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Die zur IGA gebaute Seilbahn könnte bald ein öffentliches Verkehrsmittel werden.

© Kitty Kleist-Heinrich

Nach dem Ende der Gartenausstellung: Die Seilbahn in Marzahn soll Teil des öffentlichen Nahverkehrs werden

Lange war die Zukunft der schwebenden IGA-Attraktion unklar. Nun gibt es Zukunftspläne – vielleicht reicht bald ein BVG-Ticket, um Seilbahn zu fahren.

Ein leiser Klick, sanftes Schaukeln, die Gondel schwebt los. Bis zu 35 Meter hoch gleitet das luftige Gefährt vom U-Bahnhof „Kienberg“ der U5 übers Wuhletal und die Zwischenstation „Wolkenhain“ zu den Gärten der Welt am Blumberger Damm in Marzahn. 1,5 Kilometer weit, 4,25 Minuten lang. Wer Glück hat, blickt spektakulär in die Tiefe, falls er eine der sechs Kabinen mit Glasboden erwischt.

Seit April 2017 pendeln die 64 Gondeln der zur Internationalen Gartenausstellung (IGA) in Marzahn gebauten Seilbahn zwischen den Stationen. Für den Bezirk Marzahn-Hellersdorf ist sie zum imagefördernden Markenzeichen geworden, den Gärten der Welt beschert sie als Highlight zusätzliche Besucher und inzwischen gibt es Überlegungen, inwieweit die Schwebebahn auch als Verkehrsmittel – vielleicht sogar mit BVG-Ticket – in den Öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) eingebunden und zugleich als Attraktion bewahrt werden kann. Zumal Berlin ja mehr Touristen in die Randbezirke locken will.

Seit dem Ende IGA wird deshalb diskutiert, ob – und wenn ja – wie man Berlins einziges alpines Zugstück auf Dauer erhalten kann. Am vergangenen Wochenende begrüßten nun zwei Vertreter von Marzahn-Hellersdorf im Abgeordnetenhaus, Stefan Ziller (Grüne) und Kristian Ronneburg (Linke), einen wichtigen Scherung des Weiterbetriebs“, so Ziller. Im jüngst beschlossenen Entwurf des Doppelhaushaltes für 2020/21 hat der Senat eine erste finanzielle Vorsorge getroffen. 1,053 Millionen Euro sind als „Voraussetzung für eine langfristige Perspektive“ der Schwebebahn für 2021 eingestellt.

Allerdings ist diese Summe nicht als Extraposten ausgewiesen. Sie wird, etwas versteckt, im Zuschuss für die Grün Berlin GmbH aufgeführt. Die landeseigene Gesellschaft bewirtschaftet große Grünanlagen wie die Gärten der Welt, das Tempelhofer Feld oder den Britzer Garten.

Auch die BVG war mal als Betreiber im Gespräch

Dass Berlins rot-rot-grüne Koalition mit der Seilbahn sympathisiert, war schon zuvor offenkundig. Ende Februar setzte sie ein allererstes Zeichen für den angestrebten langfristigen Weiterbetrieb: Der Senat nahm die Bahn in den Nahverkehrsplan 2019 bis 2023 auf. Das bedeutet: In den kommenden Jahren wird geprüft, inwieweit sie sich in das ÖPNV-Angebot des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB) einbinden lässt.

Aber wieso erhält nun die Grün Berlin GmbH einen Millionenzuschuss für das Marzahner Vorzeigeprojekt? Schließlich war auch mal die BVG als künftiger Betreiber im Gespräch. Und aktuell ist die Zuständigkeit ohnehin noch völlig anders geregelt: Ein Branchenriese unter den Lift- und Seilbahnbauern, die „Leitner Ropeways AG“ in Südtirol, kümmert sich seit dem Start der IGA um den Betrieb – laut Vertrag mit dem Land Berlin noch bis Ende 2020. Das Unternehmen hat die Anlage 2016 mit 14 Millionen Euro aus der eigenen Kasse für die Gartenschau errichtet. Leitner würde gerne eine Option zur Vertragsverlängerung wahrnehmen und bis 2031 per Konzesion weitermachen.

