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Ein Mietshaus in Berlin.

© dpa

Mietpreisbremse in Berlin wirkt nicht: Jammern baut keine Häuser - was jetzt nötig ist

Dass die Mietpreisbremse in Berlin nicht wirkt, überrascht nicht. Wenn die Politik Berlin als soziales Umfeld erhalten will, muss sie endlich handeln. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Wer jetzt überrascht ist, hat entweder keine Ahnung oder neigt zum Träumen. Die Mietpreisbremse wirkt in Berlin nicht, hat ein Forschungsinstitut im Auftrag des Berliner Mietervereins festgestellt. Die Erhebungen von Regio Kontext zeigen, dass die Mieten in der Stadt um 31 Prozent höher als zulässig seien. Die Mietpreisbremse, die Berlin als erstes Bundesland zum 1. Juni 2015 eingeführt hatte, ist offensichtlich in der Praxis wirkungslos.

Für Kundige bringt diese Nachricht lediglich die Bestätigung eines Eindrucks, den man bei Beobachtung des Marktes und der Stadtentwicklung von Anfang an haben musste. Die Mietpreisbremse ist schon in einem ausgeglichenen Wohnungsmarkt – von dem Berlin weiter denn je entfernt ist – nur eine stumpfe Waffe im Kampf gegen Spekulation. Sie lässt zu viele Ausnahmen von der Regel zu, wonach die Miete bei einer Neuvermietung nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf.

Selbst offensichtliche Verstöße sind nicht sanktioniert, da müsste der neue Mieter schon selbst schnell nach Vertragsabschluss aktiv werden. Wer aber tut das schon, wenn er endlich eine Zusage bekommen hat? Renovierungen und Verbesserungen der Wohnqualität hebeln die Vorschrift außerdem aus, und für Neubauten gilt sie ohnedies nicht. Beides ist logisch, wenn die Politik Investitionen in die Qualität und den Bestand des Wohnungsmarktes anregen will.

Weniger lamentieren, mehr gestalten

Dass die Mietpreisbremse in Berlin nicht wirkt, liegt einfach daran, dass sich jeder Markt über Angebot und Nachfrage regelt. Die Stadt wächst in einem atemberaubenden Tempo, zwischen 30.000 und 40.000 Menschen kommen pro Jahr als Neubürger nach Berlin. Wie viele der etwa 70.000 Flüchtlinge des vergangenen Jahres auf Dauer untergebracht werden müssen, entzieht sich vorläufig jeder Prognose. Sicher aber ist, dass selbst nach Ansicht des vorsichtig argumentierenden Entwicklungssenators Andreas Geisel jährlich zwischen 15.000 und 20.000 Wohnungen neu gebaut werden müssen, und das über einen längeren Zeitraum hinweg.

Tatsächlich sind in Berlin im vergangenen Jahr aber nur 10.722 Wohnungen fertig geworden. Fast die Hälfte davon sind Eigentumswohnungen, stehen also vermutlich dem Mietmarkt nicht zur Verfügung. In manchen Bezirken wie etwa Reinickendorf sind sträflich wenig Wohnungen gebaut worden – da waren es gerade einmal 267 in einem Bezirk mit 254.000 Einwohnern.

Die Berliner Politik sollte nicht über unwirksame Gesetze lamentieren, sondern handeln. Sie muss den genossenschaftlichen und sozialen Wohnungsbau durch günstige Grundstücke und schnelle Baugenehmigungen beleben. Sie muss den mit Strafgebühren belegen, der zwar durch eine erteilte Baugenehmigung den Wert seines Grundstücks erheblich steigert, aber nicht in angemessener Frist auch baut. Und sie muss, anders als dies der Regierende Bürgermeister will, den Erwerb von Wohneigentum für Normalverdiener erleichtern. Bewährt hat sich auch, die Genehmigung von Mietkomplexen für zahlungskräftige Mieter mit der Auflage zu verbinden, dass eine bestimmte Anzahl der Wohnungen günstiger angeboten werden muss.

Das alles klingt nach Reglementierung, ist es allerdings nicht, weil die Stadt groß genug für Projekte aller Preisklassen ist. Doch wer Berlin als soziales Umfeld erhalten will, muss es gestalten. Dazu ist Politik da.

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