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Wohnraum ist knapp und teuer in Berlin. Genossenschaften könnten Abhilfe schaffen.

© Christoph Soeder/dpa

Nach dem Aus für den Mietendeckel: Genossen, gründet Genossenschaften!

Der Mietendeckel ist dahin, die Mieter-Not bleibt. Zeit, eine altbewährte Alternative zu pushen, statt sich im Lamento zu ergehen. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Caroline Fetscher

Aus und vorbei. Unter dem Mietendeckel hatte der Topf gebrodelt, der Deckel ist abgeplatzt. Rechtlich klappt das nicht, so nicht. Andere Pläne tun not. Mit dem Privatisieren landeseigener Immobilienschätze hatten ausgerechnet rot-rote Regierungen über Jahrzehnte genuin tiefschwarze Politik gemacht. Den Deckel kriegten sie da nicht mehr drauf. Das Versilbern hat den Goldrausch auf dem Wohnungsmarkt mit ausgelöst: Spekulation, Gentrifizierung, explodierende Mieten. Was nun?

Ein zentrales Motto muss heißen: Genossen, schafft Genossenschaften! Kaum ein Modell ist bewährter, sozialer und dauerhafter. Enttäuscht, entsetzt hatten insbesondere Wohnungsgenossenschaften den Wandel auf dem Markt der Mieten verfolgt - mit dem politischen Blick auf Städte wie Wien, wo konsequent und erfolgreich kommunale wie genossenschaftliche Wohnbestände erhalten werden. Ein Bündnis junger Genossenschaften in Berlin fordert vom Senat, was sich als „Verwienerung“ von Berlin bezeichnen ließe.

Wer Anteile an Genossenschaften erwirbt, lebt günstig und angstfrei, besitzt vererbbares Wohnrecht auf Lebenszeit und verwaltet selber mit. Spekuliert werden kann mit den Anteilen nicht. Der Mietendeckel sollte das Missverhältnis zwischen Mieter und Vermieter abmildern. „Eben dieses Missverhältnis gibt es bei Genossenschaften nicht, da Mieter und Vermieter identisch sind“, betont Andreas Barz als Vertreter des Bündnisses.

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Darum haben Genossenschaften teils seit weit über 100 Jahren Bestand. Menschenwürdiger Massenwohnungsbau wurde Ende des 19. Jahrhunderts ein großes Thema. Arbeiter lebten in düsteren Mietskasernen, und der soziale Städtebau wollte fort von Blockrandbebauung, engen Schächten und Hinterhöfen. „Man kann einen Menschen mit einer Wohnung erschlagen wie mit einer Axt“, hatte der Zeichner Heinrich Zille gesagt, als er das Berliner „Milljöh“ portraitierte.

Heute könnte es heißen: Man kann einen Menschen mit der Miete erschlagen

Dagegen entstanden die aufgelockerten Siedlungen der 1920er Jahre, heller, grüner, gemeinschaftlicher, so wie die leuchtenden Anlagen der Berliner Moderne. Sechs von ihnen sind Unesco-Weltkulturerbe. Zwei sind weiterhin Eigentum von Genossenschaften. 2016 wurde die Genossenschaftsidee selbst zum Immateriellen Weltkulturerbe ernannt.

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Heute könnte es in vielen Metropolen heißen: „Man kann einen Menschen mit der Miete einer Wohnung erschlagen wie mit einer Axt.“ Damit Menschen einen Schlafplatz haben, müssen sie andere Menschen bezahlen, auf deren Boden das Bett steht. In Berlin geben jene 80 Prozent der Bevölkerung ohne Wohneigentum heute rund ein Drittel ihres Einkommens für Mieten aus. Leute mit Wohneigentum kassieren gut 16 Milliarden Mieten im Jahr. 1975 machten Mieten 13 Prozent des Nettoverdienstes aus.

Das Bündnis der jungen Genossenschaften fordert Machbares: Mehr Konzeptverfahren für größere Grundstücke. Spekulationsfreie, privatwirtschaftliche Nutzergemeinschaften wollen hier nicht länger mit der „Resterampe“ abgespeist werden. Sie wollen mehr Förderdarlehen und Tilgungszuschüsse, bessere, beschleunigte Verfahren und Baukindergeld auch für ihre Projekte. Bürgerbeteiligung, allenthalben verlangt, bekäme gerade mit mehr Genossenschaften im Wortsinn mehr Boden. Kurz: Von der zu Unrecht misstrauischen Berliner Politik, die unverantwortlich gehandelt hat, verlangen engagierte Berliner Bürger, die verantwortlich handeln, zu Recht das Vertrauen, das sie verdienen.

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