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Der bisherige Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs, Rabbiner Walter Homolka, übt seine Ämter in der jüdischen Gemeinschaft und an der Universität Potsdam bis zur Klärung des Sachverhalts nicht aus.

© IMAGO / Jürgen Ritter

Missbrauchsvorwürfe am Potsdamer Rabbiner-Kolleg: Zentralrat der Juden beauftragt Kanzlei mit Prüfung der Anschuldigungen

Anwälte sollen die Vorgänge am Abraham-Geiger-Kolleg aufklären. Eine frühere Berliner Finanzstaatssekretärin fungiert dort nun übergangsweise als Direktorin.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat die Kölner Rechtsanwaltskanzlei Gercke Wollschläger beauftragt, die Vorwürfe der sexuellen Belästigung und des Machtmissbrauchs am Abraham-Geiger-Kolleg in Potsdam zu prüfen. Darüber hinaus würden die Gutachter auch in der Leo-Baeck-Stiftung, dem Zacharias-Frankel-Kolleg, dem Ernst-Ludwig-Ehrlich-Studienwerk, der Union Progressiver Juden und der Allgemeinen Rabbiner-Konferenz tätig, wie der Zentralrat am Donnerstag in Berlin mitteilte. Die genannten Institutionen hätten der Untersuchung ausdrücklich zugestimmt.

Die Kanzlei Gercke Wollschläger ist auch wegen eines Gutachtens zu Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln bekannt, das Kardinal Rainer Maria Woelki in Auftrag gegeben hatte. Sie werde sowohl Verantwortungsträger und Mitarbeiter als auch potenzielle Opfer oder andere Betroffene befragen, erklärte der Zentralrat.

Um eine gründliche und unabhängige Untersuchung zu gewährleisten, würden die Gespräche und deren Auswertung mehrere Monate in Anspruch nehmen. Mit Ergebnissen der Untersuchung sei um den Jahreswechsel 2022/2023 zu rechnen. Die Auswertung solle auch Handlungsempfehlungen enthalten, um festgestellte Defizite zu beseitigen und künftigen Defiziten im Zusammenhang mit sexualisierter Belästigung und Gewalt und sonstigem Machtmissbrauch vorzubeugen.

Die Vorwürfe der sexuellen Belästigung von Studierenden richten sich gegen einen früheren Dozenten des Kollegs und die Kritik am Umgang damit gegen den bisherigen Rektor, Rabbiner Walter Homolka. Dieser übt seit Medienberichten über den Skandal seine Ämter in der jüdischen Gemeinschaft und an der Universität Potsdam bis zur Klärung des Sachverhalts nicht aus. Die Universität Potsdam hat nach eigenen Angaben bereits vor einigen Wochen eine Untersuchungskommission zu dem Fall eingerichtet.

Am Vormittag hatte das Kolleg mitgeteilt, dass die frühere Berliner Finanzstaatssekretärin Gabriele Thöne (64) übergangsweise als Direktorin eingesetzt worden sei. Die Rechtsanwältin soll vor allem die Vorwürfe gegen die Ausbildungsstätte aufarbeiten und „deren Neustrukturierung in die Praxis umsetzen“. Das neue Führungsteam um den Rabbiner Edward van Voolen und die Kanzlerin Anne-Margarete Brenker wolle das Kolleg reformieren. Dabei sei die Berufung Thönes der erste Schritt.

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Das nach dem Rabbiner Abraham Geiger (1810-1874) benannte Kolleg bildet seit 2011 als An-Institut der Universität Potsdam liberale Rabbinerinnen und Rabbiner, Kantorinnen und Kantoren aus. Es ist das erste Rabbinerseminar in Zentraleuropa, das nach dem nationalsozialistischen Völkermord an den Juden gegründet wurde. (KNA)

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