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Die Johanna-Eck-Schule war 2010 aus der Fusion von Werner-Stephan-Hauptschule und Dag-Hammarsjköld-Realschule hervorgegangen.

© Susanne Vieth-Entus

Update

Nach Abberufung der Schulleiterin: Protest an der Johanna-Eck-Schule geplant

Eltern und Lehrer der Johanna-Eck-Schule in Tempelhof wollen die Abberufung ihrer Leiterin nicht hinnehmen. Schüler wurden um Unterschriften gebeten.

Der durch Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) herbeigeführte Wechsel an der Spitze der Tempelhofer Johanna-Eck-Schule hat zu massiven Unmutsäußerungen im Kollegium und Teilen der Elternschaft geführt. Dem Vernehmen nach sind Proteste geplant. Auch über die sozialen Netzwerke im Internet meldeten sich Lehrer, Eltern und weitere Unterstützer zu Wort, die Scheeres aufforderten, Schulleiterin Mengü Özhan-Erhardt zurück an die Schule zu holen. Allerdings waren etliche Solidaritätsbekundungen begleitet von kruden Unterstellungen und Entgleisungen.

„Es wurde geschrieen und geweint“, berichtet eine Lehrkraft aus einer Dienstbesprechung, die für Donnerstagmittag anberaumt worden war und bei der zwei Schulaufsichtsbeamte dem Kollegium mitteilten, dass sie ihre Schulleiterin verlieren. „Ich hasse sie“, soll eine der Lehrerinnen dem verdutzten Beamten entgegengeschleudert haben

Die Lehrer hatten von der Personalie erfahren, bevor Scheeres sie im Bildungsausschuss des Abgeordnetenhauses mitteilte. Die Senatorin hatte im Ausschuss gesagt, dass – nach den vorangegangenen massenhaften Abgängen von Lehrern – der Rückzug des freien Trägers für Sozialarbeit KIDS e.V. der Anlass für die „Veränderung“ an der Spitze der Schule sei.

Diese Wortwahl wurde auch am Freitag nicht konkretisiert: Der Verwaltung sind enge Grenzen gesetzt, wenn es um die Kommunikation von „Personaleinzelangelegenheiten“ geht. Kommissarisch führt jetzt Özhan-Erhardts Stellvertreter die Geschäfte. Wann und durch wen er Verstärkung bekommt, wurde am Freitag nicht kommuniziert, soll aber laut Schulbehörde „zeitnah“ mitgeteilt werden.

Die Schüler wurden um Unterschriften gebeten

Ein Schüler berichtete am Sonnabend, dass die neu gewählte Gesamtelternvertreterin am Freitag eine Zusammenkunft der Schüler genutzt habe, um Unterschriften für die Rückkehr der Schulleiterin zu sammeln. Die Unterschriften sollen wohl eingesetzt werden, um den geplanten Protest der Lehrer zu unterstützen, vermutete die Mutter des Jungen.

Nachdem das alte Kollegium die Schule mit Hinweis auf den Führungsstil der Schulleiterin oder wegen Zwangsversetzungen durch die Schulbehörde großteils verlassen hat, besteht die jetzige Lehrerschaft überwiegend aus Pädagogen, die von Özhan-Erhardt selbst ausgewählt wurden. Daher wird damit gerechnet, dass diese Lehrer nahezu komplett am Protest für ihre Rückkehr teilnehmen werden.

Aber auch aus der Elternschaft kommt mehr Unterstützung als früher. Noch bevor der Wechsel in der Schulleitung publik wurde, hatte sich die neu gewählte stellvertretende Vorsitzende des Gesamtelternvertretung an den Tagesspiegel gewandt, um mitzuteilen, dass sie als Mutter von vier Kindern „noch nie eine so innovative, engagierte und kluge Schulleiterin getroffen“ habe. Özhan-Erhardt und das gesamte Kollegium hätten sich „so ins Zeug gelegt“, dass sich in den ersten zwei Wochen des jetzigen Schuljahres spürbar vieles zum Positiven geändert habe.

