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Ihre Bühne. Ohne Brigitte Grothum geht nichts im Berliner Dom. Die Jedermann-Festspiele sind ihr Werk. Hugo von Hofmannsthals Mysterienspiel führte sie erst in der Kirche am Südstern, dann in der Gedächtniskirche und seit 1993 am Lustgarten auf. Zur 28. Ausgabe hat Grothum ihre „Liebsten“, wie sie sagt, versammelt.

© XAMAX

Nach 28 Jahren: Ein Abschied für Jedermann

Seit 1987 führt Brigitte Grothum die Festspiele im Berliner Dom auf. Im Oktober ist Schluss – auch wegen des Geldes. Mit 79 Jahren, sagt Grothum, will sie nicht mehr betteln gehen.

Ein wenig bricht Brigitte Grothum dann doch die Stimme. Bei dem, was sie hier und heute verkünden will, ist das wohl verständlich. Zum letzten Mal starten am 16. Oktober die Jedermann-Festpiele, zehn Tage später ist Schluss. Endgültig. Nach 28 Jahren enden die Jedermann-Festspiele, eine Berliner Institution – einen Nachfolger für Grothum werde es nicht geben, heißt es. „Wie ein drittes Kind“ seien die jährlichen Aufführungen für sie gewesen, sagt die Schauspielerin, Regisseurin und Produzentin der Festspiele. „Wenn ich daran denke, dass am 26. Oktober die letzte Vorstellung ist, dann heul ich schon jetzt.“ Das Alter – 79 Jahre – habe sie zu dieser Entscheidung bewegt. Ebenso wie „Sorgen um das liebe Geld“, vor denen auch das „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ nicht gefeit war. Schließlich sei sie für die Produktionskosten von rund einer halben Million Euro von Anfang an auf Sponsoren angewiesen gewesen, sagt Grothum. Subventionen gibt es keine.

Bisher eine halbe Million Zuschauer

Doch erst einmal wird noch nicht getrauert, schließlich gilt es, weitere 17 Aufführungen erfolgreich auf die Bühne im Berliner Dom am Lustgarten zu bringen. Und dieser Aufgabe widmet sich Grothum jetzt noch einmal mit aller Hingabe und allem verdienten Stolz. 500 000 Zuschauer haben die Berliner Jedermann-Inszenierungen bislang gesehen, die am 16. Oktober in die letzte Runde gehen. Dafür, sagt Grothum bei der Vorstellung des diesjährigen Ensembles, habe sie noch einmal alles daran gesetzt, „alle meine Lieblinge um mich zu scharen.“ Und auch das Publikum bekommt seine Lieblinge noch einmal zu sehen.

Den Jedermann wird, wie schon von 2002 bis 2005, Georg Preuße geben. Die Buhlschaft verkörpert zum dritten Mal „unsere wunderbare Barbara Wussow“, wie Brigitte Grothum sagt. Daneben sind Ensemble-Mitglieder, die Grothum schon seit etlichen Jahren die Treue halten – so etwa Peter Sattmann, der seit 1998 mal in der Rolle des Teufels, mal in der des Todes zu sehen war und im letzten Jahr wieder den Teufel mimen wird. Den Tod gibt Achim Wolff. Ilja Richter und Ursula Karusseit stehen wieder als Mammon und als Jedermanns Mutter auf der Bühne. Brigitte Grothum selbst übernimmt neben Produktion und Regie wieder die Rolle des Glaubens – und damit Jahr für Jahr auch die letzten Worte der Inszenierung.

Das Risiko war zu hoch

„Als Regisseurin und Schauspielerin kann man mich immer umbesetzen“, sagt sie. Doch wäre sie als Produzentin entfallen – woher hätten die Schauspieler dann ihr Geld bekommen? Klar sei die Aussicht auf ein 30. Jubiläum der Festspiele verlockend gewesen. Doch das Risiko sei angesichts ihres Alters zu groß geworden. In den vergangenen eineinhalb Jahren ist deshalb der Entschluss zum Aufhören gereift. Ihr sei klar gewesen: „Wenn wir es nicht anders finanziert bekommen als durch Betteln, dann müssen wir aufhören.“

1911 fand in Berlin die Uraufführung des Mysterienspiels von Hugo von Hofmannsthal statt: im Zirkus Schumann in Mitte, unter der Regie von Max Reinhardt. Seit 1920 wird es jährlich im Rahmen der Salzburger Festspiele aufgeführt. 1987 holte Brigitte Grothum den „Jedermann“ dann nach Berlin zurück – zunächst in die Kreuzberger Kirche am Südstern, anlässlich der 750-Jahr-Feier von Berlin. „Damals hat sich keiner von uns träumen lassen, dass wir 28 Jahre lang Berliner Institution sein werden“, sagt Grothum. 1988 wechselte der Standort in die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, bis die Jedermann-Festspiele 1993 in den Berliner Dom umzogen, wo sie dieses Jahr zum 20. Mal aufgeführt werden. Jahr für Jahr gewann Grothum eine prominente, und häufig auch ungewöhnliche Besetzung: Die Rolle des Jedermann füllten unter anderen René Kollo, Winfried Glatzeder und Francis Fulton-Smith – die Buhlschaft verkörperten so unterschiedliche Darstellerinnen wie Iris Berben, Ingrid Steeger, Jenny Elvers-Elbertzhagen, Katarina Witt und Barbara Becker.

Das für sie persönlich berührendste Erlebnis habe sie im Juli 1989 gehabt, erzählt Grothum. Es kam zu einem denkwürdigen Gastspiel in der Marienkirche am Alexanderplatz – wenige Monate vor dem Fall der Mauer. „Das Publikum hat unten gestanden und geweint und wir haben oben gestanden und geweint.“ Zuletzt regnete es Rosen auf die Bühne, die aus den Zuschauerreihen kamen. „Es gab Sprechchöre: Wiederkommen, wiederkommen!“, sagt Grothum. Die Umbruchstimmung habe man damals schon gespürt.

Und nach dem 26. Oktober? „Erst einmal werde ich sicherlich froh sein, nicht mehr betteln gehen zu müssen“, sagt Grothum. Jetzt könne sie sich ganz auf ihr jeweiliges Engagement konzentrieren. Bis Herbst 2016 ist sie ausgebucht. Sie habe schon versucht, einen Nachfolger für die Festspiele zu finden, es sei aber „keiner so blöde, sich darum zu bewerben“, sagt Grothum. Wie im Stück behält sie also auch hier das letzte Wort.

Die 28. und letzten Berliner Jedermann-Festspiele finden von 16. bis 26. Oktober im Berliner Dom statt, Am Lustgarten, Mitte. Aufführungen gibt es täglich um 20 Uhr sowie Freitag, Sonnabend und Sonntag auch um 15 Uhr. Die Karten kosten zwischen 14 und 60 Euro. Mehr Infos unter: www.jedermann-festspiele.de

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