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Gefährliche Körperverletzung, Diebstahl, räuberischer Erpressung, Verstoß gegen das Waffengesetz - die Liste von Ahmad A.´s Straftaten ist lang.

© dpa

Mehrere Aliasnamen und Nationalitäten: Wie ein Berliner Straftäter immer wieder der Ausweisung entging

22 Mal verurteilt, 27 Mal geduldet: Ahmad A., genannt „Patron Miri“, gilt als „Gefahr für die Allgemeinheit“. Abgeschoben wird er nicht.

Am 24. Februar 2019 versetzte Ahmad A. vor einer Shisha-Bar in Berlin-Mitte nachts offenbar grundlos einem Mann einen Faustschlag. An den Fingern hatte er einen Schlagring. In der Silvesternacht 2018/2019 jagte er aus einer Schreckschusspistole in Moabit eine Leuchtpatrone in den Himmel. Die juristischen Folgen im Januar 2020: eine Gesamtstrafe von zwei Jahren und drei Monaten Haft.

In der Öffentlichkeit nennt sich Ahmad A. gerne „Patron Miri“. Er soll enge Kontakte in die Berliner Gangsta-Rap-Szene pflegen. Im August 2019 wurde er wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in elf Fällen zu einem Jahr und sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

Beide Urteile sind nach der Rücknahme von Berufungen rechtskräftig, aus verfahrenstechnischen Gründen wurden die Verfahren zusammengezogen. Das Landgericht muss nun eine Gesamtstrafe verkünden. Der zuständige Staatsanwalt hat auf jeden Fall schon eine Strafe beantragt. Wie hoch sie ist, wollte Martin Steltner, der Pressesprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, nicht sagen. Noch aber steht das Urteil aus, noch ist „Patron Miri“ auf freiem Fuß.

Und er ist weiterhin in Deutschland, geschützt durch seine 27. Duldung.

Er hat eine lange Geschichte, der Mann, dessen Asylantrag zweimal abgelehnt wurde, der 22 Mal unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, Diebstahl, räuberischer Erpressung, Verstoß gegen das Waffengesetz und Fahrens ohne Führerschein verurteilt wurde. Der Behörden drei verschiedene Versionen über seine Nationalität verkündete, der bei der Justiz unter mindestens neun Aliasnamen bekannt ist, der vier verschiedene Geburtsjahre angegeben hat. Der Mann, von dem nach Ansicht des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine „Gefahr für die Allgemeinheit“ ausgeht.

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Aber Ahmad A. wird nicht abgeschoben, weil er – nach seiner letzten Version – Syrer ist und einen syrischen Pass vorgelegt hat. Nach Syrien schiebt Deutschland aktuell nicht ab. Ahmad A. kam im Dezember 1989 als vermutlich Achtjähriger nach Deutschland – allerdings nicht aus Syrien, sondern aus dem Libanon. Er kam in Begleitung seines Vaters. 1992 scheiterte ein erster Asylantrag, wegen fehlender Reisepässe durften die beiden bleiben.

Die kriminelle Laufbahn des Ahmad A. begann früh. Im April 2000 erhielt er nach Recherchen des Tagesspiegels wegen mehrerer Delikte eine Gesamtjugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Bis 2008 folgten Verurteilungen wegen Diebstahls, Bedrohung, Körperverletzung und Fahrens ohne Fahrerlaubnis.

Der geduldete Ahmad A. klagte vor dem Verwaltungsgericht gegen seine geplante Ausweisung. Die Klage wurde 2002 abgewiesen, seine Ausweisung war damit rechtskräftig. Bis dahin hatte er den Behörden gegenüber offenbar erklärt, er sei Kurde.

In Deutschland blieb Ahmad A. trotzdem. Fünf Jahre später beantragte er eine Aufenthaltserlaubnis. Nun gab er humanitäre Gründe an. Denn auf einmal war von kurdischer Volkszugehörigkeit keine Rede mehr. Nun erklärte Ahmad A., er sei Palästinenser. Der Anwalt von Ahmad A. wollte sich auf Anfrage des Tagesspiegels mit Hinweis auf die Schweigepflicht nicht äußern.

Das Landesamt für Einwanderung wollte zum Fall Ahmad A. keine Angaben machen

Malgorzata Peuker-Minecka, die Pressesprecherin des Landesamt für Einwanderung (LEA) Berlin, wollte konkret zum Fall Ahmad A. keine Angaben machen. Allerdings erklärte sie Gründe, weshalb jemand, der rechtskräftig abgeschoben werden kann, trotzdem das Land nicht verlassen muss. „Mit der Ausweisung verbunden ist das Erlöschen eines Aufenthaltsrechts und ein Aufenthaltsverbot. Der Betroffene wird ausreisepflichtig, was unter Umständen eine Abschiebung nach sich zieht, insbesondere wenn die freiwillige Ausreise nicht gesichert ist.“

Allerdings: Die Ausreisepflicht müsse ausgesetzt werden, wenn eine Abschiebung aus verschiedenen Gründen nicht möglich sei. Zum Beispiel, weil keine Reisedokumente vorhanden seien, keine Rücknahmebereitschaft eines Staates bestehe oder die betroffene Person zum Beispiel krank oder reiseunfähig sei. Und Ahmad A. wollte unbedingt in Deutschland bleiben, er stellte einen Folgeantrag auf Asyl.

