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Ein Uber-Fahrzeug lässt sich nur per App rufen. Die Fahrt kann immer genau auf dem Display verfolgt werden.

© Kai-Uwe Heinrich

Mit Uber in Berlin unterwegs: Wenn die Taxi-Innung die Konkurrenz testet

Der Tagesspiegel hat dem Vizechef der Berliner Taxi-Innung eine Fahrt mit dem US-Fahrdienstvermittler spendiert. Es hat ihm nicht gefallen.

Die App findet Rolf Feja gar nicht schlecht, wegen der süßen kleinen Autos, die über die Grafik schleichen. Das sind die Uber-Fahrer, die auf Fahrgäste warten, obwohl sie doch gar nicht warten dürfen, weil sie ja keine Taxifahrer sind. Aber davon später mehr.

Rolf Feja fährt seit 40 Jahren Taxi, jetzt ist er der stellvertretende Chef der Taxiinnung und bezeichnet Uber als unlauteren Mitbewerber, als gefährlichen Parasiten, der das Taxigewerbe langsam aussaugt. Mehr als tausend Berliner Taxifahrer seien schon zu Uber abgewandert, weil sie dort nicht kontrolliert würden. Kein Taxameter, auch keines, das dem Finanzamt die Umsätze übermittelt, das sogenannte Fiskaltaxameter. Da ließen sich Einnahmen und Arbeitszeiten frisieren, um Steuern und Sozialabgaben zu sparen. Feja trägt Schiebermütze und Schnurrbart, redet viel und gern, verkörpert den klassischen Berliner Taxifahrer, den es auf den Straßen kaum noch gibt. Feja hat eingewilligt, zum ersten Mal in seinem Leben in ein Uber-Auto zu steigen, zu einem Fahrer ohne Taxischein und Taxameter. Das kostet schon etwas Überwindung, aber es geht ja um Aufklärung der Taxikunden, was es bedeutet, einfach mal bei Uber einzusteigen.

Das Kennzeichen steht für ein großes Mietwagenunternehmen

Per App ordern wir ein Uber-Auto zum Flughafen Tegel, bezahlt wird über Paypal. Die App zeigt an, dass Tarek* kommen wird, ein kleines Foto zeigt ihn und das Kennzeichen seines Autos. „Volltreffer“, freut sich Feja. Das Kennzeichen steht für ein großes Berliner Mietwagenunternehmen, dessen Chef er seit Langem kennt. „Schmutzige Geschäfte“, sagt Feja. Früher war der Chef Taxiunternehmer, jetzt fährt er vor allem für Uber und hat nebenbei einen Wachschutz.

„Thomas?“ Tarek lächelt aus dem Seitenfenster seines schneeweißen Toyota Prius, er hat den Namen seines Gastes von der App bekommen. Er steigt aus, will Gepäck einladen, doch wir haben keins. Tarek hält mir stattdessen die Tür auf und fährt los. Wir nutzen die Fahrt für ein Interview.

Ein Interview während der Fahrt

Reporter: Was ist denn die Hauptkritik der Taxiinnung am System Uber?
Feja: Das System Uber heißt, dass die Fahrer keinen Taxischein, also Personenbeförderungsschein mit Ortskundeprüfung, machen müssen. Die Prüfung, an der viele Fahrer scheitern, wurde im vergangenen Jahr auch in Berlin abgeschafft. Viele Mietwagenunternehmen, die für Uber fahren, sind in Brandenburg angemeldet, in ländlichen Regionen unter 50 000 Einwohner war auch bisher keine Ortskundeprüfung notwendig. Außerdem gibt es bei Uber keinen Wegstreckenzähler und kein Arbeitszeitprotokoll. Ihr Fahrer könnte schon 25 Stunden gefahren sein. Im Taxi sind sie praktisch gläsern, für den Fahrpreis gelten feste Tarife, im Fiskaltaxameter wird alles aufgezeichnet.
Reporter: Aber Uber ist für den Kunden deutlich billiger. Die Tour vom Abgeordnetenhaus zum Flughafen Tegel kostet rund 20 Euro.
Feja: Am Tag, als der Orkan Xavier den gesamten Bahnverkehr lahmgelegt hat, hätten sie 60 bis 70 Euro gezahlt. Was Sie zahlen, hängt von der Nachfrage ab, das berechnet Uber per Algorithmus.
Reporter: Stimmt das alles, Tarek?
Tarek zuckt mit den Schultern, er lächelt.
Tarek: Ich kann nichts sagen.
Reporter: Müssen Sie auch nicht.
Feja: Warum fahren Sie denn nicht Taxi?
Tarek: Ich war Jobcenter. Die wollten aber nicht zahlen, für Taxischein. Ich kann aber nichts Schweres arbeiten, habe kaputtes Knie.
Feja: Woher wissen Sie denn, wie der kürzeste Weg zum Flughafen geht?
Tarek: Da gibt es viele Wege ...
Feja (lacht): Das weiß ich auch. Ich möchte aber den kürzesten Weg fahren.
Tarek: Ich mach’, was das Navigationssystem sagt.
Tarek möchte jetzt nichts mehr sagen. Er verrät nur noch, dass er aus dem Libanon kommt.
Feja: Die Strecke ist okay, wäre ich auch gefahren. Aber lassen Sie ihn mal nach Köpenick fahren, im Berufsverkehr, da wird’s dann kompliziert. Und der Fahrer muss Sie gar nicht mitnehmen, wenn ihm Ihre Nase nicht passt. Anders als im Taxigewerbe. Wir sind Teil des öffentlichen Nahverkehrs und verpflichtet, jeden Fahrgast zu jedem gewünschten Ziel zu bringen.

