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Aufmerksamer Zuhörer: "Michael Müller aus Tempelhof" (Regierender Bürgermeister) hat am Montagabend mit Bürgern über ihre Sorgen und Nöte gesprochen.

© Rainer Jensen/dpa

Michael Müller trifft Berliner Bürgerplattformen: Selfie mit dem Bürgermeister

Bürger engagieren sich für ihre Stadt, Michael Müller hört zu. Ein Abend auf dem Rütli-Campus - und viele Probleme, die die Menschen wirklich interessieren.

„O happy day“, singt der Gospelchor Miracle Voices von der Jesus Miracle Harvest Church zur Einstimmung. Alle klatschen andächtig mit. In dieser Stadt muss man an Wunder glauben, um etwas bewirken zu können. In den drei Berliner Bürgerplattformen Südost, Neukölln, Wedding/ Moabit sind derzeit 80 zivilgesellschaftliche Gruppen aktiv, sie erreichen durch direkte Beziehungen etwa 100.000 Menschen und wollen als gesellschaftliche Kraft wahrgenommen werden.

650 von ihnen sind an diesem Montagabend in die Turnhalle des Neuköllner Rütli-Campus gepilgert, um ihre Arbeit vorzustellen. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) ist auch vorbeigekommen. Alle haben sich schön angezogen, sind aufgeregt, haben sich auch schon Fragen und Wünsche überlegt. Die Jungs vom Fußballklub 1. FC Alkauthar zum Beispiel brauchen einen Trainingsplatz im heimischen Neukölln, der Platz in Treptow ist ihnen zu weit weg. Gegründet von der palästinensischen Großfamilie Iraki, sammeln sich in diesem Klub arabische, türkische, deutsche, polnische, rumänische Jungen und Männer. „Und wir vertragen uns gut, weil Fußball unsere gemeinsame Grundlage ist.“

Bürger berichten - und fordern

Doch erstmal heißt es zuhören. Die verschiedenen Gruppen stellen sich vor, stets mit persönlichen und lokalen Geschichten: Der Küchenchef Lutz Bormann aus Schöneweide erzählt von der Wendezeit, als plötzlich 20.000 Arbeitsplätze verloren gingen und sein Viertel auszusterben drohte. „Wir wollen keine Motzbürger sein, sondern etwas hinkriegen“, sagt er, und das haben sie in Schöneweide auch geschafft. Heute kommen 11.000 Studenten in die Hochschule für Technik und Wirtschaft. „Das Leben auf den Straßen ist zurück", sagt Bormann mit hoher Kochmütze und wendet sich direkt an Bürgermeister Müller: „Ich habe schon die meisten Ihrer Vorgänger bekocht, da können Sie auch etwas für uns tun.“

Aisha Temiz ist aus einem türkischen Dorf aufgewachsen, hat hier in Berlin sechs Kinder aufgezogen. „Als Kind konnte ich mein ganzes Dorf bewegen“, sagt die energische Frau, „und jetzt kann ich mit ihnen allen diese Stadt bewegen.“ Konkret heißt das: Leute zur Ausländerbehörde begleiten, mit dem Leiter der Ausländerbehörde sprechen, damit der Tonfall der Sachbearbeiter sich bessert.

Michael Kleineberg berichtet von einem Brückenbau in Schöneweide und von der Befriedung der Edisonstraße, deren Lärm unerträglich war. Durch seine Initiative konnte eine neue Straße gefunden, die Kleingärtner dort einvernehmlich umgesiedelt werden. „Wenn man miteinander spricht, gelingt vieles, was den Behörden der Stadt nicht gelingt.“

Engagement lohnt sich - schon in jungen Jahren

Auch die jungen Bürgerplattformen kommen zu Wort. Die jungen Berliner Moslems berichten davon, dass sie nach den Anschlag auf Charlie Hebdo auf der Straße angepöbelt und bespuckt wurden. Sie haben Gruppen gebildet, in denen sie gemeinsam Basketball spielen, Deutschunterricht für Flüchtlingskinder geben. Sie sind integriert und wirken integrativ, darauf sie sind sie stolz.

Die Bürgerplattformen sind religiös und parteipolitisch unabhängig, sie verzichten auf Steuergelder, finanzieren sich durch Mitgliedsbeiträge. Die Kraft ihres gesellschaftlichen Engagements wird an diesem Abend für alle spürbar. Es lohnt sich, etwas in dieser Stadt zu tun.

Und der Regierende hört lange zu. Fast eine Stunde dauert es, bis er auf die Bühne kommt. Jackett, offenes Hemd, Hand in der Hosentasche, er stellt sich ganz bescheiden vor: „Michael Müller aus Tempelhof“. Auch er kann eine Geschichte erzählen, wie er sich selbst einen Ausbildungsplatz besorgt hat und dass zu Hause alle mit anfassen mussten, wenn es im elterlichen Betrieb nicht lief. Er hoffe, dass er sich die Bodenständigkeit bewahre: „Meine Freunde sind Handwerker oder bei der Polizei.“ Da applaudieren alle.

Er kann nichts Konkretes versprechen, doch will er sich einsetzen, dass man in den bewährten Runden weiterarbeitet, Zugang zu den richtigen Gesprächspartner bekommt. „Und in einem Jahr lade ich euch alle zu Kaffee und Kuchen ins Rote Rathaus ein!“ Dankbarer Beifall. Es darf nun auch noch ein Selfie mit dem Herrn Bürgermeister gemacht werden. Die Jungs vom Fußballklub 1. FC Alkauthar aber müssen mit dem Neuköllner Trainingsplatz noch warten.

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