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Juristisches Neuland: der Mietendeckel.

© dpa

Mietendeckel in Berlin ist da: So geht es jetzt weiter

Der Senat hat den Mietendeckel beschlossen, nun muss er durchs Abegeordnetenhaus. Dann sind wohl die Gerichte dran. Ein Überblick über die nächsten Schritte.

Vergessen waren die Streitigkeiten in den letzten Koalitionsrunden. Am Dienstag verständigte sich der rot-rot-grüne Senat auf einen Gesetzesentwurf zum Mietendeckel. Das sei „ein großer Schritt nach vorn für die Berliner Mieter“, sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD).

„Wir werden diese Atempause für verstärkten Wohnungsbau nutzen“, sagte er. Im Sinne der Politik mit „Bauen, kaufen, deckeln“ sei der Gesetzesentwurf ein „guter, richtiger und wichtiger Schritt nach vorn“.

Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) sprach von einem der wichtigsten Gesetze“ in dieser Legislaturperiode. Das, was die Koalition tue, sei „ein Eingriff in einen Markt. Wir betreten juristisches Neuland. Aber man sollte die Kirche im Dorf lassen.“

Nicht jeder Eingriff sei „das Ausrufen der Planwirtschaft“. Die Koalition habe sich mit den Bedenken beschäftigt und ein „tragfähiges Umsetzungskonzept“ erarbeitet, sagte Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke). Es sei unstrittig, dass „wir die Anstrengungen zur Forcierung des Neubaus fortsetzen.“

Was ist neu in dem Gesetz?

Neben einem fünfjährigen Mietenstopp für Gebäude, die vor 2014 gebaut wurden, Mietobergrenzen, einer Modernisierungsumlage, der Kappung von Wuchermieten und Härtefällen bei Vermietern hat sich die Koalition auf zwei zulässige Zuschläge verständigt: Liegt die Wohnung in Gebäuden mit nicht mehr als zwei Wohnungen, erhöht sich die jeweilige Mietobergrenze um einen Zuschlag von zehn Prozent.

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Für Wohnraum mit moderner Ausstattung erhöht sich die Mietobergrenze um einen Euro, wenn wenigstens drei der fünf Merkmale vorhanden sind: schwellenlos von der Wohnung und vom Hauseingang erreichbarer Personenaufzug, Einbauküche, hochwertige Sanitärausstattung, hochwertiger Bodenbelag in der überwiegenden Zahl der Wohnräume und ein Energieverbrennungskennwert von weniger als 120 kWh.

Wie geht es jetzt weiter?

Der Gesetzesentwurf wird nun dem Rat der Bürgermeister vorgelegt, der am Donnerstag darüber berät. Das Gremium hat zwei Wochen Zeit, sich zu dem Gesetzesentwurf zu äußern. Bevor der Senat wichtige Beschlüsse fasst, bezieht der Rat der Bürgermeister Stellung dazu. Er ist ein reines Beratungsgremium, das Empfehlungen abgibt.

Er kann jedoch nicht gegen Gesetzesvorlagen oder Entscheidungen des Senats Einspruch einlegen. Der Gesetzesentwurf gelangt als sogenannter Rückläufer wieder in den Senat, der diesen verabschiedet. Es folgen die Beratungen in den parlamentarischen Ausschüssen und die Verabschiedung im Parlament vermutlich erst im Februar. Das Gesetz muss dann im Amtsblatt veröffentlicht werden, um in Kraft zu treten.

Was ist mit zusätzlichem Personal?

Stadtentwicklungssenatorin Lompscher sagte am Dienstag, die Bezirke seien für die Einhaltung des Mietenstopps und Ordnungswidrigkeitsverfahren zuständig. Ihre Verwaltung wird sich zentral um Widersprüche in Verwaltungsverfahren und um Anträge auf Kappung von Mieten kümmern, die mehr als 20 Prozent über der jeweiligen Mietobergrenze liegen. 50 Stellen in den Bezirken und 200 in der Hauptverwaltung sollen zusätzlich geschaffen werden.

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Lompscher sagte, man werde sich mit der Finanzverwaltung über das finanzielle Prozedere verständigen. Die Einstellungen sollen zentral über Lompschers Verwaltung erfolgen. Die Senatorin betonte, es seien zeitlich befristete Stellen für Verwaltungsangestellte oder Sachbearbeiter.

Zunächst wolle man einen Aufbaustab installieren und sukzessive Personal einstellen. Denn die Regelung, dass Wuchermieten gekappt werden können, gilt erst neun Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes. Lompscher sagte, die Vermieter seien nicht verpflichtet, die Mieter über eine mögliche Kappung zu informieren. Aber die Vermieter müssen nach Inkrafttreten des Gesetzes die Mieter innerhalb von zwei Monaten über die Mietobergrenze informieren.

Was sagen die Bezirke?

Den Bezirken lag am Dienstag der Gesetzesentwurf noch nicht vor. Sie wurden gegenüber vorheriger Pläne aber teilweise entlastet: So sollen die Härtefallanträge nicht von den ohnehin schon überlasteten Bezirksämtern, sondern von der Investitionsbank Berlin bearbeitet werden. Grundsätzlich begrüßt die Mehrheit der Bürgermeister den Mietendeckel. „Der Rat der Bürgermeister wird das Mietendeckel-Gesetz sicher nicht scheitern lassen“, sagte Mittes Bürgermeister Stephan von Dassel (Grüne).

