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Auf der Bühne geht es um den Fotografen Cameron, der als Dank für die Wiederbegegnung mit seiner Muse künftig jede Sekunde seines Lebens wertschätzen will. Umtanzt vom Friedrichstadt-Ensemble verliert er sich in Kreativität.

© Tobias Schwarz / AFP

Nach 17 Monaten Schließzeit: Berliner Friedrichstadtpalast feiert wieder Premiere

Mit „Arise“ präsentiert der Friedrichstadtpalast eine neue Show. Sie handelt vom Verlust einer Muse und der zeitlosen Stärke von Bildern.

Einen Moment kommt es einem so vor, als schwebe über der Bühne im Friedrichstadtpalast ein großes „ENDLICH“ in Regenbogenfarben. Nach 17 Monaten Schließzeit hebt sich der Vorhang am 22. September wieder für eine Premiere. Mehr als 100 Künstler aus 26 Nationen tanzen dann in „Arise – Liebe ist stärker als die Zeit“ über die Bühne. „Arise“, „Steh auf“, das passt zur Stimmung nach den großen Herausforderungen der Pandemie. Tatsächlich war das Stück aber schon 2019 fertig, bevor Corona alles stilllegte.

Oliver Hoppmann, Kreativdirektor des Hauses und Regisseur der Produktion, erinnert sich im Rahmen einer Vorab-Medienaufführung am Mittwoch, wie er gemeinsam mit dem Briten William Baker bei einem Spaziergang rund um die Museumsinsel die Idee entwickelte. Wie sie sich über die wertvollen Momente des Lebens unterhalten haben, über die Frage: „Was wollen wir hinterlassen?“

Heraus kam eine Geschichte, zu der extravagante Farben wie auch surreale Elemente gut passen. Und eine freundliche Botschaft, die nach einer schweren Zeit auf umso aufnahmebereitere Gemüter treffen dürfte.

Es geht um die Geschichte des Fotografen Cameron, gespielt von Frank Winkels, der mit seiner geliebten Muse um die Welt fliegt, bis er sie verliert und damit seine Ideen. Bei einer großen opulent glamourös inszenierten Party im Stil von „Great Gatsby“ kommt er mit der Zeit ins Gespräch, die hier personifiziert als eigener Charakter auftritt.

Der Deal, der folgt, ist ein bisschen wie ein ins Positive gewendetes Faust-Motiv. Um die Geliebte noch einmal wiederzusehen und bis zum Morgengrauen bei ihr sein zu können, verspricht Cameron der Zeit, die Oliver Erie St. James verkörpert, für den Rest seines Lebens, streng nach dem „Carpe-Diem-Prinzip“ zu leben, jede Stunde wirklich wertzuschätzen. Auch das Licht, gespielt von Tertia Botha, wird als Spielfigur eingeführt.

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Als Berater war der Fotograf Kristian Schuller an Bord. Der Österreicher Tom Neuwirth, seit dem Eurovision Song Contest 2014 auch bekannt als Conchita Wurst, schrieb zwei vom Elektro-Pop inspirierte Songs für die Show.

Der Deal mit der Zeit lohnt sich für Cameron. Die Begegnung mit der Muse entfacht in ihm ein neues Feuerwerk der Kreativität. Das gibt Regisseur Oliver Hoppmann Gelegenheit alles herauszuholen, was die magischen Boxen im Palast zu bieten haben: Leuchtende Farben inszenieren ein Aquarium, in dem die Fische von Tänzern getragen werden. In einem imaginären Korallenriff erkennt der Fotograf, dass seine Bilder stärker sind als die Zeit, dass sie für die Ewigkeit gemacht sind.

Vielschichtiges Stück

Obwohl sie schon vorher fertig war, ist die Show durch Corona noch leichter nachvollziehbar geworden. Regisseur Oliver Hoppmann überzeugt: „Jeder weiß jetzt, wie es ist, die Muse zu verlieren.“

Ein Happy End beginnt mit dem Glauben daran, dass am Ende das Licht über die Dunkelheit siegt, lautet eine der Botschaften des vielschichtigen Stücks. „Wir sind nicht so leicht wie sonst“, bestätigt Intendant Berndt Schmidt. Es ist ihm nicht leichtgefallen, die vorangegangene Show „Vivid“, die auf dem Weg war, die erfolgreichste Show aller Zeiten zu werden, aus dem Programm zu nehmen. Aber abgesehen von laufenden Verträgen, von Zeitplanungen, die Corona alle durcheinander gebracht hat, kam es ihm auch darauf an, den Berlinern und Brandenburgern eine Show zu bieten, die sie noch nicht kennen.

Emotionaler denn je

Bis die Touristen in voller Zahl zurückkommen, die sonst unter den Zuschauern beträchtlich ins Gewicht fallen, wird es noch eine Weile dauern. Zweisprachig ist die Inszenierung trotzdem. Der Text spielt freilich nur eine Nebenrolle, da Revueshows auf einer bildlichen Erzählweise basieren. Berndt Schmidt kann sich nicht erinnern, schon mal so eine emotionale Show auf die Bühne gebracht zu haben. Stammbesucher können sich freuen, dass nach achtjähriger Pause das Wasserbecken des Friedrichstadtpalastes einmal wieder zum Einsatz kommt.

Entschärfte Finsternis

Das Spiel von Licht und Schatten, die Geschichte zwischen Höhen und Tiefen bekommt hier eine neue Dimension. Die ist aber nicht Corona geschuldet. „Die Geschichte war ja vorher schon fertig“, sagt Schmidt. „Im Gegenteil, die finstersten Stellen haben wir sogar noch entschärft.“ Schließlich seien während der Pandemie ja alle durch dunkle Zeiten gegangen.

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Rund elf Millionen Euro hat die Produktion gekostet, etwas weniger als die vorangegangenen, was auch daran lag, dass während der lange Spielpause Zeit war, manches selbst zu machen, was man sonst bei Fremdunternehmen in Auftrag gibt. Berndt Schmidt dürfte den großen Zuschauersaal ganz füllen, kann es aber noch nicht wegen personeller Engpässe. Belegt werden nur etwa zwei Drittel der vorhandenen 1900 Plätze.

Das liegt daran, dass es keine personellen Kapazitäten gibt, die 3G-Nachweise (geimpft, getestet oder genesen) schnell genug zu kontrollieren. Viele Studierende, die sonst für solche Jobs zur Verfügung stünden, sind noch nicht zurück in der Stadt. Personell, sagt Schmidt, sei alles leergefegt. Mindestens zwölf Monate soll „Arise“ ab dem 22. September laufen. Tickets gibt es ab 19,80 Euro unter www.palast.berlin.

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