Krude Thesen und widerlegte Beschuldigungen

Leider sei „durch den Mist, den die AfD veröffentlicht hat“ wieder Unruhe in die Schule gebracht worden: Die AfD Sachsen hatte per Facebook versucht, im aktuellen Wahlkampf die Beschwerden von Eltern der Johanna-Eck-Schule zu instrumentalisieren, die an fehlenden Deutschkenntnissen einzelner Lehrer Anstoß genommen hatten. Daraufhin bat die stellvertretende GEV-Vorsitzende die Schulverwaltung, Özhan-Erhardt „noch mehr“ zu unterstützen.

Nach dem Bekanntwerden des Wechsels an der Spitze der Schule verbreitete eine andere Elternvertreterin in einer Facebook-Gruppe die krude These, die AFD Sachsen habe „so großen Druck auf Bildungssenatorin Scheeres gemacht, daß ,unsere' Direktorin erstmal beurlaubt wurde“. Zudem schrieb sie mit Bezug auf das alte Kollegium, es habe dort gegen Özhan-Erhardt „Morddrohungen der Lehrerschaft“ und „einen korrupten Sumpf“ gegeben.

Das Stichwort „Morddrohungen“ ist in der öffentlichen Debatte neu und so abstrus, dass es allgemein Kopfschütteln erntet. Eine Bitte um Kontaktaufnahme zur Erläuterung ihrer Thesen lehnte sie ab. Dabei gäbe es auch sonst zu Nachfragen einigen Anlass. So taucht das Stichwort „korrupt“ zweimal in ihrem Post auf, obwohl eine Untersuchung der Behörde ergeben hatte, dass sich niemand bereichert habe.

„Offenbar gibt es Leute, die diese falschen Behauptungen immer und immer wieder an die neuen Eltern weitergeben, um Stimmung für Özhan-Erhardt zu machen“, schlussfolgert ein Elternteil, das die Schule inzwischen verlassen hat. Auch andere Eltern berichten über „Manipulationen“, die ihr Ziel erreicht hätten, die Eltern auf die Seite der Leiterin zu ziehen.

Die ehemalige Elternvorsitzende hat der Schule den Rücken gekehrt

„Frau Özhan-Erhardt weiß, wie man etwas kommuniziert, damit man in ihre Richtung denkt“, hat auch Christine Pehrs, die letzte GEV-Vorsitzende, festgestellt. Ein Jahr lang hat sie in dieser Funktion beobachtet, wie die Leiterin agiert, und wie die erfahrenen Lehrer einer nach dem anderen weggingen, bis sie im Sommer beschloss, ihren Sohn von der Schule zu nehmen – obwohl seine beiden älteren Geschwister dort nach der zehnten Klasse ihren Abschluss gemacht hatten.

Inzwischen hört Pehrs von den ehemaligen Mitschülern, was aus den einst hoch gelobten Projekten wie den Guardian Angels geworden ist: Sie verschwinden, als hätte es sie nie gegeben, wie ein Blick auf die Homepage der Schule bestätigt.

Gähnende Leere. Auf vielen Seiten der Johanna-Eck-Homepage steht nur: "Der Inhalt wird aktualisiert".
Gähnende Leere. Auf vielen Seiten der Johanna-Eck-Homepage steht nur: "Der Inhalt wird aktualisiert".

© Susanne Vieth-Entus

In der Anfangszeit als GEV-Vorsitzende, so berichtet Pehrs, sei sie von der Schule auf alle Gremientermine hingewiesen worden. Das habe dann abgenommen, als sie angefangen habe, Kritik zu äußern. Es sei dann auch immer schwieriger geworden, einen Termin bei der Schulleiterin zu bekommen. Pehrs hat zudem beobachtet, dass „Frau Özhan-Erhardt mit der Rassismus-Keule kommt“, wenn sie mit bestimmten Themen nicht durchdringe.

