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Die spinnt doch! Das Mittelalterdorf Düppel setzt auf Authentizität.

© Thilo Rückeis

Museumsdorf Düppel: Auf ins Mittelalter

Im Zehlendorfer Museumsdorf geht man auf Zeitreise. Eine neue Dauerausstellung hilft dabei.

Immer im Kreis herum, wie bei einer uralten Kaffeemühle – stundenlang. Ein runder Mahlstein muss in seiner Form bewegt werden, und die einfachste Methode ist eben, ein exzentrisches Loch hinein zu hämmern, einen Stock hineinzustecken und mit Drehen zu beginnen. Schafft sogar ein Kind. Das heißt, mit sieben Jahren war die Kindheit im Mittelalter eigentlich schon zu Ende.

Audiostationen, an denen man Zeitzeugen lauschen kann, liegen im Museumswesen voll im Trend. Was aber tun, wenn die zu erzählende Geschichte Ende des 12. Jahrhunderts spielt, es somit keine Zeitzeugen gibt? Man erfindet sie, nimmt die Wissenschaft zu Hilfe, lässt die Fantasie walten – und ein Mädchen in Ich-Form vom harten Leben im Mittelalter berichten. Sechs fiktive Bewohner kommen in der neuen, am Mittwochabend eröffneten Dauerausstellung des Museumsdorfs Düppel zu Wort, darunter ein Schmied, der von seiner funkensprühenden, leider meist nur saisonal beanspruchten Arbeit berichtet, eine Frau, die dabei mit einer Handspindel aus Rohwolle oder Flachsfasern Garn herstellt, sich um den nahenden Winter sorgt, und eben das Mädchen, dessen Tätigkeit heute als Kinderarbeit gelten würde.

Die Zeiten wandeln sich eben, für die Kinder, aber auch fürs Museum. Als sich Mitte der siebziger Jahre der Verein zusammenfand, um das um 1170 gegründete Dorf zu rekonstruieren, stieß er beim Senat mit seiner Bitte um Hilfe erst auf Ablehnung. Derartige Ahnenforschung war mit dem Germanenkult der Nazis in Verruf geraten. Heute dagegen, genaugenommen seit 1995, ist die Stiftung Stadtmuseum Berlin Träger des Museumsdorfes Düppel – gelegen im gleichnamigen Zehlendorfer Ortsteil, dessen Name seit 1865 an die Erstürmung der Düppeler Schanzen im Deutsch-Dänischen Krieg ein Jahr zuvor erinnert. Und zur Eröffnung einer neuen Dauerausstellung kommt dann auch Kultursenator Klaus Lederer.

Menschen in grobgewebten Gewändern liefen ebenfalls herum, sie gehören zum besonders engagierten Kern des Förderkreises Museumsdorf Düppel e.V., rund 800 Mitglieder hat er. Man nimmt die Rekonstruktion der Vergangenheit eben sehr ernst, was wiederum den Archäologen hilft: Wissenschaftler können nur selten gut töpfern, umschrieb Kuratorin Julia Heeb das Verhältnis.

Eine Dauerausstellung hatte es in dem dafür genutzten Gebäude – halb Baracke, halb Container – schon vorher gegeben, sie entsprach längst nicht mehr museumspädagogischen Erfordernissen. Und die sind hier in besonderer Weise gefordert, sind es doch vor allem Familien mit Kindern bis ins Grundschulalter und Schulklassen, die das Museumsdorf besuchen. Knapp 47 000 Besucher waren es 2017, fünf Prozent mehr als im Jahr davor.

Jetzt können kleine wie große Mittelalter-Reisende an einem handlichen Modell den Bau eines historischen Hauses ausprobieren. Sie werden anhand der Reste eines hölzernen Brunnen über die Methode der Dendrochronologie belehrt, die über die Wachstumsringe des Holzes auf dessen Alter schließen lässt. Einige ausgewählte Fundstücke aus Düppel – slawischer Schmuck, deutsches Töpfergut, Reste eines Mahlsteins, Steigbügel und Reitersporn und mehr – geben Einblick ins mittelalterliche Leben, durch knappe Texte auf Deutsch und Englisch kurz erläutert. Alles nicht unbedingt spektakulär, aber sinnvoll zusammengestellt – eine gute Einführung in das dann im eigentlichen Dorf imaginierte Leben der Altvorderen. Dort wird ein im Laufe der Jahrzehnte ziemlich verrottetes Haus gerade wieder hergerichtet, nach alten Methoden, doch auch mit modernen Werkzeug. Schraubzwingen? Warum nicht.

Museumsdorf Düppel, Clauertstraße 11 in Zehlendorf, Sa/So und Feiertage, 10 – 18 Uhr, 3,50 Euro, erm. 2,50 Euro, bis 18 Jahre frei, stadtmuseum.de und dueppel.de

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