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Im Januar 2010 wurden die Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg bekannt.

© dpa

Missbrauchsfälle am Canisius-Kolleg in Berlin: Milde Strafe für einen der beiden Haupttäter

Vier Jahre nachdem die Missbrauchsvorwürfe am Canisius-Kolleg bekannt wurden, ist einer der beiden Haupttäter von einem Kirchengericht des Erzbistums Berlin verurteilt worden. Er muss 4000 Euro Strafe zahlen – allerdings nicht für die Fälle an dem Berliner Jesuitengymnasium.

Ende Januar 2010 machte Jesuitenpater Klaus Mertes öffentlich, dass am Canisius-Kolleg in den 70er und 80er Jahren Jugendliche sexuell missbraucht wurden. Wie jetzt bekannt wurde, hat das Kirchengericht des Erzbistums Berlin im November 2013 einen der beiden Haupttäter zu einer Geldstrafe von 4000 Euro verurteilt. Auch darf der heute 72-jährige frühere Jesuitenpater das Priesteramt nicht mehr ausüben, bleibt aber Priester.

Überraschend ist, dass die vielen Übergriffe, die der Pater als Leiter der Jugendarbeit am Canisius-Kolleg verübt hat, bei der Verhandlung unberücksichtigt blieben. Mertes sprach kürzlich von über 100 Fällen. Verurteilt wurde der Täter wegen eines einzigen Falles, der sich zugetragen hat, als der Pater später im Bistum Hildesheim als Gemeindepfarrer tätig war. Nachdem Schüler des Kollegs 1981 dem Schulleiter von den Übergriffen durch den Pater berichtet hatten, wurde dieser zunächst stillschweigend nach Göttingen versetzt. Als auch dort Vorwürfe laut wurden, reichte man ihn 1989 nach Hildesheim weiter. 1994 wurde er aus dem Jesuitenorden entlassen, das Bistum Hildesheim erklärte sich aber bereit, ihn weiter als Pfarrer zu beschäftigen. 2003 wurde er vorzeitig pensioniert. Seine Taten sind juristisch verjährt, doch nicht aus kirchlicher Sicht: Der Vatikan hat die Verjährung aufgehoben.

Die Betroffenen-Initiative „Eckiger Tisch“ begrüßte, dass der Pater überhaupt verurteilt wurde, da er seine Taten stets geleugnet hat. Sie wirft dem Kirchengericht des Erzbistums aber Intransparenz vor. Es habe sich nicht um ein echtes „Gericht“, nicht um ein echtes Verfahren gehandelt.

Kirchengericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit

In der Tat gibt es die klassischen Funktionen von Ankläger, Verteidiger und Richter beim Kirchengericht des Erzbistums nicht, sondern lediglich drei Personen mit Richterfunktion, von denen zwei leitende Geistliche des Bistums sind, einer von ihnen ist Weihbischof Matthias Heinrich. Dazu kommt ein Außenstehender mit juristischen Kenntnissen. Normalerweise verhandeln die drei darüber, ob Ehen annulliert werden sollen. Solche Fälle sind nicht öffentlich. So halte man es auch bei den Missbrauchsfällen – aus Gründen des Opferschutzes, sagte eine Sprecherin des Bistums.

Die ehemaligen Betroffenen vom Canisius-Kolleg bemängeln außerdem, dass ihnen „keine Gelegenheit gegeben wurde, mitzuwirken“. „Man wollte das auf kleiner Flamme laufen lassen", vermutet Matthias Katsch, Sprecher des „Eckigen Tischs“. Das Erzbistum hält dagegen: Man habe bei den Opfervertretungen angefragt, ob weitere Betroffene aussagen wollen. „Wir haben Menschen gefunden, die bereit dazu sind, die sich auch öffentlich hätten befragen lassen“, sagt Matthias Katsch. „Das hat eine Weile gedauert, da war Überzeugungsarbeit nötig.“ Doch dann wurde ihnen gesagt, jetzt sei es zu spät. Man habe eine Frist von einigen Monaten gesetzt, heißt es im Bistum. Das sei üblich. „Es hat zwei Jahre gedauert, bis Rom den Fall geprüft und die Verjährungsfrist aufgehoben hat, warum dann auf einmal die Eile?“, fragt Katsch.

Insgesamt wurden 28 Kleriker beschuldigt

Man wollte nicht noch mehr Zeit verstreichen lassen, der Täter sei schließlich 72, argumentiert das Bistum. Der Fall könne aber neu aufgerollt werden, wenn sich Betroffene melden. Doch diese fürchten, dass sich ein neues Verfahren auch wieder jahrelang hinziehen würde.

„Das tun sich die Betroffenen jetzt nicht mehr an. Die Wunden sind bei vielen vernarbt. Sie wieder aufzureißen und über Jahre offenzuhalten, das will keiner“, sagt Katsch. Wozu auch? Die Strafe für den Canisius-Täter sei sehr milde ausgefallen. „Warum haben sie ihm nicht die Pension gekürzt?“

Der zweite Haupttäter im Canisius-Kolleg lebt nach wie vor unbehelligt in Chile. 1990 trat er aus dem Jesuitenorden aus. Weder der Orden noch der Vatikan fühlen sich für eine Anklage zuständig.

Derzeit laufen sieben weitere Verfahren vor weltlichen oder kirchlichen Gerichten gegen Geistliche des Berliner Erzbistums. Insgesamt wurden bisher 28 Kleriker beschuldigt, die Vorwürfe reichen bis ins Jahr 1947 zurück.

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