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Schüler beim Mittagessen.

© Jens Kalaene/dpa

Mindestlohn beim Schulmittagessen: Senat ist auf guten Willen der Caterer angewiesen

Krisensitzung im Roten Rathaus: Auch nach mehrtägiger Suche findet der Senat keine Lösung, die Ausschreibung zum Schulessen rechtssicher zu verändern.

Die Lösung lautet: Es gibt keine Lösung. Am Freitagnachmittag haben die Vertreter mehrerer Senatsverwaltungen drei Stunden lang zusammengesessen, um einen Ausweg aus der vertrackten Situation zu finden. Doch wie der Tagesspiegel erfuhr, gibt es offenbar keine rechtssichere Lösung, um einerseits das Schulcatering zum 1. August nicht zu gefährden, und andererseits den Beschäftigten den Mindestlohn von 12,50 Euro zu bezahlen. Der Plan ist nun offenbar, die problematische Ausschreibung laufen zu lassen, und die Caterer dennoch dazu zu bewegen, ihren Beschäftigten den Mindestlohn zu zahlen.

Es geht um die Frage, wie sichergestellt werden kann, dass die Beschäftigten der Schulcaterer ab August den Mindestlohn von 12,50 Euro bekommen, ohne die gesamte Ausschreibung und damit die Schulessenversorgung ab August zu gefährden. Denn wie berichtet, ist in den bereits veröffentlichten Ausschreibungen ein viel niedrigerer Mindestlohn - in Höhe von 9 Euro - angegeben.

Dabei hatte der Senat bereits Ende vergangenen Jahres entschieden, dass Unternehmen, die Aufträge des Landes Berlin oder der Bezirke erhalten wollen, mindestens 12,50 Euro zahlen müssen. Doch das dazugehörige Gesetz ist noch nicht vom Abgeordnetenhaus beschlossen worden, und deshalb fehlte für die Schulessen-Ausschreibung die Rechtsgrundlage, um auch dort diesen neuen Vergabe-Mindestlohn aufzunehmen. Im Moment liegt der Gesetzentwurf beim Rat der Bürgermeister. Bis er zur Abstimmung ins Abgeordnetenhaus kommt, dauert es noch eine Weile, möglicherweise bis April. Wenn man so lange warten würde, bis man eine neue Ausschreibung veröffentlichte, wäre der Zeitplan wohl nicht mehr einzuhalten, um bis August neue Verträge abzuschließen.

Seit dieses Dilemma am vergangenen Wochenende bekannt wurde, versucht der Senat, eine Lösung zu finden, wie die Zahlung des Mindestlohns von 12,50 Euro zu gewährleisten ist, ohne die Ausschreibung insgesamt zu gefährden. Vertreter von mehreren Senatsverwaltungen - unter anderem Bildung, Wirtschaft, Finanzen, Arbeit und Justiz - haben sich deshalb in den vergangenen Tagen mehrfach zusammengesetzt. Auch externe Juristen, Experten für europäisches Vergaberecht, wurden um Rat gebeten.

Hoffen auf die Caterer

Doch nach Tagesspiegel-Informationen gibt es diese Lösung offenbar nicht. Die Runde wird zwar am Montag nach der Staatssekretärskonferenz fortgesetzt, aber es gibt kaum noch Hoffnung auf eine Lösung des Problems. Es soll auf keinen Fall riskiert werden, die Versorgung der Grundschüler ab dem 1. August zu gefährden.

Der Plan sieht offenbar vor, auf den guten Willen der Caterer zu vertrauen. Sollten sie sich nicht an die neuen Vorgaben zum Mindestlohn halten, könne man die Verträge halbjährlich kündigen. Die Situation könnte allerdings sehr unübersichtlich werden, da jeder Bezirk einzeln ausgeschrieben hat – und im Prinzip jede Schule einen anderen Caterer beschäftigen kann.

Mehrere Optionen wurden verworfen

Am Dienstag wurden in der Senatssitzung verschiedene Optionen durchgespielt, seitdem folgten weitere Runden mit Vertretern von mehreren Senatsverwaltungen. Nach der Senatssitzung hatte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) gesagt: „Wir sind uns einig, dass die Beschäftigten die 12,50 Euro erhalten sollen“. Sie lehnte aber den Vorschlag, die laufende Ausschreibung abzubrechen, ab: „Wir müssen die Fristen einhalten und sicherstellen, dass alle Kinder im Sommer ein Schulessen in der verbesserten Qualität erhalten.“ Auch Optionen wie eine Gleitklausel in der Ausschreibung oder eine neue Bestimmung im Gesetzentwurf für den Vergabemindestlohn wurden wieder verworfen.

Im Moment ist die Lage so, dass die Caterer nicht zur Zahlung des vom Land Berlin vorgesehenen Vergabe-Mindestlohns von 12,50 Euro verpflichtet werden können. Sie wären nur verpflichtet, den bundesweit geltenden Mindestlohn von 9,35 Euro zu zahlen, weil Bundesrecht Vorrang hat. In den Mitteln, die im Doppelhaushalt für das Schulessen und dessen Qualitätsverbesserung vorgesehen sind, ist der höhere Vergabe-Mindestlohn allerdings schon einkalkuliert. Das heißt, die Caterer könnten die erhöhten Beträge vom Land kassieren, ohne den Vergabe-Mindestlohn zu zahlen - sofern sie für das Geld Arbeitskräfte finden.

Qualität des Schulessens soll steigen

Die Ausschreibung für das Schulessen gilt für die Mittagessenversorgung ab August und dann für die nächsten vier Jahre. Zur Qualitätsverbesserung ist unter anderem vorgeschrieben, dass der Bioanteil von derzeit 15 Prozent auf 30 Prozent steigt, ab August 2021 dann auf 50 Prozent. Es sollen vor allem saisonale Lebensmittel verwendet werden, einige Produkte wie Bananen müssen aus nachweislich fairem Handel stammen. Der Portionspreis steigt von derzeit 3,25 Euro auf 4,09 Euro, ab August 2021 dann auf 4,36 Euro. Für Schüler bis zur sechsten Klasse ist das Schulmittagessen kostenfrei.

Caterer, die sich bewerben, müssen vor der Vergabeentscheidung Testverkostungen anbieten, damit die Mittagessenausschüsse der Schulen entscheiden können, ob sie mit dem Angebot des Caterers zufrieden sind. Die Ausschreibungen für die einzelnen Bezirke laufen bereits und die Bewerbungsfristen enden zum Teil bald - oft Mitte bis Ende Februar. All das - Bewerbungsfristen, Termine für Probe-Verkostungen, Gremiensitzungen zur Entscheidung - führt zu einem sehr engen Zeitrahmen.

„Ein Abbruch des derzeitigen Vergabeverfahrens wäre für uns eine Katastrophe“, sagte die Neuköllner Bezirksstadträtin Karin Korte (SPD). Dann wäre nicht sichergestellt, dass die Kinder ab dem 1. August ein Essen in der Schule bekommen. In den aktuellen, bis Ende Juli laufenden Verträgen sei außerdem keine automatische Verlängerungsoption enthalten. Wenn man also eine Überbrückungszeit anstrebe bis zu einer neuen längerfristigen Ausschreibung, „müssten wir mit allen Caterern neu verhandeln“, sagte Korte.

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