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Im Zeichen des Kreuzes. Elia Hosseini und Pastor Gottfried Martens in der Steglitzer Dreieinigkeitskirche.

© Björn Kietzmann

Messias statt Mohammed: Viele Iraner in Berlin lassen sich taufen

Elia Hosseini musste aus dem Iran fliehen, weil er zum Christentum gefunden hatte. Immer mehr seiner Landsleute lassen sich in Berlin taufen. Wer zurückkehren muss, hat in der Heimat Verfolgung zu befürchten.

„Das Christentum bedeutet für mich Freiheit.“ Elia Hosseini sitzt in einer Bank der lutherischen Dreieinigkeitskirche an der Steglitzer Südendstraße. Der Kirchsaal ist menschenleer, nur das beleuchtete Kreuz hinter dem Altar strahlt gelb leuchtend in das Kirchenschiff hinein. „Ich komme gerne hierher“, sagt Hosseini. Im September 2012 kam der 20-Jährige als Asylbewerber aus dem Iran nach Deutschland. Sein psychisch kranker Vater wollte ihn töten, weil er in seinem Heimatland mit einer christlichen Gemeinde in Kontakt gekommen war. „Mein Vater ist strenggläubiger Moslem“, sagt Hosseini.

Doch für Elia Hosseini war die Anwesenheit beim Freitagsgebet eher eine lästige Pflicht, der Glaube ein Zwang, den er für den Vater erfüllen musste. Mit der islamischen Religionspolizei bekam er Ärger, als er an einem Feiertag im Autoradio Musik hörte, schließlich lud ihn ein Freund in eine christliche Untergrundgemeinde ein. Doch als der Vater mit dem Messer drohte, war es für Hosseini Zeit zu gehen. In Deutschland fand er durch einen Cousin Anschluss an die lutherische Gemeinde in Steglitz. „Letztes Jahr haben wir Elia getauft“, sagt Gottfried Martens. Der Pastor der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) erlebt seit etwa zwei Jahren einen unerwarteten Zuwachs an Gläubigen: Gut 300 Flüchtlinge aus dem Iran und aus Afghanistan sind in den letzten Jahren seiner Gemeinde beigetreten. Auch am heutigen Sonntag finden wieder Taufen statt. „Wir spüren, dass die Menschen ein großes Interesse am Christentum haben“, sagt Martens. Gezielt umworben hat er die Flüchtlinge nicht: Zwei Iraner, die sich vor einigen Jahren in Leipzig taufen ließen, kamen in seine Gemeinde. Irgendwann brachten sie Freunde mit. Die Mundpropaganda setzte ein und wirkte – bis zum Cousin von Elia Hosseini.

„Mir gefällt am Christentum, dass ich nicht gezwungen bin, irgendwelche Gebete zu sprechen oder in einen Gottesdienst zu gehen“, sagt Hosseini. „Ich kann es freiwillig tun.“ Das sei anders als im Islam, wo genau vorgegeben sei, wann man welches Gebet sprechen müsse. „In unserer Kirche haben die Menschen Freude an ihrer Religion, sie singen fröhlich im Gottesdienst“, sagt Hosseini. „In der Moschee im Iran mussten wir manchmal sogar weinen.“

In der Gemeinde freilich sah man sich oft mit einem bösen Verdacht konfrontiert: „Immer wieder hören wir die Unterstellung, die Menschen kämen nur zu uns, um nicht in den Iran abgeschoben zu werden“, sagt Martens. Denn der Übertritt zum Christentum ist ein mögliches Abschiebehindernis. Doch diesem Verdacht widerspricht Martens energisch: „Wir haben mittlerweile einmal im Monat einen Taufgottesdienst mit jeweils einem guten Dutzend Täuflingen“, sagt Martens. Und mehr als 90 Prozent der Menschen, die sich in der Gemeinde taufen lassen, bleiben anschließend dabei. „Von denen, die seit 2012 gekommen sind, lässt sich höchstens eine Handvoll kaum noch blicken.“

Bestätigen kann das auch Schwester Rosemarie Götz. Die Diakonisse aus der Landeskirchlichen Gemeinschaft Haus Gotteshilfe in der Neuköllner Werbellinstraße erlebt in ihrer Gemeinde dasselbe Phänomen: Immer mehr Iraner interessieren sich für den christlichen Glauben, besuchen den Taufunterricht, lassen sich taufen – und bleiben in der Gemeinde aktiv. „Mittlerweile haben die Iraner in unserem Gottesdienst fast alle Aufgaben übernommen“, sagt Schwester Rosemarie. „Sie begrüßen die Menschen, teilen Gesangbücher aus, sammeln die Kollekte und lesen die Bibeltexte.“ Und einige seien auch als Flüchtlinge anerkannt und hätten einen Job gefunden.

Doch die übergroße Mehrheit unter Berlins neuen Christen lebt weiter in Asylbewerberheimen. Manche fürchten die Abschiebung als Dublin-II-Flüchtlinge nach Italien oder Ungarn – oder gar in den Iran. „Als eine schwerbehinderte Frau abgeschoben werden sollte, hatten wir deswegen sogar ein Kirchenasyl in unserer Gemeinde“, sagt Pastor Gottfried Martens. „Der Kirchenvorstand war damals einstimmig dafür – und das, obwohl er eigentlich sehr konservativ eingestellt ist.“

Pastor Martens jedenfalls hat sich inzwischen zu einem Spezialisten für die Fallstricke des deutschen Asylrechts entwickelt. „Wir versuchen alles, damit die Menschen in Deutschland bleiben können“, sagt Martens. „Denn wir wissen: Wer als Christ in den Iran zurückkehrt, auf den wartet im günstigsten Fall Verfolgung.“

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