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Brandenburgs Ministerpräsident Woidke und Gesundheitsministerin Nonnemacher bei einer Pressekonferenz.

© Soeren Stache/dpa

Ministerpräsident entmachtet Gesundheitsministerin: „Impfkabinett“ soll Impfungen in Brandenburg organisieren

Brandenburgs Ministerpräsident Woidke entzog der Gesundheitsministerin die Impfplanung und setzte ein „Impfkabinett“ ein. Eine Farce, spottet die Opposition.

Zum Chaos um das Impfen in der Mark hat Linke-Oppositionsführer Sebastian Walter nur Spott übrig. Das von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) ins Leben gerufene „Impfkabinett“ sei ein „Impfkabarett“, höhnte Walter. Die Regierung spiele „Verantwortungs-Pingpong“.

Der Grund für seine bissige Tirade: Woidke hat jetzt Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) die Zuständigkeit für die Impfungen entzogen – und damit für das aktuell wichtigste Projekt in der Coronakrise. Dieses wird nun von einem Krisenstab für „Impflogistik“ im Innenministerium von CDU-Minister Michael Stübgen organisiert, Chef ist dessen Staatssekretär Markus Grünwald. Nonnemachers Staatssekretär Michael Ranft und Staatskanzlei–Amtschef Benjamin Grimm leisten „Unterstützung“.

Es läge nahe, dass diese Entmachtung Nonnemachers – Vize-Regierungschefin, starke Frau der Grünen im Kabinett – erhebliche Probleme in der Kenia-Koalition aus SPD, CDU und Grünen auslösen würde, die sich seit dem Start im November 2019 stets für ihre Eintracht rühmte. Und es knirscht auch im Hintergrund. Aber das war’s dann auch.

Klar, in CDU und SPD hatte es auch manchem nicht gefallen, dass Nonnemacher, selbst früher Ärztin, sich angesichts der deutlich steigenden Corona-Zahlen im Land am Montag für einen neuen Lockdown in Brandenburg ausgesprochen hatte, ab Inzidenz 100.

„Unabgestimmt“, wie es hieß, und das gleich nach einer Koalitionsrunde am Montagmorgen. Das sorgte prompt für Verstimmungen. Es sei aber, so wird es von allen Seiten bestätigt, nicht der Grund für den Wechsel des Krisenstabes gewesen.

So gibt es selbst aus den Reihen der Grünen, die schon länger erkennbare Mühe hatte, das langsame Impftempo in Brandenburg zu erklären, nach Außen keine Kritik. Vielleicht habe dieser Schritt Nonnemacher und damit auch das Kenia-Bündnis gerettet, heißt es in Koalitionskreisen. Und natürlich betonen Woidke, Nonnemacher und Stübgen, es sei „eine gemeinsame Entscheidung“ gewesen.

Bereits im Oktober gab es Zweifel an Nonnemacher

Brandenburgs Ministerpräsident, der bislang seinen beiden „Co-Ministerpräsidenten“, wie Woidke Nonnemacher und Stübgen nannte, viele Freiheiten ließ, hat lange gewartet. Die Impfungen waren seit Oktober 2020 vorbereitet worden. Nonnemacher hatte ein externes „Projektbüro“ gebildet, mit Kassenärztlicher Vereinigung, DRK, ohne Kommunen, ohne Krankenhäuser. Schon da habe Woidke Zweifel gehabt, worauf beschwichtigt worden sei, heißt es in der Staatskanzlei.

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Es folgte der Start – und der Zusammenbruch der Hotline, was sie selbst kalt erwischte, wie Nonnemacher sagte. Um eine funktionsfähige Struktur zu schaffen, ließ sie für zwei Monate die Unternehmensberatung Kienbaum anheuern, weshalb die Opposition einen „Beraterskandal“ wittert.

Weit gravierender ist, dass Brandenburg bei den Pflegeheimen, in denen nur 24.500 Menschen leben – die jedoch besonders gefährdet sind – als bundesweites Schlusslicht vom 27. Dezember bis in die zweite Märzwoche mit den Erstimpfungen brauchte. Anderswo war man da lange durch. Bei den allgemeinen Corona-Impfungen sieht es – jenseits der Lieferengpässe – nicht besser aus.

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Dabei stand Brandenburg früher für gutes Krisenmanagement, etwa bei den Jahrhundertfluten an Oder und Elbe, wo Woidke als Innenminister 2013 selbst auf den Deichen stand. Diesmal sieht Brandenburg nicht gut aus. Hinzu kommt Woidkes Schlingerkurs bei der 100er-„Notbremse“ auf Kreisebene, die bundesweit für Kritik sorgte.

Am Donnerstag riss Elbe-Elster die 200er-Marke, ohne dass die Regierung vorher eingriff. Woidke kündigte nun an, dass die Lockerungen in den Regionen zurückgenommen werden, in denen die Inzidenz drei Tage hintereinander über 100 liegt. Geimpft werden müssen noch rund 1,6 Millionen Menschen. „Jeder Brandenburger wird bis Ende Sommer ein Angebot erhalten“, versprach Woidke. Er wird daran gemessen werden.

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