zum Hauptinhalt
Mundschutz nähen für Pflegekräfte. Julia Schmidt aus Neukölln hilft ehrenamtlich dabei, Corona-Nöte zu lindern.

© privat

Mangelware in der Coronavirus-Krise: Nachbarschaftsheim bittet Berliner, Mundschutzmasken zu nähen

Mundschutzmasken werden dringend gebraucht, wo Menschen engen Kontakt zueinander haben müssen - zum Beispiel in der Pflege. Aber es gibt nicht genug.

"Friedenau näht gegen Corona - Wir brauchen Ihre Unterstützung!": Unter diesem Motto ruft jetzt das Nachbarschaftsheim Schöneberg seine Friedenauer Nachbarn dringend auf, ehrenamtlich Stoff-Mundschutz zu nach Anleitung zu nähen. "Der Senat hat uns aufgefordert, zu improvisieren, das versuchen wir nun", sagt die im Nachbarschaftsheim für den Pflegebereich zuständige Karen Lawerenz. Gebraucht würden bei 90 Grad waschbare Mundschutze aus Baumwolle, es gibt zwei Varianten - mit Gummi- und mit Stoffbändern.

"Arbeiten unter erschwerten Bedingungen und hohem persönlichen Risiko"

"Viele Mitarbeitende unserer Einrichtungen arbeiten derzeit unter besonders erschwerten Bedingungen. Noch weniger Pflegekräfte des ambulanten Pflegedienstes als gewöhnlich versorgen täglich Patientinnen und Patienten in ihrem Zuhause. In unserer Unterkunft für geflüchtete Frauen sind die Mitarbeiterinnen täglich mit vielen Personen in unmittelbarem Kontakt. Familienpflegerinnen unterstützen Familien mit Kindern auch in der derzeitigen Krisensituation.

[Behalten Sie den Überblick: Corona in Ihrem Kiez. In unseren Tagesspiegel-Bezirksnewslettern berichten wir über die Krise und die Auswirkungen auf Ihren Bezirk. Kostenlos und kompakt: leute.tagesspiegel.de]

Im Hospiz begleiten unsere Fachkräfte weiterhin Schwerstkranke und sterbende Menschen. Erzieherinnen leisten Notbetreuung für Kinder, damit Eltern in systemrelevanten Berufen weiter ihren dringend erforderlichen Tätigkeiten nachgehen können" - sie alle könnten nur bedingt ihre Sozialkontakte einschränken und setzen sich einer erhöhten Gefahr aus, selber zu erkranken. Schutzausrüstung, um sich vor Infektionen zu schützen ist in unseren Einrichtungen sowie auch generell kaum verfügbar, heißt es in dem Aufruf.

Hintergrund-Informationen zum Coronavirus:

Einen Mundschutz in wenigen Schritten selber nähen

Allen sei klar, dass es sich bei selbstgenähten Masken nicht um einen verlässlichen Corona-Schutz handele, sagt Karen Lawerenz dem Tagesspiegel. Die Selfmade-Gesichtsmasken dienten vor allem dazu, dass die Mitarbeiter und Ehrenamtlichen ihre zu Pflegenden vor potenzieller Ansteckung schützen. "Aber um wenigstens ein bisschen Schutz zu gewährleisten, haben wir damit begonnen, selber Mundschütze herzustellen." Eine Nähanleitung der Stadt Essen sei Grundlage dafür.

[Behalten Sie den Überblick: Corona in Ihrem Kiez. In unseren Tagesspiegel-Bezirksnewslettern berichten wir über die Krise und die Auswirkungen auf Ihren Bezirk. Kostenlos und kompakt: leute.tagesspiegel.de]

Laut der Nachbarschaftsheim-Prokuristin habe das Hospiz Schöneberg-Steglitz sowie die Frauenprojekte "Kidöb" und "AlNad" erste Erfahrungen im Anfertigen der Mundschütze gesammelt, um betroffene Kolleginnen und Kollegen damit in ihrem Einsatz zu versorgen. Auch die Mitarbeitenden aus anderen Einrichtungen des Nachbarschaftsheims unterstützen tatkräftig beim Nähen.

