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Blechbläser im Schattenriss vor Sonnenuntergang hinter dem Fernsehturm am Alexanderplatz in Berlin.

© Paul Zinken/dpa

Mehr als 100 Livestreams am 21. Juni: Diese Konzerte bei der Fête de la Musique dürfen Sie nicht verpassen

Die Fête de la Musique findet auch in der Coronakrise statt. Das sind die Tipps der Autorinnen und Autoren unserer „Leute“-Bezirksnewsletter.

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Den Chor RiPiTiKi gibt es seit 2014, er probt eigentlich jeden Mittwoch von 19 bis 20.30 Uhr im Nachbarschaftsladen „Halk Kösesi“ in der Crellestraße 38. Seit März haben die Mitglieder meistens über Skype gesungen.

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Und seit einigen Wochen stellen sie sich in einer stillen Ecke des Naumann-Parks mit einigen Metern Abstand auf, kämpfen gegen den Wind, der sowohl die Viren als auch die Noten weg weht. Beim Online-Singen entstand auch ein Video mit dem schönen Titel „Corona, ne Du kriegst uns nicht“.

Die Leiterin ist Katerina Blížkovská, in Tschechien geboren, in Brüssel aufgewachsen, studiert sie mittlerweile Musik an der Universität der Künste. Die Mitglieder stammen fast alle aus dem Crellestraßenkiez, einige hatten zuvor keine, andere viel Chorerfahrung; aber alle haben „sehr viel Freude und Lust am Singen“.

Derzeit werden noch dringend Tenöre gesucht. Das Repertoire reicht von Stücken aus der Renaissance hin zu mehrstimmigen Arrangements von Popsongs, Jazzstandards und Volksliedern aus aller Welt.

Und was bedeutet der Name? RiPiTiKi kommt von der Lieblingsstimmübung des Chors. Dabei spricht und singt man „Ri Pi Tik Ki“, um die Zwerchfellatmung zu trainieren.

RiPiTiKi möchte zur Fête de la Musique am Sonntag ab 17 Uhr auf dem Crelle-Platz (Crellestraße/Ecke Helmstraße) ein Mini-Konzert veranstalten, selbstverständlich mit einigen Metern Abstand zwischen den 14 Sängern und Sängerinnen. „Der Platz bietet die nötige Größe dafür“, sagt Chormitglied Rupert Haag. Sigrid Kneist

Jailhouse-Rock aus Köpenick

Ganz offiziell nehmen 66 Künstlerinnen und Künstler, eingesperrt in 66 Zellen im ehemaligen Gefängnis von Köpenick, an der Fête teil. Neben Musikern auch Maler, Bildhauer, Tänzer und Schauspieler. Allerdings entstehen ihre Werke nicht gleichzeitig, sondern nacheinander.

Das Projekt ist schon im April angelaufen, die ersten Ergebnisse können auf Youtube begutachtet werden. Die Künstler performen praktisch in Isolationshaft – was dabei herauskommt, wird ins Netz gestellt beziehungsweise gestreamt.

„Das Experiment läuft zweigleisig: In getrennten Zellen sitzen in einer „Jail-Session“ jeweils zwei Künstler*innen aus unterschiedlichen Disziplinen. Auf der einen Seite entsteht etwas Visuelles, für die Kamera Sichtbares – auf der anderen der musikalische Soundtrack dazu.“

Das kann konkret bedeuten: Ein Cellist spielt Bach, eine Malerin kümmert sich um die Wände, Kinder bespielen den Zellenboden mit Kreide. Am Montag und Dienstag zwischen 17 und 19 Uhr werden weitere Live-Performances in die Welt hinausgeschickt. Im Rahmen der Fête de la Musique werden die „Jail-Sessions“ ebenfalls ausgestrahlt.

