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Alles frisch? Dass junge Menschen lieber feiern als schlafen, ist im Grunde nichts Neues – nur, dass diese hier dafür extra aufgestanden sind.

© Marion Starke

Morning-Gloryville-Party in Friedrichshain: Frühsport für Hipster

Schluss mit der Schlummertaste, jetzt wird morgens getanzt – mit Biokaffee, Yoga und Smoothies: Am Mittwoch fand in Friedrichshain die erste Morning-Gloryville-Party statt. Weitere sollen folgen.

Bumm. Bumm. Bootieshakes. Unter einem quietschbunten Girlandenhimmel tanzen mehr als 300 Menschen. Bumm. Bumm. Wie Paukenschläge donnern die lauten Elektrobeats. Die Turnschuhfraktion hüpft, die mit Absätzen bewegt ihre Hüften. So schnell, dass kein Rhythmus zu erkennen ist. Der Paukenmann pustet Karnevalsalarm durch seine Trillerpfeife. Eine ganz normale Party auf dem RAW-Gelände in Friedrichshain. Fast. Denn es ist 7.30 Uhr morgens – und diese Menschen hier sind keine Übriggebliebenen aus dem Berghain. Vor einer Stunde sind sie gekommen, vor der Arbeit, zur ersten Morning-Gloryville-Party in die Neue Heimat in Friedrichshain. Tanzen als Frühsport.

Drei Stunden später ist alles schon wieder vorbei, angeblich sollen diese Party-Menschen jetzt brav ins Büro gehen. Viele sehen nicht unbedingt danach aus. Henrik, 23, trägt ein knappes Ballett-Tutu. Hinter ihm tanzt ein Fussballindianer mit einem goldglitzernden Pelikan. Andere haben den Dresscode „Dress to sweat“ kreativ interpretiert. Wieder andere haben sich offenbar schon vorm Frühstück in der Glitzer-Schminkecke herumgetrieben.

Frische Säfte und Bio-Kaffee

Alex, 32, und Ingrid, 25, sehen relativ normal aus. Sie haben in den vergangenen zwei Wochen an der Party-Dekoration gearbeitet, ehrenamtlich. Es hat sich gelohnt: Über dem DJ-Pult hängt ein großes Banner mit der Aufschrift „Guten Morgen“, neben den Girlanden hundert selbstgebastelte Papierdiamanten. Jetzt sind sie mittendrin, interpretieren die Tanzfläche selbst als Work-out-Parcour. Drinks gibt es keine, das Konzept: „Conscious clubbing“, bewusstes Feiern, lebt von der Regel: Kein Alkohol, keine Drogen. An der Bar werden frische Säfte und Bio-Kaffee serviert. Jetzt wird also auch noch das Feiern revolutioniert. Passt ja zum Biotrend, genauso wie die Yoga-Ecke. Hipstermänner mit Bärten und Jeanshemden stehen Schlange neben dem Räucherstäbchentrog. Sie hoffen auf eine der kostenlosen Wake-up-Massagen oder eine Yoga-Session, bevor sie wieder auf die Tanzfläche gehen.

"Breaving" als internationaler Trend

„Alle wollen einfach nur tanzen und happy sein“, sagt Marta Cornellana, Organisatorin der ersten Morning-Gloryville-Party. Zusammen mit dem Yoga-Lehrer Tom Barber hat die 36-jährige Spanierin die Party als Frühsport nach Deutschland gebracht. Beide kannten das Konzept bereits aus anderen Städten, es heißt „Breakfast Raving“ oder kurz „Breaving“. Das Konzept von „Morning Gloryville“ wurde 2013 von Samantha Moyo und dem Körpertherapeuten Nico Thoemmes erfunden. Von London aus verbreitete sich die Reihe schnell, mittlerweile stehen überall auf der Welt Menschen 6.30 Uhr auf, um zu tanzen: in Sydney, Tokyo, New York, Bangalore, Amsterdam. Weitere Städte sind Anfang 2015 geplant.

Für die erste deutsche Party zur Frühstückszeit sind die Julia, 32, und Kathrin, 27, extra aus München angereist. Sie sind begeistert von der Idee, den Körper und die Seele am Morgen wach zu tanzen. „Beats, Bewegung, Entspannung, ein bisschen Freundschaft und Liebe – als Yoginis praktizieren wir das sowieso jeden Tag“, sagt Julia. „Das Tanzen ist unsere Religion, eine schamanische Praxis bei der Glückshormone ausgeschüttet werden.“

Ob die Party wacher macht als ein paar Stunden Schlaf? Gute Laune scheint es den Anwesenden jedenfalls zu machen. Marta Cornella ist zufrieden. Sie will die Partys nun regelmäßig anbieten. „Wachwerden mit Stil“, nennt sie das. Ob mit Tutu oder ohne.

Marion Starke

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