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Ein Dieseltriebwagen der Linie RE6 auf der Fahrt von Velten nach Kremmen

© Jörn Hasselmann

Mit Insel-Oberleitung: Batteriezüge sollen den Prignitz-Express umweltfreundlich machen

Der Prignitz-Express soll umweltfreundlich werden. Eine Studie des Landkreises Ostprignitz-Ruppin fordert eine Elektrifizierung der Strecke Hennigsdorf-Neuruppin-Wittenberge bis 2028.

Seit Jahren ist der Prignitz-Express (RE6) die einzige Regionalexpress-Linie im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg, die noch mit Dieseltriebwagen betrieben wird. Denn eine Oberleitung fehlt. Und der RE6 ist die einzige Linie, die Berlin nicht direkt ansteuert. Die Züge fahren von Norden kommend ab Hennigsdorf einen weiten Umweg um die Stadt herum und erreichen Berlin erst über Spandau. Beide Nachteile könnten ein Ende haben. Eine im Auftrag des Landkreis Ostprignitz-Ruppin erstellte Studie schlägt ein für die Region einmaliges innovatives Konzept vor. Auf der Strecke könnten ab 2028 Batteriezüge fahren. 

Damit diese Triebwagen die 140 Kilometer von Wittenberge bis Hennigsdorf durchhalten, sollen zwei etwa zehn Kilometer lange Abschnitte mit einer Oberleitung elektrifiziert werden. Auf diesen beiden "Inseln" könnten die Batterien nachgeladen werden, sagte der Autor der Studie, der frühere Bahnmanager Hans Leister. Am Freitag stellten Leister und der Landrat von Ostprignitz-Ruppin, Ralf Reinhardt (SPD), die Studie vor. 

Bislang plane der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg keine Elektrifizierung der Linie - und zwar auf mehrere Jahrzehnte nicht, sagte Landrat Reinhardt am Freitag: "Als ich das gehört habe, klingelten bei mir die Alarmglocken." Es wäre doch "schade, wenn in zehn Jahren immer noch Dieselzüge fahren würden". Deshalb hat er die Studie in Auftrag gegeben.

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Batteriezüge haben derzeit eine Reichweite von 70 bis 100 Kilometern - die Strecke ist länger. Deshalb schlägt Leister zwei Abschnitte mit Oberleitung vor. An beiden Orten seien für große Industriebetriebe bereits Hochspannungsleitungen vorhanden, es müssen also keine neuen Trassen gebaut werden. Dies sei ein sehr großer Vorteil, sagte Leister. 

Er veranschlagt für die beiden "Inseln" 23 Millionen Euro. In anderen Bundesländern baue man solche „Oberleitungsinselanlagen" bereits, sagte Leister, "das ist keine Hexerei mehr". Eine Oberleitung auf der ganzen Strecke würde etwa 150 Millionen Euro kosten. In der kleinen Lösung würden die Züge wie bislang weiterfahren über den Außenring bis Spandau, dort gibt es schon eine Oberleitung. 

Durch Batteriezüge ginge es auch aufs S-Bahn-Gleis

Der Einsatz von Batteriezügen könnte auch den zweiten Nachteil des Prignitz-Express lösen. Er könnte nämlich auf den vorhandenen S-Bahn-Gleisen weiterfahren von Hennigsdorf nach Berlin-Hauptbahnhof oder sogar bis zum Flughafen. Dies wäre die große Lösung. Einst führte die Strecke von Neuruppin über Hennigsdorf und Tegel direkt in die Berliner Innenstadt. 

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Doch bis heute sind die Regionalbahngleise parallel zur S-Bahn nicht wieder aufgebaut worden. Immerhin ist sie seit 2018 Teil des milliardenteuren Investitionsprogramms „i2030“, doch über 30 Jahre nach der Wende steht immer noch nicht fest, wann und wie die Strecke wieder aufgebaut wird. Batteriezüge hätten nach Angaben Leisters den Vorteil, dass sie auf S-Bahn-Gleisen fahren können - und durch den Fernbahntunnel in der Berliner Innenstadt. Dieselzüge sind in dem Tunnel verboten. Die große Lösung würde einen dritten Oberleitungsabschnitt vor Hennigsdorf erfordern - auch das ist überschaubar. Durch eine Gesetzesänderung auf Bundesebene benötigen Oberleitungen seit kurzem keine Planfeststellung mehr, was bislang den Bau um Jahre verzögert hat. 

Derzeit können Züge nicht in höherem Takt fahren

Landrat Reinhardt will nun "schnell mit dem VBB ins Gespräch kommen", wie er bei der Online-Präsentation sagte. Leister betonte, dass es kein Wunschtraum sei, sondern eine "vernünftige und mit überschaubarem Aufwand erreichbare Lösung". 

Leister kennt Brandenburg. Ab 1994 war er bei der Deutschen Bahn Leiter des Regionalverkehrs Berlin/Brandenburg und Konzernbevollmächtigter für das Bundesland. Die schlechte Anbindung von Neuruppin sei damals schon als Provisorium betrachtet worden, mittlerweile sei es leider ein Dauerprovisorium geworden.

Nach der Wende war die Strecke nur stark vereinfacht wieder aufgebaut worden, viele Bahnhöfe und Haltepunkte waren aufgegeben worden und Ausweichgleise eingespart worden. Dies verhindert heute, dass Züge in einem dichteren Takt fahren können. Und bereits 20 Jahre nach der Sanierung hatte die Strecke schon wieder so große Schäden, dass es 2019 zu großen Einschränkungen kam. Grund für die Sperrung war im Oktober eine "Verschlechterung des Oberbaus durch Schienenfehler", die Züge durften auf einem Abschnitt nur noch Tempo 20 fahren. 

Im Mai 2000 war die Strecke zunächst nur bis Neuruppin nach mehrjähriger Sperrung wieder eröffnet worden, nachdem sich die Bauarbeiten länger verzögert hatten und es zuvor lange Streit um die Finanzierung gab. 2019 war beschlossen worden, dass die S-Bahn von Hennigsdorf nach Velten verlängert werden soll, dafür erhält die Strecke bis Hennigsdorf das nach dem zweiten Weltkrieg demontierte zweite Gleis zurück. 

Triebwagen mit Wasserstoff-Brennstoffzellen hingegen als weitere Möglichkeit hält Leister für ungeeignet, sie seien sehr teuer und erfordern hohe Subventionen. Beide neuen Antriebstechniken haben Gegner und Befürworter. In den vergangenen Jahren sind Testzüge mit Batterie- und Wasserstoffantrieb auch in Brandenburg gefahren. Ziel ist es, aus Umweltgründen Diesel-Triebwagen zu ersetzen. Welche dieser beiden Technologien das Rennen machen wird, oder ob es beide sein werden, ist noch offen. 

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