„Wenn Frau Özhan-Erhardt nicht weiter weiß, schlüpft sie in die Opferrolle“, berichtet auch Reiner Haag, ein Lehrer, der viele Jahre mit ihr zusammenarbeitete. Wie berichtet, verlängerte sie seinen Honorarvertrag mit Hinweis auf seine Kontakte zum Tagesspiegel nicht. Das habe mit Özhan-Erhardts „Freund-Feind-Denken“zu tun, erläutern Kollegen Haags.

Neben der „Opferrolle“ gehörten „Versprechungen“ zur Strategie der Schulleiterin, berichtet die Mutter einer Achtklässlerin: „Frau Özhan-Erhardt verspricht den neuen Lehrern den Himmel auf Erden und begeistert viele Eltern, weil sie wie ein Wirbelwind auftritt“, berichtet die Mutter. Mit dieser Methode habe Özhan-Erhardt zunächst auch Erfolg. „Wer aber nicht nach ihrer Pfeife tanzt, ist raus“, lautet ihre Erfahrung. Ähnliches hatten auch Elternvertreter im Vorjahr geäußert, die nach kritischen Fragen zu den massenhaften Lehrerabwanderungen „in Ungnade gefallen waren“, wie sie es ausdrückten. Auch Lehrer hatten berichtet, dass das „Freund-Feind-Denken“ der Schulleiterin eine offene Auseinandersetzung unmöglich gemacht habe.

Ein folgenschwerer Rückzug der Sozialarbeiter

All dies hatten nicht nur zahllose Lehrer, sondern auch Elternvertreter immer wieder bei der Schulaufsicht vorgetragen – ohne Erfolg: Özhan-Erhardt blieb immer weiter im Amt. Zu Antworten auf Pressenachfragen war sie nicht bereit. Stets verwies sie auf die Schulbehörde, die sich fast ein Jahr lang immer und immer wieder schützend vor Özhan-Erhardt stellte.

Hinter den Kulissen soll sich zuletzt allerdings einiges getan haben, indem die Schulbehörde den Klagen weiter nachging, da sich die Beschwerden über die angeblich fehlende Schulleiterkompetenz Özhan-Erhardts immer mehr häuften. Der Rückzugs der Sozialarbeiter von KIDS e.V. wegen „unterschiedlicher Interessen“ sei dann nur noch der letzte Anlass für die Abberufung gewesen, vermuten Beobachter, was Scheeres Darstellung im Ausschuss entspricht.

Wie berichtet, machte der Rückzug des freien Trägers, der einen sehr guten Ruf hat, einigen Eindruck auf die politischen Akteure. Die Geschäftsführerin ist Mitglied im Jugendhilfeausschuss von Tempelhof-Schöneberg und genießt großes Vertrauen in den Gremien. Seit 13 Jahren bemühten sich die KIDS-Sozialarbeiter um die Schüler.

Aber selbst dieses Alarmsignal wird von Özhan-Erhardts Befürwortern vom Tisch gewischt: „Der Vertrag ist ausgelaufen und wurde nicht verlängert. Das ist an Schulen üblich“, postete besagte Achtklässler- Elternvertreterin ungerührt auf Facebook.

Die AfD wird ins Spiel gebracht

Die Behauptung, dass nicht der Weggang des freien Trägers, sondern "die AfD" den Anlass für die Personalentscheidung der Senatorin geliefert habe, wird im Nachrichtendienst Twitter inzwischen selbst von einzelnen Lehrern und Angehörigen der Schule und mindestens einem SPD-Verordneten verbreitet.

Was in diesem Zusammenhang ebenfalls immer wieder erwähnt wird, sind die Auseinandersetzungen rund um den Einsatz der ehemaligen Antidiskriminierungsbeauftragten an der Schule: Sie sollte vor etwa zwei Jahren den angeblichen rassistischen Äußerungen aus dem früheren Kollegium gegen die türkischstämmige Özhan-Erhardt nachgehen und behauptete dann, auch selbst Opfer von rassistischen Äußerungen geworden zu sein, was die Lehrer bestritten. Der Tagesspiegel hatte mehrfach über den Fall berichtet.

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