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Der Tatort der Amokfahrt am Tag danach.

© Fabian Sommer/dpa

Nach der Amokfahrt in Berlin: Absolute Sicherheit gibt es nicht, aber wir können trotzdem etwas tun

Mit Autos lassen sich Menschenleben zerstören. Diese Gefahr scheint man allgemein für akzeptabel zu halten. Dabei sollte man dringend umdenken. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Ein Amokfahrer hat in Berlin sein Auto von der Straße auf den Gehweg gesteuert, mitten rein in die Fußgänger, wo es Verwüstungen hinterließ, schwere Verletzungen und sogar den Tod. Ein entsetzlicher Vorfall, der, wie es bisher aussieht, keinem Plan folgte, sondern einer offenbar psychotischen Störung eines Einzelnen entsprang.

Absolute Sicherheit könne es nicht geben, heißt es darum jetzt, wie fast immer, wenn menschengemachter Individualwahnsinn einbricht in den gewohnten Alltag von Anderen, von Unbeteiligten, von Nicht-Gewarnten und Ahnungslosen – und dadurch alle neu herausfordert, sich ihrer Rolle in und ihrer Haltung zur Gesellschaft zu vergewissern.

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Wie geschützt oder gefährdet will ich mich fühlen? Wem soll ich trauen, wen fürchten, welche Bedrohungen für mich akzeptieren und mein Verhalten daran anpassen?

Es gibt Möglichkeiten, die relative Sicherheit zu erhöhen

Dass es keine absolute Sicherheit gebe, wird meist in einem um Entschuldigung bittenden Ton vorgetragen, um nicht den Eindruck von Gleichgültigkeit zu vermitteln. Und es ist ja auch richtig. Dennoch wirkt der Rückgriff auf diese Formel auch reflexhaft. Schließlich gibt es außer der nicht möglichen absoluten Sicherheit doch einige bisher noch ungenutzte Möglichkeiten, zumindest die relative Sicherheit zu erhöhen.

[Lesen Sie zudem: Autofahrer tötet und verletzt Passanten – Hätte modernere Technik Opfer am Breitscheidplatz verhindern können? (T+)]

Klar ist: Mit Autos lassen sich Menschenleben zerstören. Es braucht dazu nicht mal eine Tötungsabsicht, es reicht, Bremse und Gas zu verwechseln. Viel zu oft schon sind Fahrer, denen genau das passiert ist, in Menschenmengen gerast. Und auch, was am Mittwoch, 10 Uhr 30 in der City-West passiert ist, war kein Novum. Immer wieder setzen psychisch kranke oder ideologisch radikalisierte Fahrer ihre Autos als Mordwaffen ein.

Sogar am nahezu selben Ort ist das schon passiert. 2016, bei dem Terroranschlag vom Breitscheidplatz. Dort käme heute kein Auto mehr durch, denn man stellte damals Poller auf.

[Lesen Sie hier bei T+: Ein Berliner Trauma kehrt zurück – doch die Lage ist anders]

Seit Mittwochmorgen kann man wieder fragen, warum nicht längst aus den vielen bisher gezählten Unfall-, Amok- und Terrorfahrten die Konsequenz gezogen wurde – und zwar bundesweit –, dass Gehwege in belebten Gegenden überall dort, wo Autos auf breiter Front in die Menschenmengen rasen können, mit Pollern begrenzt werden. Als eine von vielen kleinen Maßnahmen, um ein enormes Gefährdungspotenzial besser einzuhegen.

Das wehren manche entschieden ab: Man könne nicht die halbe Stadt verpollern. Aus Nizza, das ebenfalls 2016 Ort einer Terrorfahrt war, wird genau das berichtet, und die Stadt steht immer noch.

Verdrängung hilft gegen Ohnmacht, kann aber auch lähmen

Im Umgang mit Gefahren legen Gesellschaften sich Verdrängungsroutinen zu. Das ist gut, wenn diese gegen Ohnmachtsgefühle helfen. Aber wenn die Gefahren sich ändern, müssen die Routinen infrage gestellt und modifiziert werden. Das zeigt sich gerade auch – wenn in völlig anderer Dimension – auf der Weltbühne.

Da hat der Angriffskrieg, den Russland gegen die Ukraine begonnen hat, in Deutschland und Europa zum Umdenken in Sicherheitsfragen geführt: Was eben noch gar nicht ging, ist jetzt schon erledigt – bis hin zu Extra-Milliarden für Bundeswehraufrüstung.

Hier wie da, ob bei der Unterstützung der Ukraine oder Konsequenzen aus Amok- und Unfallfahrten, geht es letztlich um die Absicherung und Verteidigung von Menschenleben gegen über sie hereinbrechende Gewalt. Es sollte nicht zu viel geben, was einen dabei aufhält.

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