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Der Tatort in Berlin-Moabit am 23. August 2019

© AFP

Mord an Georgier in Berlin: Warum Sicherheitskreise „russischen Staatsterrorismus“ vermuten

Der erschossene Zelimkhan K. war auch in der Ukraine für Gegner Russlands aktiv. Das könnte ein weiteres Motiv für das Attentat gewesen sein.

Von Frank Jansen

Im Fall des in Berlin erschossenen tschetschenischen Georgiers Zelimkhan K wächst der Verdacht, staatliche russische Stellen könnten in den Mord verstrickt sein. Wie der Tagesspiegel aus Sicherheitskreisen erfuhr, war Zelimkhan K. in den Jahren 2015 und 2016 gemeinsam mit dem dezidiert antirussischen Ex-Staatspräsidenten Georgiens, Micheil Saakaschwili, in der Ukraine aktiv.

Saakaschwili hatte im August 2008 den Fünf-Tage-Krieg mit Russland um die abtrünnige georgische Provinz Südossetien verloren. Im Februar 2015 berief der damalige ukrainische Präsident Petro Poroschenko, ebenfalls ein Russland-Gegner, Saakaschwili als Regierungsberater. Ein Jahr zuvor hatte Russland die Krim annektiert.

Im Mai 2015 wurde Saakaschwili Gouverneur der südukrainischen Region Odessa. Zelimkhan K. sei vermutlich als Berater für Saakaschwili und den neuen Polizeichef in Odessa tätig gewesen, hieß es. Zuvor hatte K. im Mai 2015 in der georgischen Hauptstadt Tiflis nur knapp ein Attentat überlebt.

Saakaschwili hatte für den Posten des Polizeichefs den früheren georgischen Vize-Innenminister Giorgi Lortkipanidse vorgeschlagen, dieser wurde dann im Mai 2015 von Poroschenko ernannt. Zelimkhan K. habe in engem Kontakt zu Lortkipanidse gestanden, sagten Sicherheitskreise. Lortkipanidse entließ mehrere hundert Polizisten.

Saakaschwili geriet allerdings mit Poroschenko in einen Konflikt und trat im November 2016 zurück. Damit war offenbar auch die Zeit von Zelimkhan K. in der Ukraine vorbei. Im Januar 2017 beantragte er in Deutschland Asyl. Trotz der Ablehnung konnte K. in der Bundesrepublik bleiben.

Hintergründe zu dem Mordfall im Kleinen Tiergarten:

Bei Twitter hat Saakaschwili am Dienstag der Familie des erschossenen Zelimkhan K. kondoliert. Dieser sei „ein tapferer Mann sowie ein georgischer und tschetschenischer Patriot gewesen“, schrieb Saakaschwili. Der Politiker geht davon aus, dass ein russischer Geheimdienst hinter dem Mord steckt.

Deutsche Sicherheitskreise sprechen ebenfalls von einer „plausiblen Theorie“. Als möglicher Drahtzieher des Attentats vom Freitag in Berlin-Moabit wird auch Putins Statthalter in Tschetschenien genannt, Ramsan Kadyrow.

Zelimkhan K. hatte an der Seite tschetschenischer Rebellen gegen Russland gekämpft. Kadyrow führe „Todeslisten“, sagten Sicherheitskreise. Möglicherweise hätten Kadyrow und ein russischer Geheimdienst gemeinsam verabredet, Zelimkhan K. in Deutschland zu töten, hieß es. Alles deute daraufhin, dass der Mord "russischer Staatsterrorismus" war.

Die Regierung in Moskau bestreitet allerdings jede Verbindung zum Attentat. "Dieser Fall hat natürlich nichts mit dem russischen Staat und seinen Behörden zu tun", habe am Mittwoch Kremlsprecher Dmitri Peskow gesagt, berichtet dpa und beruft sich auf die russische Agentur Interfax. Für weitere Informationen, ob es sich bei dem in Berlin festgenommenen, mutmaßlichen Täter Wadim S. um einen russischen Staatsbürger handele, verwies Peskow an das Außenministerium in Moskau.

Sollte sich der Verdacht auf russischen Staatsterrorismus bestätigen, "dann müsste das ernsthafte Konsequenzen für das deutsch-russische Verhältnis haben", sagte der Chef der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Burkhard Dregger, dem Tagesspiegel. Der Innenexperte der CDU-CSU-Fraktion im Bundestag, Armin Schuster, appellierte an Moskau, sich an der Aufklärung des Mordes zu beteiligen. "Man kann sich nur wünschen, dass die russische Regierung dazu beiträgt, die Hintergründe zu erhellen", sagte Schuster. Die Regierung "könnte ja zumindest Erkenntnisse über Wadim S. haben".

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