Allerdings sei noch nicht klar ersichtlich, welche Aufgaben die Bezirke genau stemmen müssten, kritisierte Angelika Schöttler (SPD), Bürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg. Sie fürchtet, dass die Bezirke mit der Umsetzung des Gesetzes überfordert würden. Wegen des nötigen zusätzlichen Personals dürften die Bezirke „frühestens in einem Dreivierteljahr arbeitsfähig sein“, schätzt der Vize-Bürgermeister von Charlottenburg-Wilmersdorf, Arne Herz (CDU). Er fürchtet außerdem, dass der Mietendeckel „Investitionen in die Substanz“ verhindert.

["Mietenbremse, sozialer Wohnungsbau in sozial schwachen Gebieten und jetzt auch noch der Mietendeckel. Das alles ist Investoren-Vergraule. Das geht nicht, das fällt uns in ein paar Jahren schlimm auf die Füße." Im neuen Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Spandau finden Sie die Sicht des Baustadtrats - hier der Tagesspiegel-Link mit dem großen Interview.]

Treptow-Köpenicks Bürgermeister Oliver Igel (SPD) appellierte an den Senat, einen weiteren Schritt auf die Genossenschaften zuzugehen, damit diese notwendige Sanierungen weiter finanzieren könnten. Lichtenbergs Bürgermeister Michael Grunst nannte den Mietendeckel eine „dringend benötigte Atempause“. Er kündigte an, Lichtenberg würde sein hohes Tempo beim Neubau – rund 2000 Wohnungen im Jahr – beibehalten.

Was sagen die Banken?

Die Berliner Volksbank warnt schon vor möglichen Kreditausfällen. „Wir prüfen vor einer Darlehenvergabe einerseits den Wert der Immobilie, andererseits schauen wir auch, welche Mieteinnahmen zu erwarten sind“, erklärt Melanie Bähr, zuständig für das Firmenkundengeschäft. „Bislang haben wir dafür immer den Mietspiegel herangezogen, mit dem neuen Gesetz können die Einnahmen bei einigen Vermietern natürlich deutlich von unseren ursprünglichen Schätzungen abweichen.“ Um laufende Finanzierungen müssten die Wohnungseigentümer sich keine Sorgen machen, sagt Bähr - zumindest wenn die Tilgung fortläuft.

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„Ein Problem gibt es dann, wenn Kunden bemerken, dass sie aufgrund der geringeren Mieteinnahmen ihre Kredite nicht mehr so bedienen können, wie sie es zuvor getan haben", sagt Bähr. Bei einer Anschlussfinanzierung würden dann nämlich erneut der Wert der Immobilie ermittelt - dann aber unter kritischer Berücksichtigung der neuen Gesetzeslage.

„Diese Situation wird eintreten“, da ist sich Bähr sicher, es seien in der Vergangenheit viele Altbauwohnungen in guten Lagen teuer saniert und dann ebenso teuer neu vermietet worden. „Wenn diese Vermieter eine Anschlussfinanzierung brauchen, werden sie sich wundern.“ Wie viele Verträge davon betroffen seien, kann die Bank nicht sagen, „aber bei uns gibt es die Sorge, dass bei dem ein oder anderen der Kreditvertrag deutlich teurer wird und er sich die Immobilien deshalb nicht mehr leisten kann.“ Doch nicht nur für Vermieter, auch für die Unternehmensfinanzierung ist das neue Gesetz Gift. „Es gibt viele Handwerker, die einen Großteil ihres Geschäfts im Wohnungsbau machen. Die werden in den nächsten Jahren einen Umsatzrückgang hinnehmen müssen“, sagt Bähr. „Es stellt sich dann die Frage, inwiefern es ihnen gelingt, sich breiter aufzustellen und auch außerhalb Berlins Aufträge zu gewinnen“, sagt die Bankerin. „Gelingt das nicht, wird das auch bei der Vergabe von Krediten Konsequenzen haben. Für einige Unternehmen kann das brenzlig werden.“

Wie lange dauert es, bis das Gesetz rechtssicher ist?

Auch wenn der Mietendeckel in Kraft getreten ist, wird sich der Streit darum fortsetzen. Es gibt Überlegungen, den Berliner Verfassungsgerichtshof mit einem Normenkontrollantrag zu befassen. Dieses Verfahren der so genannten „abstrakten Normenkontrolle“ ist zulässig, wenn mindestens ein Viertel der Mitglieder des Abgeordnetenhauses dafür zusammenfinden und eine Vorschrift des Landesrechts wegen ihrer „förmlichen oder sachlichen Unvereinbarkeit mit der Verfassung von Berlin für nichtig hält“.

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Die Kläger können sich darauf stützen, dass die Berliner Landesverfassung wie auch das Grundgesetz eine Eigentumsgarantie enthält, die durch den Deckel verletzt sein könnte. Das Gericht gibt dem Senat sodann Gelegenheit für eine Stellungnahme. In seiner Entscheidung kann es den Mietendeckel dann für nichtig erklären.

In den vergangenen Jahren hat es nur zwei solcher Verfahren gegeben, weshalb Prognosen zum Ablauf schwierig sind. So kann das Gericht selbst entscheiden, ob es eine mündliche Verhandlung ansetzt oder alle Fragen in einem schriftlichen Verfahren klärt. Ein bis zwei Jahre kann das allerdings dauern.

Auch im Bundestag gibt es Rufe nach einer Normenkontrollklage - dann aber vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Manche argumentieren damit, dass der Mietendeckel in die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) eingreift und damit faktisch in Bundesrecht. Ein Verfahren in Karlsruhe würde aufgrund der Belastung des Gerichts aber eher noch länger dauern.

Unabhängig davon werden auch betroffene Immobilieneigentümer klagen, wenn sie den Deckel für ihre Verträge nicht akzeptieren wollen. Verlieren sie vor den Gerichten einschließlich dem Bundesgerichtshof, bleibt ihnen die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde, über die ebenfalls das Bundesverfassungsgericht entscheiden müsste.

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