Im Köpenicker Gefängnis sind Kommunisten von den Nazis eingesperrt und misshandelt worden, später wurden DDR-Flüchtlinge hier eingesperrt, seit Mitte der 60er Jahre steht das Gebäude leer. Die Künstler wollen die Knast-Mauern mit Musik, Tanz und Malerei zum Einsturz bringen – oder zumindest unschädlich machen. Thomas Loy

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Rap und Hip Hop vom Kreuzberger Balkon

Zur Fête senden Jugendliche der StreetUniverCity und der benachbarten NaunynRitze ein Konzert vom Balkon. Beide Jugendtreffs sind außerschulische, kulturelle Lernorte für Jugendliche von 15-25 Jahren. Ludovico Siebert, 16 Jahre alt, kümmert sich darum, dass mit der Streaming-Technik alles klappt, denn zu Menschenansammlungen soll es in der Kreuzberger Waldemarstraße nicht kommen.

Um 16.30 Uhr starten zwei DJanes – 12 und 13 Jahre alt – von der NaunynRitze. Danach übernimmt das Team der StreetuniverCity bis 20 Uhr das Mischpult. Gespielt wird Hip Hop, Rap über Oriental Style für Kids und Jugendliche. Drob Dynamic moderiert das Streaming, seit zehn Jahren gibt der Kreuzberger Rapper interessierten Jugendlichen im S.U.B.-Studio Rap- und Hip-Hop Workshops. Der Stream ist hier verfügbar. Corinna von Bodisco

Hits für den Hausblock in Spandau

Viele Aufträge sind DJ Dawn wegen Corona weggebrochen. Jetzt spielt er für seine Nachbarn.
Viele Aufträge sind DJ Dawn wegen Corona weggebrochen. Jetzt spielt er für seine Nachbarn.

© privat

DJ Dawn, der eigentlich Christian Arndt heißt und Lehramtsanwärter ist, will seine Anlage am Sonntag in der Heerstraße 205-215 vor den Balkonen aufbauen und ab 15 Uhr Musik auflegen, die zu den Hausgemeinschaften passt: gemischt, wie er sagt. Im Interview spricht er über seine Musik – und sein Verhältnis zu Spandau.

Warum legen Sie bei der Fête auf?
Unser großer Wohnblock befindet sich zwischen Havel, also der Scharfen Lanke, und dem Grimnitzsee mit einer tollen jungen und alten Mieterschaft. Jeder kümmert sich um jeden und niemand ist anonym – ein Seltenheitswert. Es ist mir ein Bedürfnis, in diesen schwierigen Zeiten dieser Wohngemeinschaft ‚Danke‘ für dieses Miteinander zu sagen. Außer in meinem Wohnblock in der Heerstraße bin ich im Moment noch im Gespräch, auch am Vormittag in einem Seniorenwohnheim Musik zu spielen.

Und sonst?
Sonst lege ich als DJ seit 15 Jahren überwiegend bei Hochzeiten, Firmenfeiern und Geburtstagen auf. Durch die Corona-Krise sind alle Aufträge weggefallen. Gerade in dem Feier-Bereich gibt es leider keine gute Perspektive für uns Dienstleister.

Welcher Song geht gut in Spandau?
Im Moment finde ich es passend, „You’ll never walk alone“ zu spielen. Anderen Menschen Kraft geben, denen es schlechter geht oder die alleine sind, finde ich wichtig. Sonst spiele ich gerne in Spandau „Dickes B“ von Seeed. Da ich eine breitgefächerte Musikauswahl habe, gibt es für jede Altersgruppe einen passenden Song. Von Apache 207, Udo Jürgens, Elvis Presley, Felix Jaehn oder Kerstin Ott.

Und welcher Song geht nicht so gut in Spandau?
Musik von Michael Wendler wird nicht so sehr gemocht.

Und wenn Sie keine Musik machen?*
Dann ist mir die Familie am wichtigsten. Ich habe ein Zweitstudium auf Lehramt vor einiger Zeit begonnen und arbeite als Lehrer in einer Spandauer Schule. Kurzum: Ich bin Lehramtsanwärter. Die Fragen stellte André Görke. Hier finden Sie das Interview im Original - im Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Spandau.

Doppelt digitale Kunst in Neukölln

„Boom“ beschreibt gut wie sich das Jahr 2020 bis jetzt anfühlt. Es ist auch das Motto des Kunstfestivals 48 Stunden Neukölln, das sich dieses Jahr mit der Fête de la Musique überschneidet. Erstmals finden beide Festivals fast ausschließlich online statt – dafür haben sie sich zusammengetan.