Derzeit ist also vieles in der Schwebe. Zuversichtlich sind aber viele Bezirkspolitiker aus Marzahn-Hellersdorf und Abgeordnete, dass man die Bahn als attraktive Nahverkehrsverbindung weiterentwickeln kann. Der grüne Abgeordnete Stefan Ziller gerät da ins Schwärmen. „Wer mit der U5 vom Alex bis zum Bahnhof Kienberg fährt, kann von dort entspannt zum Blumberger Damm schweben. In fünf Minuten, per Bus ist das komplizierter.“

Verkehr in der Luft as „emissionsarme ÖPNV-Alternative"

Rückenwind bekommt er vom Chef der „Leitner Seilbahn Berlin GmbH“, Michael Tanzer. Die Tochter des Südtiroler Unternehmens betreut das Berliner Projekt. „Wenn die Nutzung der Bahn mit einem BVG-Ticket möglich wäre, würde die Frequenz hochgehen“, sagte Tanzer schon im vergangenen Frühjahr. Sogar eine Verlängerung der Strecke regte er an, zumal Leitner Ropeways den „in die Luft verlagerten Verkehrsfluss“ weltweit als „emissionsarme ÖPNV-Alternative für umweltbewusste Städte“ anpreist. Bereits mehrere solcher Vorhaben hat die Firma nach eigenem Bekunden erfolgreich realisiert, beispielsweise in Mexiko-City und Ankara.

Eröffnen sich solche Aussichten nun auch für Marzahn? Oder lässt sich das Seilbahn-Glück dort nur als bezuschusste Attraktion für die Gärten der Welt erhalten? Dies hängt aus Expertensicht vor allem von den zu erwartenden Nutzerzahlen, künftigen Preisen und Betriebszeiten ab. Rund 3,5 Millionen Fahrten wurden während der IGA gezählt. Da habe es „sehr gut funktioniert“, sagt Tanzer. Zur Zeit registriert die Firma immerhin bis zu 18 000 Fahrten an einem Wochenende.

Aktuelle Preis wäre für öffentliches Verkehrsmittel zu teuer

Der aktuelle Preis von 4 Euro für die einfache Fahrt und 6,50 Euro für Hin- und Zurück wäre allerdings für ein öffentliches Verkehrsmittel zu teuer. Auch die Betriebszeiten, derzeit werktags 10-18 Uhr, am Wochenende 10-19 Uhr, müssten ausgeweitet werden, um Fahrgäste zu gewinnen. Alles offene Fragen. Darum kümmern soll sich nun die „AG Tarife“. Ihr gehören Verkehrsexperten der Koalitionsfraktionen, der Senatsverwaltung für Verkehr sowie von BVG und VBB an.

Letztlich wird es auf eine politische Entscheidung hinauslaufen und von den Verhandlungen mit potentiellen Betreibern abhängen , in welche Form das Land den Weiterbetrieb sichern und bezuschussen will. Erwogen wird auch eine eventuelle Partnerschaft der Grün Berlin GmbH oder BVG mit Leitner Ropeways. „Grün Berlin“ bekomme für 2021 aber nun erstmal die 1,053 Millionen Euro, sozusagen als Vorsorge für den Notfall, teil die Verkehrsverwaltung mit.

Falls „Leitner“ wider Erwarten 2020 aus dem Vertrag aussteigt, will man eine Hängepartie vermeiden. Der Seilbahnbetrieb sei dann im Haushalt gesichert. Und die BVG? Sie blickt skeptisch auf die Gondeln. „Wir sind nicht scharf drauf“, sagt ihre Sprecherin. Als landeseigener Betrieb sei man aber weisungsgebunden. „Wenn der Senat uns beauftragt und sagt, wer die Kosten trägt, dann machen wir das.“

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