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Bild aus besseren Zeiten. Die viertgrößte deutsche Airline Germania musste im Februar Insolvenz anmelden.

© dpa

Nach Insolvenz der Berliner Fluglinie: Ex-Germania-Piloten sollen zahlen

Zum 1. April wurde ihr Geschäftsbetrieb eingestellt, nun fordert der Insolvenzverwalter der Berliner Airline die Ausbildungsdarlehen von den Piloten zurück.

Bei der Pilotengewerkschaft Cockpit ist man derzeit nicht gut zu sprechen auf den Insolvenzverwalter der Berliner Airline Germania. Das Risiko einer Insolvenz dürfe nicht bei den Mitarbeitern liegen, sagte ein Sprecher der Gewerkschaft am Dienstag dem Tagesspiegel. „Ohnehin ist der Arbeitsplatzverlust und die dadurch teilweise bedrohten Existenzen der Ex-Mitarbeiter und deren Familien schon Schicksalsschlag genug“, sagte der Sprecher.

Er reagierte damit auf die Ankündigung des Insolvenzverwalters, eine Summe von einer Million Euro von ehemaligen Piloten der Airline zurückfordern zu wollen. „Dies betrifft knapp 100 Piloten“, sagte ein Sprecher des Germania-Insolvenzverfahrens dem Handelsblatt in der vergangenen Woche.

Konkret geht es um Darlehen zur Finanzierung der Type-Ratings. Ein Type-Rating ist eine Lizenz für ein bestimmtes Flugzeug. Allein die Ausbildung zum Piloten berechtigt noch nicht dazu, ein Verkehrsflugzeug zu fliegen. Dazu braucht der Flugzeugführer die entsprechende Flugzeuglizenz. Ein Pilot hat die Lizenz für maximal zwei Flugzeugtypen. Mehr ist nicht sinnvoll, denn die Lizenz ist temporär. Wenn er das entsprechende „Flugzeugmuster“ nicht regelmäßig fliegt, verfällt diese.

In der Branche ist es üblich, dass Fluggesellschaften die Ausgaben dafür vorfinanzieren. Das gilt gerade zu Beginn der Karriere eines Piloten. Schon die allgemeine Ausbildung wird in der Regel über ein Darlehen – häufig vom künftigen Arbeitgeber – finanziert, weil die entsprechenden Einkünfte noch fehlen. Ähnlich wird beim Type-Rating verfahren. Das Darlehen wird dann über mehrere Jahre mit dem laufenden Gehalt bedient.

Zum 1. April wurde der Geschäftsbetrieb komplett eingestellt

Im Fall der Germania-Piloten ging dieser Plan nicht auf. Anfang des Jahres zeichnete sich ab, dass die Airline finanzielle Probleme hat. Im Januar verzögerte sich die Auszahlung von Gehältern. Nur durch eine Finanzspritze von 15 Millionen Euro konnte Germania die Insolvenz kurzzeitig abwenden. Anfang Februar beantragte Germania Insolvenz und stellte den Flugbetrieb ein.

Danach versuchte der Insolvenzverwalter Rüdiger Wienberg, die Fluggesellschaft im Rahmen eines vorläufigen Insolvenzverfahrens zu retten. Doch auch er scheiterte mit der Suche nach Investoren, sodass der Geschäftsbetrieb zum 1. April komplett eingestellt und Mitarbeiter entlassen wurden.

Viele der Piloten sind bis dato arbeitslos. Sie trifft die Forderung des Insolvenzverwalters deshalb besonders hart. Vor allem unter der Berücksichtigung, dass sie kaum eine Wahl hatten, als sie sich für den Kurz- und Mittelstreckenjet der A320-Familie lizenzieren ließen. Denn Germania hatte vor, die komplette Flotte auf diesen Jet umzustellen. Ohne ein entsprechendes Type-Rating hätten die Germania-Piloten womöglich ihren Job verloren.

Jede Airline hat eigene Abläufe

Die Rechtslage ist alles andere als eindeutig. Experten zweifeln daran, dass Wienbergs Forderungen berechtigt sind. Die Musterberechtigung gelte nur für ein bestimmtes Flugzeug und berechtige gerade nicht zur Führung aller Verkehrsflugzeuge. „Es werden die Gestaltungsgrenzen überspannt, da einzelne Piloten letztendlich das Insolvenzrisiko übernehmen“, sagt Sascha Borowski von der Düsseldorfer Kanzlei Buchalik Brömmekamp dem Handelsblatt. Es sei möglich, dass die Ex-Germania-Piloten ihre Berechtigung nicht weiterverwenden dürfen, da andere Airlines andere Lizenzen verlangen.

Tatsächlich kann das Type-Rating als eine Art interne Qualifizierung für ein spezielles Flugzeugmuster bei einer speziellen Airline angesehen werden. Als etwa Air-Berlin-Piloten nach der Insolvenz zur Lufthansa-Tochter Eurowings oder zum britischen Billiganbieter Easyjet wechselten, mussten sie trotz vorhandenem Type-Rating für die auch dort eingesetzten Flugzeuge der A320-Familie zunächst eine weitere Schulung absolvieren. Denn jede Airline hat eigene Abläufe. Auch ist bei anderen Airline-Insolvenzen – etwa der von Air Berlin – nicht bekannt, dass eventuell ausgezahlte Darlehen für das Type-Rating zurückgefordert wurden vom Insolvenzverwalter.

Der Fall ist komplex

Borowski rät deshalb den Piloten von Germania, nicht vorschnell zu zahlen und sich rechtlich beraten zu lassen. Unabhängig vom Ausgang für die Piloten: Es ist bereits absehbar, dass der Fall Germania den Insolvenzverwalter noch lange beschäftigen wird. Der Fall sei komplex, ein schneller Abschluss nicht zu erwarten, teilte Wienberg mit.

Zumindest einige ehemalige Mitarbeiter der Germania haben mittlerweile einen neuen Job in Berlin gefunden: Der Reiseveranstalter FTI ist in der vergangenen Woche in seine neue Hauptstadtrepräsentanz im Spindlershof in Mitte eingezogen. Drei frühere Germania-Mitarbeiter und 20 ehemalige Beschäftigte von Air Berlin hätten neue Jobs bei FTI gefunden, teilte der Konzern dem Tagesspiegel am Dienstag mit. Insgesamt arbeiten am neuen Standort 300 Menschen.

Einbruch der Passagierzahlen – vor allem im Osten

Doch nicht nur in der Hauptstadt, auch anderswo hinterlässt die Airline-Pleite Spuren. Die Germania-Insolvenz hat die Passagierzahlen an zahlreichen Flughäfen einbrechen lassen – vor allem im Osten. Nach neuesten Zahlen des Flughafenverbandes ADV verbuchte der Flughafen in Thüringens Landeshauptstadt Erfurt von Januar bis Mai rund 38.700 Passagiere, 45 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.

Dresden zählte knapp 564.000 Passagiere – ein Minus von 9,5 Prozent. Am Regionalflughafen Rostock-Laage, der neben Germania auch den Wegfall von FlyBMI verkraften musste, rechnet die Geschäftsführung in diesem Jahr mit rund 150.000 Passagieren, ein Rückgang um rund 50 Prozent. Die Germania-Insolvenz habe viel zur Verschärfung der Situation beigetragen, sagte ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel.

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