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Schöner Schein. Das historische Gebäude am ehemaligen Tempelhofer Flugfeld.

© imago/snapshot

Marodes Flughafengebäude: Tempelhofer Visionen ohne Baugenehmigung

Das Flughafengebäude Tempelhof ist nicht betriebssicher, die Statik nicht geprüft. Das zeigt ein neuer Bericht. Der Zustand trifft besonders die Polizei.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Das Flughafengebäude in Tempelhof ist in einem so desaströsen Zustand, dass alle Kraft darauf gerichtet werden muss, den Mammutbau aus den dreißiger Jahren betriebsfähig zu halten. Jedes Jahr muss die landeseigene Tempelhof Projekt GmbH, die das ehemalige Terminal betreut, rund 5000 Havarien und Störfälle bearbeiten, damit das Gebäude nutzbar bleibt. Die Grundinstandsetzung werde „5 bis 15 Jahre in Anspruch nehmen“, steht in einem Bericht der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, der dem Tagesspiegel vorliegt.

Die Untersuchung der Bausubstanz, die 2018 gestartet wurde, lege einen „unerwartet hohen Sanierungsbedarf am gesamten Gebäude offen“. Es handele sich, so die Stadtentwicklungsbehörde, um ein „nie fertiggestelltes Gebäude“, das jahrzehntelang auf Verschleiß gefahren wurde.

Aktuell sind 126 000 Quadratmeter des ehemaligen Flughafengebäudes am Platz der Luftbrücke in Tempelhof vermietet, davon 52 000 Quadratmeter ohne baurechtliche Genehmigung. Betroffen von diesem illegalen Zustand ist überwiegend das Polizeipräsidium.

Ein großes Problem ist der Brandschutz

Der Grund: Die Bauarbeiten wurden während des Zweiten Weltkrieges gestoppt und das Gebäude baurechtlich nie abgenommen. Das wurde erst 2018 intern bekannt, als die Bauaufsicht mit Bezug auf den Brandschutz die notwendigen Baugenehmigungen einforderte, die es aber nicht gab. Für weitere 55 000 Quadratmeter, einschließlich des überdachten Vorfelds, gibt es immerhin eine Interimsgenehmigung.

Doch es geht weniger um solche Formalien. Bei den vermieteten Flächen bestünden erhebliche Mängel, sodass die Betriebssicherheit, „vor allem hinsichtlich des Brandschutzes“, nicht gewährleistet werden könne, teilte die Senatsverwaltung mit.

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Zurzeit arbeitet die Tempelhof Projekt GmbH noch an einer Bestandserfassung, „die wegen der Größe und Komplexität des Gebäudes bis 2021 dauern wird“. Bis Ende dieses Jahres soll aber schon ein Maßnahmen-, Zeit- und Kostenplan „zur Herstellung eines genehmigungsfähigen Zustands“ erarbeitet werden. Um zu verhindern, dass große Gebäudeflächen aus brandschutzrechtlichen Gründen jetzt schon nicht mehr genutzt werden dürfen und entmietet werden müssen, wurden provisorische Brandwachen und eine mobile Brandmeldeanlage installiert.

Auch die Statik muss in weiten Teilen des Gebäudes ertüchtigt werden, um die fehlenden Baugenehmigungen nachträglich zu erhalten. Es liegt für das Flughafengebäude in Tempelhof, mit Ausnahme der Hangars, bisher keine geprüfte Statik vor. Untersuchungen der Standsicherheit ergaben bisher: Die ursprünglichen Bauplanungen und die Bauausführung stimmen nicht überein, die Baumaterialien sind von unterschiedlicher Qualität und durch „fachlich fragwürdige Eingriffe in die Bausubstanz“ – im Rahmen von Umbauten und Modernisierungen – sei die Stand- und Tragsicherheit einiger Gebäudeteile „erheblich gemindert“. Für eine vertiefte Prüfung des gesamten Baus werden zehn Millionen Euro gebraucht.

Natürliche Lebensdauer der Baumaterialien überschritten

Erschwerend komme hinzu, so die Stadtentwicklungsverwaltung, dass der gesamte Gebäudebestand „bauzeitlich bedingt voller Schadstoffe ist“. Beseitigt oder isoliert wurden die Schadstoffe erst in wenigen Bauteilen, etwa in A1, H2 und und im Kopfbau West. Weitere Sanierungen werden schrittweise folgen. Auch die Sanierung der stark beschädigten Dachflächen kommt nur langsam voran.

Wegen der Unterbringung von Flüchtlingen Ende 2015 bis 2019 konnten erst sechs Hangardächer instand gesetzt werden. Das ehemalige Flughafengebäude hat aber mehr als 100 Dachflächen. Die natürliche Lebensdauer der Baumaterialien sei „vielfach überschritten“, steht im Senatsbericht. Es komme vermehrt zu Wassereinbrüchen. Auch die Wasser-, Wärme-, Luft- und Stromversorgung, großenteils noch aus den dreißiger Jahren, muss ausgetauscht werden.

Der Aufsichtsrat der Tempelhof Projekt GmbH kam angesichts dieser Lage zu dem Schluss, dass der Flughafen Tempelhof „eine Generationenaufgabe darstellt“, um den Bau langfristig zum „Leuchtturmprojekt mit internationaler Strahlkraft“ zu entwickeln. Als „Experimentierort und neues Stadtquartier für Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft mit öffentlicher Infrastruktur und öffentlicher Nutzung“ nimmt die Stadtentwicklungsverwaltung die Idee auf, die bereits einen Namen hat: „Vision 2030+“.

In die Hangars 5 bis 7 sollen das Alliierten-Museum, ein Technikmuseum und ein Mediencampus kommen. In Hangar 1 erhält voraussichtlich der Verein „Tentaja“, ein soziokulturelles Sportprojekt im Rahmen der Flüchtlingsbetreuung, einen befristeten Mietvertrag. Die restlichen Hangars, das überdachte Vorfeld, Haupthalle und Ehrenhof sind für temporäre Veranstaltungen vorgesehen. Aber auch die wachsende Berliner Verwaltung drängt nach Tempelhof. „Die angemeldeten Bedarfe übersteigen das Fächenangebot im Gebäude um etwa das Doppelte“, meldet die Stadtentwicklungsbehörde.

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