Am Fête-Sonntag überträgt das 48-Stunden-Festival aus der Neuköllner Oper drei Konzerte. Ab 16 Uhr erklingt Wolf & Moon, eine niederländisch-deutsche Folk-Pop-Band. Um 17 Uhr füllt Juno Francis mit Disco-Retro-Pop die Oper. Was man sich darunter vorstellen kann? „Ein Liebeskind eines 60er-Gentleman und einer 80er-Lady.“

Ab 18 Uhr verwandelt die spanische Band Ain TheMachine Körpergeräusche, Stimmen und Geräusche von Alltagsgegenständen in Musik – sie nennen es Biotronic Electro.

Die 48-Stunden-Organisatoren Martin Steffens und Thorsten Schlenger bemühen sich, das digitale Angebot so ansprechend wie das analoge Festival zu gestalten und durch Videokonferenzen mit Künstlern „die Nähe und den Austausch simulieren“. Masha Slawinski

Deutsch-Französische Freundschaft am Kurfürstendamm

In diesem Jahr jährt sich das Bestehen des Institut français Berlin im Maison de France am Kurfürstendamm zum 70. Mal. Eigentlich wollte das französische Kulturzentrum deshalb am Sonntag zum „Volksfest“ mit Musik, Ständen und mehr einladen.

Doch wegen der Einschränkungen in der Coronakrise wird das Jubiläum ins erste Halbjahr 2021 verschoben. „Wir wollen lieber richtig feiern, wenn es möglich sein wird“, sagt Kulturassistentin Cécile Guarinoni. Immerhin gibt es zur Fête de la Musique ein Konzert, das per Livestream übertragen wird.

„Auch wenn wir diesmal nur indirekt zusammen sein werden, nutzen wir die Klassiker des französischen Chanson, um von zu Hause aus gemeinsam zu singen“, sagt Guarinoni.

Ab 19 Uhr spielen die Sängerin Nadia Lafi und der Gitarrist Jonathan Bratoëff Lieder von Serge Gainsbourg bis Boris Vian. Ihr Programm ist eine Hommage an Künstler wie Christophe und Graeme Allwright, die in diesem Jahr verstorben sind. Cay Dobberke

Lässiger Abenteurer im Märkischen Museum

„Ich bin nie in Mitte“, sagt Ted Brasko, Neuköllner Künstler und Musiker. Und im Märkischen Museum? „Da war ich auch noch nie.“

Am Sonntag wurde er von der Fête de la Musique eingeladen, dort zu musizieren und zu erzählen – über Ted Brasko, einen besonderen Typen, der alles kann und macht, surfen, reisen, Frauen rumkriegen. „Der ich immer sein wollte“, sagt Ted Brasko. Seinen wahren Namen will er geheim halten.

Club Mate, Akustikgitarre, selbstgedrehte Zigarette – Ted Brasko wirkt beim Treffen auf dem Tempelhofer Feld lässig. Sein Leben war es nicht immer. Die Kindheit im Nordosten der Republik: „schwierig“, Vater und Mutter hatten ihre eigene Probleme, der Junge wechselte aufs Internat, eines für Hochbegabte.

Er bekam ein Förderstipendium, das investierte er vornehmlich in Alkohol und Drogen. Der Schulverweis droht, kurz vor dem Abi. Da erscheint dem Internatsschüler seine künftige Kunstfigur in einem Traum.

Der Traum erzählt vom Nachbarmädchen, in das er sich verliebt hat. In einen VW Golf „fuhren und fuhren“ sie, „durch einen Schneesturm, bis zur Schule, es war toll.“

Die Nachbarin erzählte von ihrem Freund, einem Australier, Surfer, „ein ultra-cooler Dude“. Name: Ted Brasko. „Übrigens: Das bist du!“, sagt das Mädchen, da wacht er auf. An der Wand seines Internatszimmers, hingeschmiert mit schwarzem Edding steht: Ted Brasko. Kein Traum, Schulverweis.

Die Reise beginnt. Im realen Leben führt sie Ted Brasko einmal um die Welt, anschließend heuert er als Skipper auf Yachten an. Wieder an Land holt er sein Abi nach, studiert BWL an der FU Berlin.

