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Angela Merkel im Bundestag, Oktober 2021

© Hannibal Hanschke/Reuters

Merkel spricht von Machtlosigkeit zum Amtszeitende: „Putin war nicht mehr zu Gipfeltreffen bereit“

Die frühere Kanzlerin räumt schwindenden Einfluss am Ende ihrer Amtszeit ein. Und schließt nicht aus, dass Putin mit seinem Angriffskrieg darauf gewartet hat.

Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat nach eigenen Worten im vergangenen Jahr vergeblich versucht, Gespräche mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über eine europäische Sicherheitsordnung zu organisieren. Putin sei nicht mehr zu einem Gipfeltreffen im sogenannten Normandie-Format mit Vertretern Russlands, der Ukraine, Deutschlands und Frankreichs bereit gewesen, sagte die CDU-Politikerin.

„Einerseits war Putin nicht mehr zu einem Gipfeltreffen im Normandie-Format bereit“, sagte Merkel den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Samstagausgaben). „Andererseits gelang es mir auch nicht, neben dem Normandie-Format ein zusätzliches europäisch-russisches Gesprächsformat über eine europäische Sicherheitsordnung zu schaffen“.

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Das Normandie-Format war seit 2014 ein Forum, in dem Russland und die Ukraine unter Vermittlung von Deutschland und Frankreich Gespräche führten. Wichtigster Verhandlungserfolg war das Minsker Abkommen von 2015 für eine Friedenslösung in der Ukraine, dessen Umsetzung aber in den darauffolgenden Jahren nicht gelang.

„Verschiedene wirkungslose Versuche im vorigen Jahr“

Merkel räumte in dem Interview eigene Machtlosigkeit zum Ende ihrer Amtszeit ein: „Es war ja klar, dass ich nicht mehr lange im Amt sein würde“, sagte sie. „Und so muss ich einfach feststellen, dass verschiedene Versuche im vorigen Jahr nichts mehr bewirkt haben.“

Dazu, ob Putin mit seinem Überfall auf die Ukraine gewartet habe, bis sie nicht mehr im Amt sei, sagte Merkel: „Mein Ausscheiden kann ein Beitrag gewesen sein wie zum Beispiel auch die Wahl in Frankreich, der Abzug der Truppen aus Afghanistan und das Stocken der Umsetzung des Minsker Abkommens.“

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Merkel schloss nicht aus, zu einem späteren Zeitpunkt in dem Konflikt vermitteln zu können. Auf die Frage, ob sie dafür zur Verfügung stünde, antwortete sie: „Diese Frage stellt sich derzeit nicht.“

Mit Blick auf Europas Sicherheitsordnung sei der Kalte Krieg nicht überwunden, betonte die frühere Regierungschefin. Putin müsse ernst genommen werden. Sein brutaler Überfall auf die Ukraine sei eine Zäsur in der europäischen Nachkriegsgeschichte, die noch über viele Jahre Auswirkungen haben werde.

Merkel stützte dabei den Kurs ihres Nachfolgers Olaf Scholz (SPD). „Deshalb finde ich es richtig, wie der Westen sich für die Existenz der Ukraine einsetzt, ohne Teil der direkten militärischen Auseinandersetzung zu werden“, sagte sie.

Was sie im Ruhestand plant

Merkel will nach ihrer 16-jährigen Kanzlerschaft in ihrem neuen Lebensabschnitt den Westen Deutschlands näher kennenlernen. „Ich bin selten zweckfrei in den alten Bundesländern gewesen“, sagte sie. „Ich bin nie einfach so auf der Loreley gewesen oder an der Moselschleife oder alleine im Trierer Dom oder Speyerer Dom“, ergänzte die in Ostdeutschland aufgewachsene Merkel. Sie habe bisher nur wenig gemacht, was viele Menschen gern und selbstverständlich unternähmen, sagte Merkel. „Ich gehe jetzt in den Teil meines Lebens, der mir bisher verwehrt war. Als Mensch.“

Ihre politische Zeit über gut 30 Jahre sei eine große Ehre gewesen. Darüber sowie über ihre Kindheit und Jugend in der DDR werde sie mit ihrer langjährigen Büroleiterin Beate Baumann ein Buch schreiben, betonte Merkel. (AFP, dpa)

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