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Der Tatort: Das Haus des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke.

© Swen Pförtner/dpa

Mitbeschuldigter im Mordfall Lübcke ist frei: Richter sehen bei Elmar J. keinen dringenden Tatverdacht mehr

Der Bundesgerichtshof entlastet teilweise den Mann, der dem mutmaßlichen Attentäter Stephan Ernst die Waffe verkauft haben soll – zwei Jahre vor dem Mord.

Von Frank Jansen

Im Mordfall Walter Lübcke sieht der Bundesgerichtshof (BGH) beim Mitbeschuldigten Elmar J. keinen dringenden Tatverdacht mehr auf Beihilfe. Das geht aus dem jetzt veröffentlichten Beschluss der Karlsruher Richter zur Freilassung von J. hervor.

Der Mann kam am 15. Januar aus der bereits mehr als sechs Monate dauernden Untersuchungshaft heraus. Die Gründe nannte der BGH diesen Montag. „Mit dem Wegfall des dringenden Tatverdachts der Beihilfe zum Mord entfällt der Haftgrund der Schwerkriminalität“, heißt es im Beschluss. Eine Gesamtschau der vorliegenden Indizien vermöge im „bereits fortgeschrittenen Ermittlungsstadium den dringenden Tatverdacht vorsätzlichen Handelns nicht zu begründen“.

Die Polizei hatte Elmar J. am 27. Juni 2019 festgenommen. Der Mann soll dem mutmaßlichen Attentäter Stephan Ernst den Revolver verkauft haben, mit dem der Kasseler Regierungspräsident am 2. Juni 2019 auf der Terrasse seines Hauses im nordhessischen Wolfhagen getötet wurde. Die Bundesanwaltschaft wirft J. Beihilfe zum Mord an Lübcke vor. Im August hatte der BGH noch die Fortdauer der Untersuchungshaft für J. angeordnet.

Elmar J. soll den Revolver für 1100 Euro an Stephan Ernst verkauft haben

Angesichts der jetzt vorliegenden Erkenntnisse der Ermittlungen ist es für die Richter nun „nicht hochwahrscheinlich, dass der Beschuldigte es bei dem Verkauf der Waffe für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, der Mitbeschuldigte werde mit dieser ein politisch motiviertes Tötungsdelikte begehen“. Elmar J. soll den Revolver 2016 an den Rechtsextremisten Ernst für 1100 Euro verkauft haben, also etwa zwei Jahre vor dem Mord an Lübcke.

Der BGH verweist jetzt auf den großen zeitlichen Abstand zur Tat. Elmar J. hatte die Waffe nach Auffassung der Richter „ohne besonderen Anlass“ zum Verkauf angeboten.

Für den BGH hat sich die im August in der Entscheidung zur Haftfortdauer für Elmar J. angestellte Vermutung, Stephan Ernst habe J. über seine Ansicht eingeweiht, dass „wir Deutschen etwas tun müssen“, bislang nicht bestätigt.  Dass Elmar J. zugab, mit Stephan Ernst in Kontakt zu stehen und mit ihm über Politik und Flüchtlinge gesprochen zu haben, reicht dem BGH nicht. Genauso wenig, dass Ernst und Elmar J. offenbar von 2014 bis 2018 eine „illegale Geschäftsbeziehung“ unterhielten. Gemeint ist der Handel mit Waffen.

Mit dem Wegfall des dringenden Tatverdachts sehen die Richter auch keine Fluchtgefahr mehr. Verwiesen wird auf den festen Wohnsitz von J. und seine „ehelichen Bindungen“. Der Mann ist zudem nicht vorbestraft. Für den BGH geht es „im Rahmen dieser Haftentscheidung“ auch nicht darum, ob die Bundesanwaltschaft Anklage gegen J. wegen eines nur hinreichenden Tatverdachts der Behilfe zum Mord erheben könnte.

Das überrascht, weil J. dann doch eine hohe Haftstrafe drohen würde. Nach Ansicht der Richter kann zudem offenbleiben, ob Elmar J. eines Waffendelikts und gegebenfalls einer fahrlässigen Tötung dringend verdächtig ist. Die zu erwartende Strafe wäre weitaus geringer als im Fall einer Behilfe zum Mord, betont der BGH.

Bundesgerichtshof hält altes Geständnis für weiter verwertbar

Stephan Ernst und der weitere Beschuldigte Markus H. bleiben in Untersuchungshaft. Zunächst hatte Ernst kurz nach seiner Festnahme im Juni die Tat gestanden und die Polizei zu einem Erddepot geführt, in dem der Revolver und weitere Waffen lagen. Als Verkäufer der Waffe nannte Ernst Elmar J., den Kontakt zu ihm soll Markus H. vermittelt haben.

Als ein neuer Anwalt die Verteidigung von Ernst übernahm, widerrief der Neonazi sein Geständnis. Anfang Januar 2020 sagte Ernst dann aus, er sei mit Markus H. zu Lübcke gefahren. Markus H. habe die Waffe in der Hand gehabt. Es sei zum Streit mit Lübcke gekommen, dabei habe sich versehentlich der Schuss aus dem Revolver gelöst. Sicherheitskreise halten die neue Aussage für unglaubwürdig.

Der BGH schreibt jetzt im Beschluss zur Freilassung von Elmar J., das Geständnis von Ernst aus dem Juni sei weiterhin verwertbar.

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