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In der Berliner Fussilet-Moschee verkehrte auch der Attentäter Anis Amri.

© dpa/Paul Zinken

Mutmaßlicher IS-Unterstützer vor Gericht in Berlin: Prozess gegen Yusup B. lenkt Blick auf eine Brutstätte des Terrors

Der Tschetschene Yusup B. soll dem IS als Logistiker gedient haben. Der nun beginnende Prozess gegen ihn rückt auch die Berliner Fussilet-Moschee in den Fokus.

Von Frank Jansen

Der Tschetschene ist offenbar ein umtriebiger Mann, er kennt vermutlich eine Reihe Berliner Sympathisanten der Terrormiliz „Islamischer Staat“, und er soll für die Dschihadistentruppe als Logistiker tätig gewesen sein. Yusup B. habe 7770 Euro an einen Mittelsmann des IS in Istanbul überwiesen, sagen Sicherheitskreise, er habe Salafisten bei dem Versuch geholfen, von Berlin ins syrisch-irakische Kriegsgebiet zu reisen, er habe Geld sowie 18 Tarnfleck-Shirts vorrätig gehalten – und sich bereits 2012 eine Anleitung zum Bau einer Bombe beschafft.

Aber das ist nur ein Teil der Geschichte zu dem Mann, der sich von diesem Dienstag an vor dem Kammergericht wegen des Vorwurfs der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland verantworten muss.

Der Fall Yusup B. zeigt nach Recherchen des Tagesspiegels, dass die Terrorszene um den Attentäter Anis Amri noch größer war als bislang bekannt. Der heute 30 Jahre alte Yusup B., der im August in Amsterdam am Flughafen Schiphol festgenommen und nach Deutschland überstellt wurde, hatte sich nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden gut vernetzt. Die mutmaßlichen Kontakte des russischen Staatsbürgers führen zu einem endlos erscheinenden Geflecht militanter Islamisten. Weit über Berlin und Deutschland hinaus.

Berlin hat allerdings eine besondere Bedeutung. Hier war eine Brutstätte des Terrormilieus: der 2010 gegründete Moscheeverein „Fussilet 33“. Die Gebetsräume befanden sich zunächst in der Schönwalder Straße 11 in Wedding, dann in der Perleberger Straße 14 in Moabit. In der Moschee verkehrte Amri, zuletzt am 19. Dezember 2016, eine Stunde vor dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz. Im Februar 2017 verbot Innensenator Andreas Geisel (SPD) den Fussilet-Verein. In der Verfügung wird der „Kreis aus türkisch-, bulgarisch- und kaukasischstämmigen Personen“ genannt, der die Kerngruppe der Moschee bildete. Mit dabei: Yusup B.

Denkbar, dass er Amri kannte

Sicherheitskreise halten es zumindest für denkbar, dass der Tschetschene in der Moschee auf Amri traf. Und dass Yusup B. einen Terrorverdächtigen mit Verbindung zur Fussilet-Moschee kannte, den die Bundesanwaltschaft im Februar 2019 angeklagt hat: Magomed-Ali C. Der Russe soll mit Amri und dem Franzosen Clément B. im Oktober 2016 einen Anschlag auf das Gesundbrunnnen-Center geplant haben. Mit hochexplosivem TATP. Zugleich sollten Anschläge in Paris und Brüssel verübt werden.

Die Berliner Polizei vereitelte den Plan, ohne ihn zu kennen. Am 26. Oktober 2016 klingelten drei Beamte an der Wohnung des observierten Magomed-Ali C. im Pölnitzweg 115 in Buch. Die Beamten wollten wissen, wer das Haus zuvor betreten hatte. Magomed-Ali C. ließ die Polizisten nicht in seine Einzimmerwohnung und verhinderte, dass Clément B. identifiziert wurde. Doch der Franzose war geschockt, floh über den Balkon und setzte sich nach Frankreich ab. Dort versuchte er mit einem anderen Kumpan, einen Anschlag vorzubereiten. Die Polizei nahm Clément B. jedoch im April 2017 in Marseille fest und stellte Schusswaffen sicher. Sowie drei Kilogramm TATP.

Clément B. tauchte unter

Clément B. hat eine ganz spezielle Erinnerung an die Fussilet-Moschee. Von Dezember 2015 bis Februar 2016 habe er sich in den Räumlichkeiten in Moabit versteckt gehalten, sagen Sicherheitsexperten. Den Unterschlupf soll ihm Magomed-Ali C. verschafft haben. Clément B. hatte offenbar Angst, weil ihn die Bundespolizei im Dezember 2015 in Dresden kontrolliert und wegen Terrorverdachts einem Sprengstofftest unterzogen hatte. Der fiel negativ aus. Doch Clément B. hielt es für ratsam, unterzutauchen.

Ein möglicher Grund: Clément B. soll in Verbindung zur Zelle des IS im belgischen Verviers gestanden haben. Im Januar 2015 stürmte die Polizei die Unterkunft der Terroristen, zwei wurden erschossen. Die Beamten fanden Sprengstoff, Waffen, Munition und Polizeiuniformen – Material für einen Anschlag.

Den Anführer der Terrorzelle, der Belgier Abdelhamid Abaaoud, erwischte die Polizei allerdings nicht. Er setzte die Planungen für Anschläge in Frankreich fort. Der schlimmste war der verheerende Angriff vom 13. November 2015 in Paris. Ein IS-Kommando mit Sprengstoffwesten und Sturmgewehren tötete 130 Menschen. Clément B. gab 2018 in französischer Haft in einem belauschten Gespräch mit seinem Vater zu, er habe Abaaoud „ein bisschen“ gekannt.#

Zahlreiche Verurteilungen für Mitglieder der Fussilet-Moschee

Es gibt noch mehr Stoff zur Fussilet-Moschee. Im Juni 2016 verurteilt das Kammergericht den Russen Gadzhimurad K., einst Imam der salafistischen Betstätte, wegen Werbung für den IS zu zweieinhalb Jahren Haft. Im Juli 2017 sind Ismet D., Ex-Chef des Moscheevereins, und Emin F., Ex-Mitglied im Fussilet-„Weisenrat“, an der Reihe. Sie bekommen je sechs Jahre Haft wegen Unterstützung der IS-nahen Terrorgruppe Junud al Sham.

Im März 2019 verurteilt das Kammergericht die einstigen Fussilet-Besucher Soufiane A., Emrah C. und Resul K. zu mehrjährigen Strafen wegen Unterstützung des IS. Und nun steht Yusup B. vor den Richtern. Vielleicht fragen sie, ob seine verschwundene Familie, Erst- und Zweitfrau und vier Kinder, beim IS sind.

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