Am Saatwinkler Damm warten die Uber-Fahrer

Unterwegs zeigt Feja auf den Burger King am Saatwinkler Damm. Da stünden häufig Uber-Fahrer und warteten auf die nächste Fuhre vom Flughafen. Schwarze oder weiße Limousine, Toyota oder Hyundai, Kennzeichen LC, LN, LDS, damit ist für Taxifahrer klar: jemand von Uber. Die Fahrt geht vorbei am vollen Taxiparkplatz mit knapp 400 Autos und endet am Hauptterminal.

Am Flughafen zeigt die Uber-App vier Autos in der Nähe. Wir ordern eine Fahrt zum Kaufhaus Clou am Kurt-Schumacher-Platz. Feja glaubt, dass die Fahrt abgelehnt wird (vom Fahrer oder der App), weil sie zu kurz ist. Falsch. Abbas*, ein kräftiger Mann aus dem Libanon, gut gelaunt, empfängt uns nach vier Minuten Wartezeit und einem Anruf zur Vergewisserung, wo wir genau sind, in seinem Audi A6 mit LN-Kennzeichen.

Erst zwei Fahrten seit sechs Uhr

Diesmal bleiben wir inkognito. Abbas erzählt, dass er seit sechs Uhr am Flughafen auf Kunden wartet und erst zwei Fahrten hatte. Für einen Taxifahrer wäre das bitter, Abbas bleibt gelassen. Er sei angestellt, 800 Euro zahle ihm sein Chef im Monat. Was er für Frau und fünf Kinder sonst noch braucht, kommt von Jobcenter und Kindergeldkasse. Abbas bestätigt, was die Taxibranche kritisiert: Uber-Fahrer werden oft am Rande des Existenzminimus bezahlt und halten sich nicht an die Regeln. Als Mietwagenfahrer müssen sie nach jedem Auftrag an den Betriebssitz zurückkehren, so steht es im Personenbeförderungsgesetz. Nur wenn sie während der Rückfahrt einen neuen Auftrag bekommen, dürfen sie den annehmen.

Mäßig begeistert. Taxi-Chef Rolf Feja (l.) an der Seite von Reporter Thomas Loy.
Mäßig begeistert. Taxi-Chef Rolf Feja (l.) an der Seite von Reporter Thomas Loy.

© Thomas Loy

Vom Kurt-Schumacher-Platz wollen wir zurück zum Abgeordnetenhaus. Emre*, gebürtiger Türke um die 40, kommt mit einem grauen Toyota Auris, Kennzeichen LN. Neun Minuten Wartezeit, meldet die App. Emre ist schneller. Er erzählt, dass vor allem Touristen mit Uber fahren. Oft hört er nur „Hello“ und „Bye-bye“, sonst bleibt es still im Auto. Emre spricht kein Englisch, muss er auch nicht, denn alle wesentlichen Fragen regelt die App. Trinkgeld gebe es eher selten. Das findet Emre schade. Da hätte er dann auch Lkw-Fahrer bleiben können.

