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Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD), verfolgt am 28.09.2017 im Abgeordnetenhaus in Berlin die Debatte um die Schlussfolgerung aus dem Volksentscheid über die Offenhaltung des Flughafens Tegel.

© Wolfgang Kumm/dpa

Nach der Bundestagswahl: Die Berliner SPD – auf der Suche nach sich selbst

Katerstimmung nach der Wahlniederlage. Parteichef Michael Müller gerät zunehmend unter Druck. Wechselt sein Kanzleichef Böhning zum Bund?

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Nach der Bundestagswahl läuft in der Berliner SPD die Suche nach den Gründen des Ergebnisses von 17,9 Prozent nur zögerlich an. Die Landesgeschäftsführerin Anett Seltz wirbt um Verständnis: „Wir müssen besonnen und überlegt diskutieren, das wird ein längerer Prozess.“

Sie verweist auf die kritische Analyse, die von der Parteispitze vor einem Jahr beschlossen wurde, nachdem die SPD bei der Abgeordnetenhauswahl auf 21,6 Prozent abstürzte. „Das war auch unsere Fibel für den Bundestagswahlkampf.“ Aber es sei natürlich noch viel zu tun.

Weniger gelassen reagieren die Funktionäre in den Orts- und Kreisverbänden der Hauptstadt-Partei. Dort wird bisher wild durcheinander diskutiert. Vor allem die Frage, wie man den Markenkern der SPD, die soziale Gerechtigkeit, für die Bürger wieder erkennbar machen und Vertrauen wiederherstellen kann, treibt viele Genossen um.

Giffey fordert Trennung von Regierungs- und Parteiamt

Strittig diskutiert wird der Vorschlag des Vize-Landeschefs Mark Rackles, auch organisatorisch näher an die Linken heranzurücken und sogar Absprachen über Wahlkreise zu treffen. Der SPD-Fraktionschef Raed Saleh nannte dies am Freitag „dämlich“ und Parteichef Müller setzt auf eine harte Auseinandersetzung mit der Linken – die in Berlin die SPD in der Wählergunst überholt hat.

Die Suche nach einer Strategie, mit der die SPD als Volkspartei gerettet werden kann, wird natürlich verbunden mit der Frage: Wer soll die Partei in Bund und Land künftig führen? In Berlin sieht sich der SPD-Chef Müller nach der Bundestagswahl einem starken innerparteilichen Druck ausgesetzt.

Zwar werden die Orts- und Kreisverbände erst ab Januar 2018 neu besetzt und der Landesvorstand im Mai neu gewählt. Aber, so formuliert es ein einflussreicher Funktionär, „bis dahin wird intern noch einiges passieren“.

Jetzt schon wagte sich die Neuköllner Bürgermeisterin Franziska Giffey aus der Deckung, die in einem Interview die Trennung von Regierungs- und Parteiamt forderte – und somit die Ablösung Müllers als Berliner SPD-Chef. Das kam nicht so gut an, denn in der Krisensitzung des Landesvorstands am Montag hatte sie in ihrem Redebeitrag nichts dergleichen gesagt.

Umstritten: Giffey schlägt vor Regierungs- und Parteiamt zu trennen.
Umstritten: Giffey schlägt vor Regierungs- und Parteiamt zu trennen.

© promo

Eine andere Variante schlug der Finanzsenator und SPD-Linke Matthias Kollatz-Ahnen vor. Er kann sich vorstellen, einen Generalsekretär zu installieren, die SPD müsse „stärker kommunizieren“. Das soll wohl heißen, Müller könnte bleiben, kriegt aber jemand an die Seite gestellt.

„Raed muss bald aus der Deckung kommen“

Diese Idee fand allerdings schon im April 2016, als Müller den linken SPD-Landeschef Jan Stöß vom Sockel holte, in den Kreisverbänden nicht genug Unterstützung. Als „perspektivische Option“ wollte Müller die Bestellung eines Generalsekretärs im Auge behalten, aber bisher wurde nichts daraus.

Sollte Müller im nächsten Jahr nicht mehr für den Parteivorsitz kandidieren, kursieren für die Nachfolge immer dieselben Namen: Andreas Geisel, Raed Saleh, Franziska Giffey und Matthias Kollatz-Ahnen. Und es gibt – je nachdem, wen man fragt – gewichtige Argumente gegen sie alle. „Personaldebatten sind doch nur sinnvoll, wenn man passendes Personal hat“, sagt ein SPD-Kreischef mit trockenem Humor zur innerparteiliche Debatte.

Trotzdem ist es ein offenes Geheimnis, dass der SPD-Fraktionschef Saleh unermüdlich versucht, eine Mehrheit für sich in den Kreisverbänden zu schmieden. Gleichzeitig spricht er sich vehement gegen öffentliche Diskussionen über das SPD-Führungspersonal aus.

Seine Anhänger werden allmählich ungeduldig. „Raed muss bald aus der Deckung kommen“, hört man. Und es wird noch ein Gerücht gestreut: Senatskanzleichef Björn Böhning könnte Generalsekretär der Bundes-SPD werden, sollte Olaf Scholz den glücklosen Martin Schulz als Parteichef beerben.

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