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Traut euch, fragt uns! Hauptmann Jan Czarnitzki beim Vortrag.

© Sven Goldmann

Militär-Werbeverbot der SPD: Wenn Soldaten an die Schulen gehen

Der Berliner SPD sind Soldaten an der Schule suspekt. Am Barnim-Gymnasium in Lichtenberg empfängt man sie mit Interesse.

Das Publikum ist etwas scheu. „Einer muss den Anfang machen und sich trauen“, sagt der Kapitänleutnant Hans Wachtel, einer von zwei Offizieren, die sich am Mittwochvormittag auf den Weg nach Falkenberg gemacht haben. Ins Barnim-Gymnasium, eine Schule im Nordosten Berlins, wo die Emissäre der Bundeswehr gern gesehene Gäste sind.

Das erscheint so selbstverständlich nicht in diesen Tagen, da die Berliner SPD einen Parteitagsbeschluss für ein „Werbeverbot für alle militärischen Organisationen“ an Schulen gefasst hat, ausgeschmückt mit dem Satz: „Für Töten und Sterben macht man keine Werbung.“

Da die Zahl der militärischen Organisationen in Berlin überschaubar ist, durften sich exklusiv die namentlich erwähnten Jugendoffiziere der Bundeswehr angesprochen fühlen. Soldaten wie der Kapitänsleutnant Hans Wachtel und der Hauptmann Jan Czarnitzki, der gerade 52 Minuten lang vor der elften Klasse des Barnim-Gymnasiums referiert hat.

Es geht um die Bundeswehr als Verfassungsorgan, die Lehren aus preußischem Militarismus und Nazizeit. Die klar definierte Nichtzuständigkeit für Konflikte innerhalb der Bundesrepublik. Den Status einer dem Parlament verpflichteten Armee, deren Einsätze nicht von kriegslüsternen Generälen beschlossen werden, sondern vom Bundestag.

Die Jugendoffiziere weisen den Vorwurf der Werbung von sich

Der Parteitagsbeschluss ist den Berliner Genossen parteiübergreifend um die Ohren gehauen worden. Auch die Jugendoffiziere Wachtel und Czarnitzki waren irritiert wegen der drastischen Wortwahl. Weil sie doch seit Jahren gut mit der SPD zusammenarbeiten, selbst mit den pazifistischen gesonnenen Jusos. Beide legen großen Wert darauf, sie würden nur informieren und keinesfalls werben. „Dafür sind die Karriereberater zuständig“, sagt Jan Czarnitzki.

Der Hauptmann erzählt, die Familie daheim in Grunewald habe nicht so begeistert reagiert auf seine Idee, Berufsoffizier zu werden. Warum er es doch geworden sei? „Weil ich mich mit diesem Land identifiziere und etwas tun wollte.“ Außerdem habe sich der Dienst bestens mit der von ihm angestrebten Karriere in der Luftfahrt vereinbaren lassen.

Die Zeit in Afghanistan erinnert Hauptmann Czarnitzki nicht als seine schönste Bundeswehr-Zeit

Langsam tauen die Schüler auf und decken Czarnitzki mit Fragen ein. Es geht um mögliche Terrorangriffe, Gewissenskonflikte und Befehlsverweigerung. Am Ende meldet sich auch die Lehrerin: „Halten Sie Afghanistan für ein sicheres Herkunftsland?“ Schwierige Frage, sagt Jan Czarnitzki, „da fehlt mir die Kompetenz“. Er hat drei Monate lang afghanische Fluglotsen ausgebildet, „im Norden des Landes, da war es relativ sicher, aber natürlich nicht so wie hier.“ Insgesamt habe er die Zeit in Mazar-e Sharif nicht als die schönste in seinen 15 Jahren bei der Bundeswehr in Erinnerung.

Kurz vor halb zwölf ist Schluss. Hauptmann Czarnitzki wird mit Applaus verabschiedet, die Lehrerin bedankt sich mit einer Tafel Schokolade. Letzte Nachfrage an die Schüler: Was haltet ihr vom Beschluss der Berliner SPD? „Stimmt, da war was“, sagt ein Mädchen mit Zopf und kariertem Hemd, aber sie könne sich nicht genau erinnern. Wird wohl nicht so wichtig gewesen sein.

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