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Auf Futterflug. So kennt man Mauersegler. Doch ihr Nachwuchs ist bedroht.

© ddp

Mauersegler-Junge: Unfreiwillig vogelfrei

Mauersegler-Junge fliehen vor der Hitze aus ihren Nestern. Die Auffangstationen sind bereits völlig überfüllt.

Die Stadt ist dieser Tage voller Findelkinder. Sie sind 10 bis 30 Tage alt, wenige Zentimeter groß, nicht flügge – und wegen der Hitze aus ihren Nestern geflüchtet: Mauersegler-Junge. Über hundert hilflose Vögel haben Berliner schon bei Tierärzten, der Marzahner Wildtierpflegestation des Naturschutzbunds Deutschland und dem Verein Aktion Tier abgegeben. Selbst die Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz hat schon 18 Hitze-Nestflüchter in ein Tierheim ins brandenburgische Wesendahl gefahren sowie 15 Mauersegler-Junge an den Berliner Zoo abgegeben.

Mauersegler, zu erkennen an sichelförmigen Flügeln und schrillen Rufen, überwintern in Afrika und verbringen ihr meist 20 Jahre währendes Leben ausschließlich in der Luft. Nur während der dreimonatigen Brut- und Aufzuchtperiode lassen sie sich in Gebäudeöffnungen, Dachspalten, Mauernischen und Jalousienkästen nieder, sagt André Hallau, Leiter der Wildtierpflegestation. Weil immer mehr Bauten saniert sind, befestigen Wohnungsbaugesellschaften Nistkästen – die Wildtiere sind bedroht und besonders geschützt.

Eigentlich regele die Natur die Fortpflanzung selbst, und eigentlich sollte der Mensch Wildtiere auch nicht einfach einsammeln, sagen Ornithologen. Doch weil die wehrlosen Vögel den Berlinern nun mal vor die Füße fallen, nehmen sich die Naturschützer ihrer an. Auch bei den Tierärztinnen Almut Malone und Sonja Kling steht das Telefon nicht still. In der Wildtierstation in Marzahn sind Ehrenamtliche zum Füttern in Schichten eingeteilt, so voll ist es. Ein Dutzend Drohnenlarven, also männliche Bienenlarven, füttert jeder Helfer bis zu zehnmal am Tag an jedes Tier, „da ist einer bei 25 Vögeln rund um die Uhr beschäftigt“, sagt Hallau. Drohnen sind aber aus, Imker haben abgegeben, was sie konnten. Einige Helfer übernehmen das Aufpäppeln zu Hause, da werden gekaufte Heimchen, also Steppengrillen, gefüttert. „Dafür braucht man ein Händchen, man kann die Jungtiere beim Schnabelaufhalten leicht verletzen.“ Manche Vogelfreunde seien dem Irrglauben erlegen, man müsse die Mauersegler nach den 10 bis 20 Tagen Aufzucht „in die Luft oder vom Hochhaus werfen, damit sie losfliegen“. Das ginge aber schief, die Vögel würden von ganz allein flügge.

Berlins Wildtierschützer sind jetzt sogar an die Ostsee gefahren, um Jungtiere aus der Hauptstadt zu retten. André Hallau setzte am Donnerstag in Wolgast in den Nistkästen von 40 Mauersegler-Brutpaaren eines befreundeten Ornithologen Findeltiere aus Berlin aus. Vögel nehmen Nachwuchs anders als Säugetiere an, obwohl der Mensch ihn berührte.

Die Stadtentwicklungsverwaltung hat dem Nabu 5000 Euro für die akute Mauerseglerhilfe überwiesen. Spenden würden dringend gebraucht, heißt es beim Verein. Im Herbst will die Senatsverwaltung Behörden, Vereine und Helfer an einen Tisch bitten, um rechtzeitig ein Netzwerk zu knüpfen. Der nächste heiße Sommer kommt bestimmt.

Die Wildtierpflegestation erteilt unter Telefon 54 71 28 92 Informationen zu Aufnahme und Aufzucht von Mauerseglern.

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