Die Justiz beschäftigte sich weiter mit seinem Fall. Zwischen 2009 und 2011 folgten drei Verfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, zusammengefasst in einer Gesamtstrafe: ein Jahr Gefängnis, keine Bewährung.

2012 teilte er der Ausländerbehörde mit, dass er seine Identität geklärt habe

Im November 2012 teilte Ahmad A. der Ausländerbehörde mit, dass er seine Identität nun geklärt habe. Er sei Syrer. Entsprechende Dokumente, die seine Staatsangehörigkeit und seine Personalien bestätigten, seien unterwegs nach Berlin. Er sei in Amado in Syrien geboren worden, zugleich nannte er auch A. als seinen Namen. Unter diesem wurde er im November 2019 angeklagt.

Zuvor hatte er neun verschiedene Namen benutzt. Auch bei den jeweiligen Geburtsdaten dieser Personalien ging es wild durcheinander. Mal der 28. April 1981, dann wieder der 31. Dezember 1982. Ein anderes Mal gibt er 1980 oder auch 1984 als Geburtsjahr an.

Ob die Dokumente aus Syrien tatsächlich angekommen sind, ist nicht bekannt. Allerdings steht fest, dass Ahmad A. einen syrischen Pass vorgelegt hat. Nur muss das nicht automatisch bedeuten, dass er tatsächlich Syrer ist. Auf dem Schwarzmarkt kann man syrische Blankopässe kaufen.

Durch Bestechung von syrischen Beamten könne man einen echten Passe bekommen - für derzeit 900 Euro

Aus Sicherheitskreisen ist zu hören, dass man durch Bestechung von syrischen Beamten einen echten Pass bekomme. Derzeit liege der Preis bei 900 Euro. Wenn ein Pass als echt anerkannt wird, hat die Behörde keine Chance, die Nationalität zu bezweifeln. Eine Ausweisung ist damit vorerst unmöglich. Seit 2012 wird nicht nach Syrien abgeschoben.

Amado ist der dritte Name, den Ahmad A. als Geburtsort angibt. Für seine Aliasnamen hatte er etwa Beirut und Ückavak in der Türkei angegeben. Wechselnde Namen, Geburtsjahre, Nationalitäten: Ab wann wird so etwas unglaubwürdig? Wie reagiert eine Behörde in so einem Fall?

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Stefan von Borstel, Sprecher des BAMF, geht nicht auf A. ein, er antwortet allgemein: „Falschangaben zur Identität sind im Asylverfahren bisher nicht strafbar. Sie führen auch nicht zwingend zu einer negativen Entscheidung im Asylverfahren. Im Asylverfahren wird geprüft, ob individuelle Fluchtursachen vorliegen und ob Schutz gewährt werden kann. Die etwaige Schutzgewährung ergibt sich aus der Würdigung aller Erkenntnisse, die im Asylverfahren vom Bundesamt ermittelt werden.“

Wenn ein Asylsuchender falsche Angaben zu seiner Identität mache oder gefälschte Personaldokumente in dem Verfahren vorlege, werde dies immer in der Gesamtbewertung, etwa als Anhaltspunkt für die Glaubwürdigkeit der geschilderten Fluchtgründe, berücksichtigt.

A. gilt nicht mehr als Asylbewerber, seit 1993 ist er nur geduldet

Falschangaben oder gefälschte Personaldokumente müssten jedoch nicht automatisch zu einer negativen Entscheidung führen, da das Bundesamt dazu verpflichtet sei, die individuelle Gefährdung im Herkunftsland zu berücksichtigen. In manchen Fällen könnten Antragsteller ihre Herkunftsländer nur mithilfe gefälschter Pässe verlassen.

Aber A. gilt nicht mehr als Asylbewerber, er ist seit 1993 nur geduldet. 2014 lehnte das BAMF auch seinen Asylfolgeantrag ab. Ahmad A. sei kein Flüchtling im Sinn der gesetzlichen Definition. Subsidiärer Schutz könne Ahmad A. nicht gewährt werden, da er wegen schwerer Straftaten rechtskräftig verurteilt worden sei. Außerdem gehe von Ahmad A. eine „Gefahr für die Allgemeinheit“ aus. Der selbst erklärte „Patron Miri“ ging gegen diesen Beschluss nicht weiter vor.

Er nahm aber eine befristete Duldung nach der anderen entgegen. Auch die Zahl seiner Verurteilungen nahm regelmäßig zu. Mittlerweile hat der Vater von drei Kindern, nach eigenen Angaben im Management von Künstlern beschäftigt, 22 eingetragene Straftaten im Bundeszentralregister. Als er im November 2019 mal wieder vor Gericht stand, stand in der Anklageschrift als Geburtsjahr: 1981.

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