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Baustelle Oberbaumbrücke.

© Theresa Kottas-Heldenberg/dpa/ZB

Marode Infrastruktur in Berlin: Gesperrte Brücken, volle U-Bahnen, langsame Planung

Kurz vor der Sommerpause diskutierte das Abgeordnetenhaus über den Zustand der öffentlichen Infrastruktur. Die Meinungen gingen sehr auseinander.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

„Geld allein reicht nicht“, schimpfte der FDP-Abgeordnete Henner Schmidt. „Es muss schnell geplant und rund um die Uhr gebaut werden.“ Mit dem Zustand der öffentlichen Infrastruktur in Berlin ist die Opposition gar nicht zufrieden. Und so wurde in der Aktuellen Stunde des Parlaments am Donnerstag über gesperrte Brücken, fehlende Straßen und U-Bahnlinien, mangelnden Wohnungsbau und weiße Flecken beim W-Lan-Angebot geredet.

Es war in der letzten Parlamentssitzung vor der Sommerpause fast eine Generalabrechnung mit Rot-Rot- Grün. Immerhin funktionierte im Plenarsaal die Klimaanlage. Schmidt ging es vor allem um die vielen maroden Brücken, die „unter Rot-Rot zu Tode gespart wurden“. Anschließend habe es der SPD/CDU-Senat „verpennt“, gegenzusteuern.

Jetzt blockiere der Senat auch noch den Weiterbau der Stadtautobahn A 100, die seit 1969 versprochene Tangentialverbindung Ost käme nicht voran und für eine Straßentangente im Nordosten gebe es gar keine Planung. Für den S-Bahn- und Regionalverkehr hätten Berlin und Brandenburg zwar „gute Ziele“, so Schmidt. „Aber es wird nicht zügig gebaut.“

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Konkrete Pläne für eine Erweiterung des U-Bahnnetzes sind aus Sicht der Freien Demokraten, die die Aktuelle Stunde beantragt haben, nicht in Sicht. Stattdessen lebe die rot-rot-grüne Koalition "ihren Straßenbahn-Fimmel" aus, sagte Schmidt. Und jetzt das Gezerre um die Vergabe von 1.500 neuen S-Bahnwagen. Sein Fazit: "Wir erwarten vom Senat mehr Mut und Energie beim Ausbau der Infrastruktur."

"Bio-Feuerwerk und Holzdreirad"

Die Redner von CDU und AfD schlossen sich der Kritik an, wobei der christdemokratische Verkehrsexperte Oliver Friederici ein wenig übers Ziel hinausschoss. Die Bilanz dieser Koalition sei eine Katastrophe, deren Regierungszeit werde aber 2021 enden. Berlin brauche „keine linke Ideologie für wenige aggressive, linke Aktivisten“, sondern eine Politik für alle Menschen. Diese Stadt wolle mehr als „Bio-Feuerwerk und Holzdreirad“.

FDP-Abgeordneter Henner Schmidt.
FDP-Abgeordneter Henner Schmidt.

©  promo

Der AfD-Politiker Frank Scholtysek assistierte: „Rot-Rot-Grün träumt weiter von der autofreien Stadt“ und Berlin zehre seit 20 Jahren von seiner Substanz. Die Infrastruktur der Stadt werde systematisch vernachlässigt, in zweieinhalb Jahren Regierungszeit hätten SPD, Linke und Grüne nichts erreicht. Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) fand Friedericis Rede nicht nur „schlecht gelaunt und cholerisch“, die langen Forderungskataloge der Opposition seien auch unfinanzierbar.

Der Senat müsse Prioritäten setzen. Volle U-Bahnen schrecken den Senator nicht. „Eine Metropole ist kein Ponyhof“, sagte er mit Blick auf London und Tokio. Eine wachsende Stadt müsse nun mal mit einer steigenden Auslastung des öffentlichen Nahverkehrs rechnen. Kollatz, ein Mann der Zahlen, hielt der Opposition vor, dass die öffentliche Hand einschließlich der Landesunternehmen im vergangenen Jahr 4,6 Milliarden Euro investiert habe, „Tendenz steigend“.

Unterstützung bekam er von den Regierungsfraktionen. Aber es gab aus den Reihen der Koalition auch leise Kritik. Etwa am Wohnungsbau, der dem SPD-Abgeordneten Sven Heinemann nicht schnell genug vorankommt. Er beklagte für alle Bereiche, in denen geplant werden muss, „zu viele Regeln und Beteiligungsverfahren“.

Der Linken-Politiker Harald Wolf sieht die öffentliche Verwaltung „gegenwärtig nicht gewappnet für die anstehenden Aufgaben“. Für den Ausbau der Infrastruktur sei aber eine langfristige und verlässliche Planung nötig. Die Grünen-Politikerin Anka Schillhaneck findet dagegen lange Planungszeiträume nicht so schlimm. „Wir müssen so bauen, dass wir uns in 10 oder 15 Jahren nicht darüber ärgern.“

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