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Aufgeblasen. Dafür halten die einstigen Manager die Schadstoffprobleme im Internationalen Congress Centrum.

© Kai-Uwe Heinrich

Messegebäude in Charlottenburg: ICC Berlin: Ex-Manager fordern Sanierung

Das ICC sei weit weniger schadstoffbelastet, als Senat und Messe behaupten, sagen zwei Ex-Manager. Der Senat gefährde ohne Not eines der markantesten Gebäude Berlins.

Sie haben Berlins schwierigste bauliche Altlast errichtet – und sie jahrzehntelang für die Messe Berlin betrieben. Kaum jemand kennt das angeblich abrissreife Internationale Congress Centrum (ICC) am Messedamm so gut wie Heinz Oeter und Lothar Schmidt.

Nun behaupten die beiden Ingenieure im Ruhestand: Der Senat gefährde ohne Not eines der markantesten Gebäude Berlins, statt es wieder in Betrieb zu nehmen. Zumal das viel billiger käme als ein Abriss, wo schon der Notbetrieb des Geisterhauses mehr als eine Million Euro im Jahr verschlingt.

Der Streit um das ICC schwelt seit Jahren

Der Streit um das ICC schwelt seit Jahren. Und ebenso lange wabern die Gerüchte über das modernistische Wahrzeichen West-Berlins: Asbestverseucht sei es und dürfe nicht mehr genutzt werden – Flüchtlinge quartierte der Senat dort trotzdem ein. Auf gerade einmal 30 Millionen Euro schätzte ein Gutachten der Messe die Abrisskosten – unglaubwürdig nannten das Experten.

Ein weiteres Gutachten taxierte den Abriss später auf 330 Millionen Euro. Da will der Senat doch lieber sanieren. Aber bei der Messe heißt es: Nach dem Auszug der Flüchtlinge im September wird das Gebäude wieder „in Stillstand“ versetzt.

Als „empörte Bürger“ stellen sich Heinz Oeter und Lothar Schmidt vor

Als „empörte Bürger“ stellen sich Heinz Oeter und Lothar Schmidt vor, die sich über die Verschwendung von Steuergeldern im Umgang mit dem ICC ärgern. Oeter war Chef von Krupp Stahlbau in Berlin. Er verantwortete beim ICC den Bau der Stahlkonstruktion.

Lothar Schmidt war bis vor zwei Jahren Bauchef der Messe und kennt das ICC wie seine Westentasche. Jahrzehntelang wartete er es und hielt es in Betrieb für Aktionärsversammlungen von Daimler und hunderte anderer Topkunden der Messe.

Senat hat keine eindeutige Haltung

Beide wissen bestens, wovon sie reden, und fordern: „Jetzt wo das Gebäude nicht mehr zur Unterbringung von Flüchtlingen gebraucht wird, muss der Senat sofort mit der Planung der Sanierung beginnen.“

Doch der Senat ringt sich auf Anfrage nicht zu einer eindeutigen Haltung durch.

Die Finanzverwaltung verweist auf die „Senatsverwaltungen für Wirtschaft sowie Stadtentwicklung und Wohnen“, diese seien „federführend“ zuständig. Deren Sprecherin Katrin Dietl sagt: „Eigentümer des ICC ist die Messe Berlin. Diese ist auch für die bauliche Unterhaltung zuständig.“

„Eigentümer ist das Land Berlin, wir sind nur Pächter“

Die Messe widerspricht: „Eigentümer ist das Land Berlin, wir sind nur Pächter“, sagt Sprecher Emanuel Höger. „Im ICC sind die Schadstoffe Asbest und Künstliche Mineralfasern (KMF) nachgewiesen“, und zwar „weitgehend im gesamten Gebäude verteilt“.

Der Tüv habe „aufgrund des Instandsetzungsbedarfes der technischen Gebäudeausrüstung einen weiteren Betrieb des ICC nach 06/2014 untersagt“. Für die Sanierung sei der Eigentümer, also der Senat zuständig. Und derselbe müsse auch entscheiden, ob das ICC nach einer Sanierung überhaupt wieder von der Messe genutzt werden soll.

„Wir haben beim Bau des ICC keinen Spritzasbest verwendet, sondern Kafko“

Unsäglich finden Schmidt und Oeter die Hängepartie. Sie stoßen sich vor allem an den hartnäckigen Gerüchten über eine angebliche Asbestverseuchung. Die beruhten auf falschen Annahmen eines „interessengerichteten“ Gutachtens aus dem Jahre 2005, das den Abriss des ICC zum Ziel hatte. „Wir haben beim Bau des ICC keinen Spritzasbest verwendet, sondern Kafko“, sagt Ex-Krupp-Manager Oeter. Der damals neue Baustoff aus den USA zum Schutz vor Bränden wird seit dieser Zeit überall eingesetzt.

Warum Kafko statt Spritzasbest?

Warum er Kafko statt Spritzasbest einsetzte? „Weil es billiger war“, sagt Oeter. Aus einer Dokumentenmappe zieht er den „Untersuchungsbericht 38/2009“ hervor. Darin bestätigt das „Ingenieurbüro für Bauwerkuntersuchung Blische – Mudrack“ nach der Untersuchung einer Materialprobe, „kein Asbest“ und „kein PAK“ (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe).

Ganz schadstofffrei ist das ICC aber nicht

Ganz schadstofffrei ist das ICC aber nicht. Ex-Messemanager Schmidt machte sich mit Experten im Auftrag der Messe auf die Suche nach gesundheitsgefährdenden Baustoffen und entdeckte einige Dutzend: Im Keller sind bei Ummantelungen von Rohren und Klappen sogar Asbestplatten zu finden.

Die Baufirmen setzten auch „Mineralfasern“ ein, „Glaswolle“ zur Dämmung zählte dazu. Das alles müsse natürlich raus. „Aber das letzte Gutachten zur Beseitigung von Asbest und Mineralfasern schätzt die Kosten dafür auf 45 Millionen Euro“, sagt Schmidt.

Unter 300 Millionen Euro käme der Senat nicht davon

Das ist weit entfernt von einem wirtschaftlichen Totalschaden, bei dem ein Abriss billiger käme. Zumal die Kosten dafür bisher schöngerechnet worden seien. Beim Komplettabriss wäre auch die Schadstoffsanierung teurer. „Mehr als 100 Millionen Euro würde das kosten“, sagt Schmidt – erst danach könnte überhaupt der Abbau starten. Unter 300 Millionen Euro käme der Senat nicht davon.

Warum macht die Messe trotzdem keinen Druck?

Warum die Messe trotzdem keinen Druck macht – und lieber einen weiteren Cube-Neubau hinstellen als das ICC anfassen würde? „Weil die Vermietung nackter Messehallen an Aussteller, die ihren Stand und die Technik dazu selbst mitbringen, mehr Gewinn bringt“, sagt Schmidt.

Im ICC ist alles inklusive, was einen höheren Personaleinsatz der Messe erfordere. „Aber das ist auch beim Estrel- Kongress-Zentrum so“, sagt er. Die Rechnung gehe bei solchen Bauten überall nur durch die Zusatzeinnahmen auf: von Hotels und Gastronomie und den Summen, die Messebesucher sonst in der Stadt ausgeben.

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