Hilft, im Falle des Falles andere nicht anzustecken.
Hilft, im Falle des Falles andere nicht anzustecken.

© privat

In Neukölln sitzt derweil Julia Schmidt bereits seit dem frühen Morgen ehrenamtlich an der Nähmaschine. ""Die Nähwelt steht derzeit Kopf und immer mehr machen mit. Das ist mal etwas Positives in diesen Tagen", sagt die 33-Jährige. Es gibt jetzt auch Stoffläden, die für diese Aktion zum Selbstkostenpreis verkaufen, sagt die Begründerin der Do-it-Yourself-Onlineseite "Funkelfaden". Sie schickt die Infos zur Aktion derzeit an alle, die als potenzielle Helfer infrage kommen, weiter - auch an den Tagesspiegel.

"Die Situation ist dramatisch"

Karen Lawerenz ist Menschen wie ihr dankbar. "Wir hatten beinahe einen Fall, bei dem einer unserer Mitarbeiter andere infiziert hätte, danach haben wir noch dringender versucht, wieder Schutzausrüstung zu bekommen, aber auch unser Dachverband, der Paritätische, klagt selbst über Mangel." Die Leiterin des Hospizes, Christine Schiller, sagt, sie alle wollten die Arbeit mit den Masken, die auch Bügel beinhalten, testen. "Die Situation ist dramatisch." Auch Ärztepräsident Klaus Reinhardt hat gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung schon an die Bevölkerung appelliert, sich selbst Atemschutzmasken zu basteln. "Diese Masken garantieren keinen Schutz vor Ansteckung. Aber sie können ein wenig helfen, das Risiko zu verringern, andere anzustecken oder selbst angesteckt zu werden." Er bittet auch, keine FFP2 oder FFP3-Masken übers Internet zu bestellen, solange man nicht im Gesundheitswesen tätig sei.

Ehrenamtlich, fertig. Die Neuköllnerin stellt sonst selbst Nähanleitungen auf ihrer Seite "Funkelfaden" ein.
Ehrenamtlich, fertig. Die Neuköllnerin stellt sonst selbst Nähanleitungen auf ihrer Seite "Funkelfaden" ein.

© privat

Was man zum Nähen braucht

Alles was man dazu brauche, sind ein paar Reste Baumwollstoff (zum Beispiel alte Laken, waschbar bis 95°), Nähgarn und ein bisschen Draht, ca. 15 cm lang (z.B. Basteldraht, Pfeifenreiniger o.ä.). "Diese Materialien müssten Sie selber einbringen. Bitte orientieren Sie sich im Übrigen an der Anleitung der Stadt Essen: Mund-/Nasenschutz-Nähanleitung

"Bei unseren ersten Exemplaren haben wir festgestellt, dass es hilfreich ist, wenn Sie:

  • den Stoff doppelseitig verwenden (am besten Baumwolle, vielleicht alte Laken), der bei 95 Grad waschbar ist.
  •  Wäschegummi links und rechts verwenden (statt Stoff als Seitenbänder), zur Befestigung hinter den Ohren (hält besser)
  • als Nasenformer/-verstärker Draht verwenden oder das Metallmaterial aus einem Aktendulli (s. 2. Foto). Metall des Aktendulli kann auch geteilt werden.
  • nach Fertigstellung  noch ein entfaltetes Tempotaschentuch innen einlegen, das öfter gewechselt werden kann."

"Bitte bringen Sie die fertigen Mundschütze zu folgenden Einrichtungen"

Sollten die Einrichtungen mehr Mundschütze erhalten, als die Mitarbeitenden benötigen, "möchten wir weitere Menschen damit unterstützen, die derzeit dazu beitragen, die notwendige Betreuung und Versorgung aufrecht zu erhalten."

Alle Informationen im Internet: www.nbhs.de/aktuelles/news-detail/artikel/naehen-gegen-corona-wir-brauchen-ihre-hilfe-machen-sie-mit

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false