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Buntes Berlin. Der Marathon ist auch ein Fun-Lauf, jedenfalls für alle, für die der Kampf gegen die Uhr Nebensache ist.

© REUTERS

Marathon 2017 untold: 42 Kilometer und 195 Meter später

Lauf-As Pflieger brach ein wenige Kilometer vor dem Ziel. So wie er kämpften sich mehr als 40.000 durch Berlins Tor-Tour - wir auch.

Die Japanerin kommt mit drei Tüten in jeder Hand von der Messe zurück. Shoppen gehört zum Pflichtprogramm der Marathon-Touristen bei der Abholung der Startnummern. Die Schlange am „Berlin Marathon Jubilee-Club“ besteht aus genau einer Person. Wer will sich auch schon zum zehnten Mal die Tor-Tour durch Berlin antun? Zehn? 24 hat der 64-Jährige vor mir in den Beinen. „Da muss ich nicht so viel über meine Krankheiten reden“, sagt er in breitem Sächsisch und lacht. Wo er herkommt? „Aus Prenzlauer Berg“, seit 42 Jahre lebe er dort. Und ich dachte, die Schwaben hätten das Quartier übernommen.

Nenn mir einen vernünftigen Grund!

Wer den Marathon ein paar Mal gelaufen ist, hat viel zu erzählen. Deshalb gibt es eigentlich keinen Grund, noch einen zu laufen. Außer eben den: Mitglied im „Jubilee-Club“ zu werden. Die Türpolitik ist hart: Einlass bekommt, wer die 42,195 Kilometer zehn Mal gelaufen ist. Dann gibt es ein T-Shirt, eine Urkunde und eine „ewige“ Startnummer: „4321“ ist meine – herrlich, der Countdown! Ob ich aber jemals noch einen Startschuss hören werde, ist zweifelhaft.

Quatsch mich ruhig an

Kurz vor dem Start in Block D. Alle glotzen auf die große Videoleinwand, mit Bildern der „Rollis“. Wie sollen Eltern ihren Kindern noch etwas über zu viel Medienkonsum erzählen? „So great“, schallt es da plötzlich von der Seite. Sie kommt aus Schweden, ist 28 und überwältigt von der Stimmung. Hat sie denn auch einen dieser „langen Läufe“ zur Vorbereitung gemacht? „Oh, I did an Ultra in Helsinki“, irgendwas mit 70 plus X Kilometer. In neun Stunden. Herrlich sei das gewesen. Berlin nimmt sie zur Erholung einfach mal mit.

Ein echter Sportfan

In Friedrichshain ist die Stimmung gut. Bands, viele Leute trotz des Nieselregens und ein echter Sportfan: Er steht mit bierseligem Grinsen am Rand der Strecke und hält uns Läufern eine Flasche Schultheiß und eine glimmende Tüte entgegen. Dit is Bärlin!

Kampf gegen die Keule

Laufen ist wunderbar, aber 42 Kilometer bleiben eine Qual. Spätestens ab Kilometer 35 kommt die Keule. Die Spitzenläufer machen sich einen Spaß daraus, das Tempo dann zu beschleunigen. „Die Konkurrenz testen“, nennen sie das. Wir Normalos im Feld testen dann eigentlich nur noch eins: Wo bitte kann ich ein paar Schritte gehen, ohne dass es auffällt?

Alphatierchen haben ihre Zeiten

Geschafft! Auf der großen Wiese vor dem Reichstag hantieren die meisten mit dem Smartphone. „3:37“ ruft einer in die Muschel, als müsse er seine Ziel-Zeit dem Gesprächspartner zuschreien. „Du Arschloch“, setzt er nach einer Pause nach, „ich bin ja auch älter als du!“. Merke: Auch Alphatierchen laufen gerne Marathon – und mit der eigenen Zeit wuchern, tun selbst die Sanftesten unter ihnen.

Wie bei der Bundeswehr

Wer nicht beim Bund war, kann diese Erfahrung in den Duschzelten nach dem Zieleinlauf nachholen: der herbe Duft der Abenteurer, die nach einem langen Marsch Hemd und Schuhe lüften und dann in dem Dampf des heißen Wassers verschwinden, das in dünnen Strahlen aus den Rohren sprüht.

Ihr sei die Helden, nicht wir!

Das Wichtigste zuletzt: Ihr Helden an der Strecken, ihr macht aus diesem Lauf ein Fest fürs Leben. Hardrock von einer Band unter den Yorckbrücken, Alphörner in Wilmersdorf, die Ladies mit den Puscheln am Wilden Eber, die Schüler in Charlottenburg und die Hunderte und Tausende, die klatschen, jubeln, rufen. Danke!

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