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Im Sommer findet kein regulärer Unterricht statt – aber nach den Ferien planen viele wieder mit dem Regelbetrieb.

© Philipp von Ditfurth/dpa

Mitarbeiter des Bezirks „dem Wahnsinn nahe“: Charlottenburger Schule bleibt zu – Leitung missachtete Kontaktreduktion

Wegen mehreren Corona-Fällen öffnet die Paula-Fürst-Schule frühestens nächste Woche die Ferienbetreuung. Alle Kontaktpersonen ausfindig zu machen, war schwer.

Nach mehreren Infektionen unter Schülern und Mitarbeitern öffnet die Paula-Fürst-Schule in Charlottenberg diese Woche noch nicht für die Ferienbetreuung. Vergangene Woche war zunächst bekannt geworden, dass ein Schüler infiziert ist – nach weiteren Tests waren Klassenkameraden, weitere Schüler und drei Mitarbeiter positiv getestet worden.

Für gut 80 in dieser Woche untersuchte Schüler und Mitarbeiter fielen die Abstriche negativ aus. Einige Dutzend enge Kontakte wurden unter Quarantäne gesetzt, so auch die Schulleitung – derzeit stehen noch 18 Personen unter Quarantäne.

Denn: Infektionen können in den ersten Tagen noch nicht nachgewiesen werden. Gut 30 weitere Testergebnisse stehen noch aus.

Zumindest einige der Infektionen passierten offenbar in der Schule – obwohl diese laut Heike Schmitt-Schmelz (SPD), Bezirksstadträtin für Bildung, auf Abstandsregeln und das Benutzen von Masken viel Wert gelegt hat.

„Die Schulleitung hat mir versichert, dass sie sehr penibel darauf geachtet haben“, erklärt sie dem Tagesspiegel.

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Allerdings soll in der Klasse – mit der später bekannt gewordenen Infektion – eine Geburtstagsfeier einer Lehrerin stattgefunden haben, zu der auch Mitglieder des Sekretariats gekommen seien. Unklar ist, wie diese genau stattgefunden hat. „Angaben zu einzelnen Kindern können wir nicht machen, da diese identifizierbar sein würden und wir damit Persönlichkeitsrechte verletzten könnten“, erklärt ein Sprecher der Senatsverwaltung für Gesundheit.

Die Schulleitung hat auch sonst offenbar nicht ausreichend darauf geachtet, dass die Zahl der Kontakte minimiert wird: Sowohl eine infizierte Erzieherin als auch ein infizierter Lehrer haben nach Aussage des für Gesundheit zuständigen Bezirksstadtrats Detlef Wagner (CDU) in mehreren Schülergruppen unterrichtet, was das Infektionsrisiko erhöht und Nachverfolgung erschwert.

Auch die Sekretärin habe sehr viele Kontakte gehabt. „Die Rechercheure haben gesagt, dass sie das in dieser Form noch nicht erlebt haben“, sagt Wagner. Die Mitarbeiter seien auch „dem Wahnsinn nahe“ gewesen ob unklarer Angaben, wer mit wem Kontakt gehabt hat.

Abifeier fand trotz Corona-Falls statt

Wenn es beim aktuellen Stand bleibt, kann die Schule in der kommenden Woche zur Ferienbetreuung wieder öffnen. „Acht Fälle sind nicht viel“, erklärt Wagner. Derzeit sei die Lage aber noch zu unklar. „Wir haben uns gemeinsam abgestimmt und gesagt: Solange die Fälle nicht ausermittelt sind, bleibt die Schule zu.“

Kritik an zu wenigen Testungen kann er zumindest derzeit nicht nachvollziehen – in einem Schreiben hatte die Schulleiterin erklärt, dass die Kapazitäten des Gesundheitsamts nicht ausreichen. Inzwischen werde jeder getestet, bei dem sich ein Kontakt nachvollziehen lasse oder der sich melde, sagt der Stadtrat.

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Für viel Verärgerung hat gesorgt, dass trotz des der Schulleitung bekannten Ausbruchs am vergangenen Freitagabend die Schüler aus dem Abschlussjahrgang ihre Zeugnisse erhalten haben – doch nicht nur das, es gab auch eine Feier. Das Gesundheitsamt habe seiner Kenntnis nach der Abiturfeier mit Auflagen zugestimmt, erklärt ein Sprecher der Senatsverwaltung für Gesundheit. „Die Abifeier hat im abgespeckten Rahmen stattgefunden“, sagt Gesundheitsstadtrat Wagner. „Leider Gottes war unser Gesundheitsamt nicht schnell genug mit einem schriftlichen Verbot.“

Die Veranstaltung hat zwar im Schulhof der Oberstufe stattgefunden, die sich in einem anderen Gebäude befindet – doch nach Schilderung von Beteiligten dauerte sie rund 2,5 Stunden, danach hätten die Abiturienten auf dem Schulgelände noch weiter gefeiert.

Einige hätten nachts dann noch eine Bühne abgebaut und Stühle durch das Schulgebäude getragen. „Trotz Maskenpflicht und Abstandsregeln unverantwortlich, waren die Corona-Fälle der Schule am Nachmittag bereits bekannt“, sagt eine Mutter. Sie möchte anonym bleiben.

Bei der Veranstaltung sei nur gesagt worden, dass eine Sekretärin aus dem anderen Schulgebäude positiv getestet wurde – nicht aber, dass es mehrere Fälle unter Mitarbeitern und Schülern gibt.

Konzept für Schulöffnung hinterfragen

Nach Ansicht von Wagner und Schmitt-Schmelz muss der Ausbruch wie auch Corona-Fälle in anderen Schulen und Kitas in Berlin in die Planungen für das nächste Schuljahr einfließen. „Wir sind in einer zweiten Welle, das steht fest“, sagt der Gesundheitsstadtrat.

„Wenn daraus nicht die Lehre gezogen wird, das Konzept für die Öffnung nach den Sommerferien zu hinterfragen, dann wird es ganz ganz spannend für unsere Gesundheitsämter.“ Die eigentlich diese Woche gerade aufgehobenen verpflichtenden Sicherheitsabstände müssten „sehr deutlich“ wieder diskutiert werden. „Wir haben schon versucht, die Senatsverwaltung zu sensibilisieren“, sagt Wagner.

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„Ich hoffe, dass da mit Augenmaß nochmal draufgeguckt wird“, sagt auch Schmitt-Schmelz. Sie fände es sehr wichtig, dass alle Kinder regelmäßig in die Schule gehen können – aber nicht unbedingt ganze Klassen gleichzeitig. „Ich habe nach wie vor ein bisschen Bauchschmerzen“, sagt sie. „Es ist ein Spagat, den wir da machen.“

Vom Ampelsystem hält der Gesundheitsstadtrat nichts

Bisher sei die Berliner Corona-Gesamtlage seiner Einschätzung noch ausreichend beherrschbar, sagt ihr Kollege Wagner. „Kommt es zu weiteren Einzelinfektionen, wo wir absolut keine Ahnung haben, wo sie herkommen und wo sie hingehen, werden wir nervös.“

Von dem vom Senat eingeführten Ampelsystem hält er wenig – die Kriterien seien beliebig gewählt, insgesamt würde es die Bevölkerung eher verunsichern. Außerdem sei unklar, wie genau der Senat eingreifen will, wenn das System Alarm schlägt. „Kein Mensch mag es, wenn ihm irgendwas Schwammiges vor die Nase gehalten wird“, sagt der Stadtrat. „Das sorgt dafür, dass die Akzeptanzschwelle in der Bevölkerung ganz schnell sinkt.“

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