Die Mietwagenfirma sei in der Nähe von Großziethen, doch das Auto fährt fast nur in Berlin herum. 40 bis 50 Fahrer würden inzwischen für die Firma arbeiten, Kumpels hätten ihn überredet, es auch mal zu versuchen. Fünf Fahrer wechselten sich auf seinem Auto ab, gefahren werde nur für Uber. Was er verdient, behält Emre lieber für sich.

Mehr als ein Streit um Stundenlöhne

Der Konflikt zwischen Emre und Herrn Feja, zwischen Uber und der Berliner Taxi-Innung ist mehr als nur ein Streit um Stundenlöhne, Ortskenntnisse oder konkurrierende Apps fürs Handy. Es ist der Konflikt zwischen einem bewährten Geschäftsmodell und gesetzlich verbrieften Privilegien, die in einer anderen Ära erdacht wurden – und einem amerikanischen Unternehmen, das sich mit digitalen Mitteln darüber hinwegsetzt.

Das Unternehmen mit Sitz bei der Factory an der Brunnenstraße in Mitte empfängt in hellen Räumen voller Apple-Computer und mit italienischer Kaffeemaschine. Vor einem Jahr sagte Deutschland-Chef Christoph Weigler dem Tagesspiegel: „Wir verstehen uns nicht als Konkurrenz zum Taxi.“ Die Zielgruppe seien diejenigen, die noch immer jeden Tag alleine im Auto zur Arbeit fahren. Dafür sei der Preis die wesentlichste Stellschraube. Bei 20 Prozent unter dem Taxipreis würden Masseneffekte spürbar. Andere Bevölkerungsgruppen könnten sich dann leisten, sich fahren zu lassen. „Unsere Erfahrung ist, dass man mit dem Einsatz von Technologie eine wesentlich höhere Auslastung für die Fahrzeuge erreichen kann und dadurch niedrigere Preise möglich sind – bei stabilen Umsätzen für die Fahrer“, sagt Weigler.

Weil die Uber-App etwa durch „Forward Dispatching“ schon während einer Fahrt mögliche Anschlusskunden in der Nähe des Ankunftsorts vermittelt und aktuelle Verkehrsdaten einbezieht, sei es möglich, Auslastungsquoten von über 50 Prozent zu erreichen. Bei den Taxifahrern liege diese Quote deutlich niedriger.

Die Kapitalmärkte hingegen haben keinerlei Zweifel daran, wer aus diesem Duell siegreich hervorgehen wird. 2015 gelang es Uber, eine Kapitalerhöhung von fast einer Milliarde Dollar unter Dach und Fach zu bringen – obwohl Uber Quartal für Quartal dunkelrote Zahlen schreibt. Der Unternehmenswert stieg damit auf umgerechnet gut 45,5 Milliarden Euro. Das ist ein bisschen mehr als die Deutsche Post – und ein bisschen weniger als der Autokonzern BMW.

Mit diesem gigantischen Finanzpolster im Rücken ging die Firma fortan nicht nur auf Konfrontationskurs zu Taxifahrern, sondern begann zudem mit der Suche nach Wegen, sie gleich ganz abzuschaffen. Uber ist eines von mehreren Dutzend Unternehmen, die eigene Systeme für autonom fahrende Autos entwickeln und auf öffentlichen Straßen in den USA testen.

Kein Wunder also, dass der Konzern überall dort, wo er auftaucht, auf Ablehnung der Taxifahrer stößt – oder sogar Gewalt. Egal, ob in Paris, Istanbul oder Brisbane: Rund um den Globus wurden Uber-Fahrer bereits von Taxifahrern verprügelt. Aber es gibt auch viele, die mit Uber zusammenarbeiten und sich Kunden vermitteln lassen, via UberTaxi-App. Laut Uber sind 1500 Berliner Taxen dort aktiv, von insgesamt 8000.

Reporter: Und, wie haben Ihnen die Uber-Fahrten gefallen?
Feja: Na, die sprachlichen Barrieren waren sehr hoch. Wenn wir nicht ständig gefragt hätten, wäre es wohl ziemlich still geblieben im Auto. Von der Freundlichkeit und der Fahrstrecke her war alles in Ordnung, nur der Letzte ist ziemlich krumm gefahren.

Taxifahrer Feja und das Unternehmen Uber, so viel steht fest, werden in diesem Leben wohl keine Freunde mehr.

* Namen geändert

Dieser Artikel erschien auf der wöchentlichen Sonderseite "Berliner Wirtschaft". Folgen Sie uns auf Twitter für Updates: @BRLNRwirtschaft

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