Eigentlich will er nur Musik machen, Ted Brasko sein. Sich selbst verwirklichen, mit allen Höhen und Tiefen, die ein „Super-Dude“ hat.

Am Sonntag will er dem Publikum digital Braskos Abenteuer erzählen, von Erfolg und Misserfolg, Glück und Pech. Er mischt Storys wie Musikstile, zwischen Rock und Softpop, Klassik und Hip-Hop. Nur die Hauptfigur bleibt. „Er will so angstfrei und so intensiv wie möglich leben.“ Sagt Ted Brasko. Und meint damit auch sich selbst. David Joram

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Unplugged gestreamt aus Pankow

Unplugged: Jennifer Berning streamt am Sonntag live aus Pankow.
Unplugged: Jennifer Berning streamt am Sonntag live aus Pankow.

© promo

Das Konzert der Sängerin und Songwriterin Jennifer Berning ist ein Teil der „Unpluggedival“-Sessions aus dem „Zimmer 16“ in der Florastraße. Dabei gibt's am Sonntag ab 14 Uhr insgesamt sieben Stunden Musik mit Maries Jazz Men, Moritz Schanz, Stereochemistry, Minka, Hej Su! und eben Jennifer Berning, die schon in Hannover bei der Fête aufgetreten ist.

In Berlin ist es ihr erstes Mal, wegen Corona nun in einem ganz speziellen Ambiente. „Ich hätte mir das zwar etwas anders gewünscht, aber auch Livestreamkonzerte sind eine spannende und kreative Möglichkeit“, sagt sie.

Sie freue sich, dass die Fête auf diese Art trotzdem stattfinden könne. „Es schauen ja Leute zu, auch wenn die nicht vor Ort sind – also ist es auch ein Auftritt.“

Berning ist virtuelle Auftritte schon gewohnt. Sie spielt jeden Sonntag ein Livestream-Konzert. „Zwar erreiche ich so auch Menschen anderswo, die sonst gar nicht auf meine Konzerte kämen“, sagt sie. „Aber auf Dauer ganz ohne echtes Publikum zu spielen, das kann ich mir dann doch nicht vorstellen. Ich mag es, wenn Leute mitsingen, in einem Song habe ich extra einen Mitsingpart.“

Am meisten fehlt ihr der Applaus. Das Aufsaugen der Stimmung des Raumes falle einfach weg. „Man spielt vor einer Kamera, und danach ist Stille“, sagt Berning. Man sehe keine Gesichter, keine mitwippenden Füße. „Beim ersten Mal hat mich das sehr irritiert und verunsichert, weil ich nicht wusste, wie das gerade ankommt.“

Ein kleiner Trost sind ihr die Kommentare und Emojis bei Livestreams. „Wenn klatschende Hände oder kurze Kommentare kommen, ist das schon süß. Daran sieht man dann, dass es live ist und nicht einfach nur aufgenommen wird. Darauf kann ich dann auch reagieren – dann fühlt man sich nicht mehr ganz so allein.“

Bernings Stream und die anderen sind über die Youtube-Seite von „Zimmer 16“ abrufbar. Die Profilseite findet man über die Suchfunktion. Christian Hönicke

Mit dem Pick-up Truck durch Lichtenberger Innenhöfe

Die große Feier fällt wegen dem Ansteckungsrisiko aus, aber auf Live-Musik müssen zu mindestens einige Lichtenberger nicht verzichten: Die „Band à deux“ – Antje Rietz und Moe Jaksch spielt in sechs Innenhöfen der Wohnungsgenossenschaft Neues Berlin.

Die Künstler fahren mit ihrem Pick-up Truck eine kleine Route. Angestoßen hat die „Balkonkonzerte“ der Kurator der Fête, Björn Döring.

„Wir fanden die Idee super, um Künstlerinnen und Künstler zu unterstützen, die es in diesem Jahr nicht leicht haben und um unseren Mitgliedern eine Freude zu bereiten“, sagt Ines Tabbert von der Wohnungsbaugenossenschaft.

Auf die Musik in Swingstyle können die Anwohner am Sonntag zwischen 16 und 20 Uhr gespannt sein. Sie wurden vorher mit einem Aushang informiert. Genaue Termine werden nicht verraten, um Menschenansammlungen zu vermeiden. Pauline Faust

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