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Fensterputzer bei der Arbeit. Sie arbeiten oft unter dem Mindestlohn.

© imago images/Frank Sorge

Mindestlohn trotz Coronavirus: Berliner Unternehmen wollen 12,50-Euro-Lohn wieder aussetzen

12,50 Euro je Stunde Mindestlohn gilt. Für viele Firmen in Ordnung, aber neue Verordnungen gefährdeten Beschäftigung und das mitten in der Krise.

Mitten in der Krise hat das Abgeordnetenhaus mit den Stimmen der Koalition die Regeln zur Vergabe öffentlicher Aufträge verschärft. Während Finanzsenator Matthias Kollatz im Schnellverfahren wenigstens den Krankenhäuser einen vereinfachten und beschleunigten Einkauf von Schutzausrüstungen ermöglicht hatte, wird die Berliner Wirtschaft durch Vorschriften für höheren Mindestlohn, grüne Zertifikate sowie Schutz vor Diskriminierung weiter belastet.

Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) lässt diese Kritik nicht gelten: „Die Novelle des Vergabegesetzes verbindet soziale und ökologische Kriterien mit vereinfachter Praxis“. Aufträge würden mit dem neuen Vergabegesetz „einfacher und unbürokratischer“. Diese Vereinfachung helfe Unternehmen. „Gute Arbeit ist Berlin wichtig, deshalb erhöhen wir das Mindestentgelt auf 12,50 Euro“ je Stunde.

Neun Verbände üben scharfe Kritik

Anders sehen das neun Verbände – darunter die Industrie- und Handelskammer, Bauindustrieverband, Verband der Digitalwirtschaft und die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg. In einer gemeinsamen Erklärung hatten sie Abgeordnete dazu aufgerufen „von der geplanten Verabschiedung des Vergabegesetzes abzusehen.

Mitten in der größten wirtschaftlichen Krise seit Jahrzehnten sei dies das völlig falsche Signal. Ein Drittel der Mitgliedsunternehmen befürchtet eine Insolvenz. „In jedem zweiten Unternehmen drohen Arbeitsplätze wegzufallen“. Deshalb brauche es „jede denkbare Unterstützung“, etwa eine unbürokratische und schnelle Vergabe öffentlicher Aufträge. „Der aktuelle Entwurf des novellierten Ausschreibungs- und Vergabegesetzes erreicht das Gegenteil“.

Die neun Verbände forderten stattdessen, dass Aufträge für Liefer- und Dienstleistungen im Rahmen von „Verhandlungsvergaben“ bis zu einem Auftragswert von 50.000 Euro vergeben werden dürfen. Die „Aussetzung der Erhöhung des Mindestlohnes bis Jahresende“. Und schließlich die „Reduzierung der Vergabekriterien allein auf die zur Auftragserfüllung notwendigen Aspekte“.

„Extrem hinderlich“ nennt die Chefin der Fachgemeinschaft Bau, Manja Schreiner, die neuen Regelungen im Vergabegesetz: „Das bremst die Bauwirtschaft aus, die von der Krise bisher weniger betroffen ist als andere“. Bereits ohne die Regelungen zum Schutz vor Diskriminierung und zur „grünen Beschaffung“ müssten bis zu 120 Seite lange Angebote zur Bewerbung auf kleine Öffentliche Aufträge einreichen. „Das wird nun zusätzlich erschwert“.

Fachgemeinschaft Bau: Projekte werden "enorm aufwendig und teuer"

„Wenigstens für die Zeit, die die Coronakrise andauert, hätte der Senat die Verschärfung aussetzen müssen“, sagt Schreiner. Der Bau beschäftige 20000 gewerbliche Mitarbeiter und die kaufmännischen Abteilungen nicht eingerechnet. „Wenn die Branche jetzt auch noch ins Rutschen kommt, wird es haarig“.

Gegen das Ziel einer klimafreundlichen Politik habe kein Unternehmer etwas, sagt Schreiner. Aber Hinweise der Verbände auf „praktikable“ Regelungen gegen Frauendiskriminierung und den Einsatz nachhaltiger Baustoffe habe der Senat in seinen Regelung nicht berücksichtigt.

„Die Forderung nach einer grünen Zertifizierung von Produkten ist enorm aufwendig und teuer“, sagt Schreiner. Die Realität am Markt sei, dass es oft nur einen oder sehr wenige Anbieter mit solchen Standards gebe.

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