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Frank Henkel äußerte sich am Wahlabend nicht zu seiner persönlichen Zukunft.

© Hannibal Hanschke/REUTERS

Nach dem Wahldebakel für die CDU: Henkel tritt nicht zurück - nicht an diesem Abend

In der CDU setzen sie auf den geordneten Übergang in die Opposition – und der gescheiterte Spitzenkandidat soll das Verfahren leiten.

Jetzt bloß keine übereilten Rücktritte, bloß kein „Ich-übernehme-die-Verantwortung“. Das würde – so die Linie in der Berliner CDU-Führung – diese ohnehin gebeutelte, getroffene, müde Partei völlig durcheinanderbringen. Würde Frank Henkel jetzt die Verantwortung für die Niederlage der CDU übernehmen – seine Partei wäre „chaotisiert“, wie ein alter CDU-Vormann sagt. Nein, an diesem Abend, an dem die Berliner CDU-Fraktion rund ein Viertel der Mandate verloren hat, fordert niemand Frank Henkel zum Rücktritt auf.
Und keiner beschreibt die neue Linie der mutmaßlich größten Oppositionspartei in Berlin so diplomatisch wie Monika Grütters, Kulturstaatsministerin und Henkel-Stellvertreterin: Wenn an diesem Montag der Landesvorstand über die Folgen der Wahlniederlage spricht und Frank Henkels Performance im Wahlkampf, dann wolle man „mit ihm gemeinsam überlegen, wie es weitergeht“. Dabei sagt noch am Wahlabend im überhitzten CDU-Fraktionssaal des Abgeordnetenhauses einer über den Wahlkampf des Frontmannes: „Von Henkel begeistert war jetzt keiner. Da fehlt irgendwie was. Er zieht nicht mit.“

Es ist gekommen wie erwartet

Es ist gekommen wie erwartet: Die Berliner CDU hat schwer verloren, und die meisten in der Führung der Partei sehen die Hauptverantwortung dafür bei Henkel, der als Innensenator so viel in seinem Verantwortungsbereich anbrennen ließ. Und genauso sehen die meisten jetzt nicht den richtigen Zeitpunkt für die Trennung von Henkel.

Wie sagt Chefdiplomatin Grütters? „Zur Fairness gehört nicht nur die Momentaufnahme.“ Soll heißen: Henkel hat seine Verdienste um die Partei, er hat die CDU mit-regierungsbereit gemacht – das rechnen sie ihm noch immer hoch an. Also will man jetzt Henkel die Möglichkeit lassen, für sich das Amt des Vizepräsidenten des Abgeordnetenhauses zu beanspruchen – oder, wenn ihm daran liegt, die Kandidatur für die Bundestagswahl 2017. Man erwartet dafür, dass er mit seiner innerparteilichen Restmacht den bald bevorstehenden Prozess der Listenaufstellung moderiert – eine Angelegenheit, die massives Personalquerelenpotenzial birgt und für jede Menge innerparteilicher Aversionen taugt. Das sind schon zwei ganz pragmatische Gründe dafür, dass zumindest am Wahlabend niemand Henkels Rücktritt gefordert hat – auch keiner von denen, die nun, zum Beispiel in den Staatssekretärsbüros der Innenverwaltung, ihre Schreibtische ausräumen müssen. Der dritte Grund ist noch banaler: Wer sollte jetzt, in dieser Situation, die 18-Prozent-Partei „Hauptstadt-Union“ übernehmen wollen, die mit großer Wahrscheinlich in den kommenden Jahren wieder Opposition macht?

Das Ergebnis muss weichgeredet werden

So sind sich in der Führung alle einig, dass der mäßig überzeugende Wahlkampf und das traurig-erbärmliche Ergebnis weichgeredet werden müssen. „Alle mussten abgeben“, bilanziert Eberhard Diepgen, der die Berliner CDU in Zeiten führte, als sie für 40-Prozent-Ergebnisse gut war. Henkel selbst, der mit seiner Partnerin an der Hand und in Begleitung seiner Senatskollegen um 18.24 Uhr mit unbewegtem Gesicht den Saal betrat und das Podium bestieg, verallgemeinerte die Niederlage in die Bemerkung, dieser Sonntag sei „kein guter Tag für die Volksparteien“. Verantwortung? Das Ergebnis sei „absolut unbefriedigend“, denn „wir haben eine gute Bilanz“.
Der Bilanz zum Trotz hat am Sonntagabend ein neues Gegeneinander in der Berliner CDU begonnen. Auf der einen Seite sind die, die an einen geordneten Neuanfang mit dem kooperativen Moderator Henkel hoffen. Florian Graf, der Fraktionschef, der sich am Dienstag wieder zur Wahl stellen will, sieht „ein bitteres Ergebnis für beide Koalitionspartner“. Außerdem stellt Graf noch fest: „Wir lassen uns nicht diktieren, wer uns wohin zu führen hat!“

Aber da sind noch die Verägerten

Auf der anderen Seite gibt es die Verärgerten. Sie beschweren sich darüber, dass Henkel so viele Ratschläge und Anregungen nicht aufnahm, um als Senator etwas eifriger und kämpferischer zu wirken. Sie ahnen, dass das geordnete Verfahren, auf das sich die Berliner CDU-Führung verständigt hat, vermutlich relativ schnell in eine neue Unordnung führen wird. „Natürlich müssen wir mit dem ein oder anderen Enttäuschten rechnen“, heißt es. Was bedeutet, dass Henkels Devise „Ich mach’ erst mal weiter“ in den kommenden Tagen, wenn das ganze Ausmaß der Verluste sichtbar wird, nur noch schwer zu verteidigen sein wird. Nicht jeder frustrierte Bezirksverordnete oder Stadtrat denkt in seinem Groll und nach einem mühselig-unerfreulichen Wahlkampf parteisolidarisch an die Aufstellung der Bundestagskandidaten. In Zeiten wie diesen ist manchem das eigene Jackett näher als Henkels nächstes Amt. „Operation Pattex“ lautet das parteiinterne Spottwort für das „Erst-mal-weitermachen-mit-Henkel“. Das erste neue Gegeneinander zeichnet sich schon ab. In Steglitz-Zehlendorf will Karl-Georg Wellmann wieder für den Bundestag antreten. Thomas Heilmann denkt auch an eine Kandidatur.

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