte Mietervereins-Chef Reiner Wild. Sollte der Mietendeckel vor Gericht aber scheitern, so müsste der Bund wirksame Schutzinstrumente gegen Mieterhöhungen schaffen, forderte der Mieterverein weiter.

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