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Studierende sitzen an Arbeitsplätzen im Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum in Berlin.

© Christophe Gateau/dpa

Männliche Form nicht mitgemeint: Warum Berlins Justizsenator um Prüferinnen fürs Staatsexamen wirbt

Eine Studie zeigte: In rein männlichen Prüfungskommissionen schneiden Frauen schlechter ab. Dirk Behrendt wirbt deshalb um Juristinnen.

Von Ronja Ringelstein

Es kommt selten vor, dass der Berliner Justizsenator einen Brief an alle Berliner Richterinnen und Staatsanwältinnen schreibt. Die männliche Form ist hier explizit nicht mitgemeint. Mitte Juni ging nun ein Schreiben von Dirk Behrendt (Grüne) an die „in den Geschäftsbereichen (der Justiz) tätigen Richterinnen und Staatsanwältinnen“, um sie dazu aufzufordern, Prüferinnen für das erste und zweite juristische Staatsexamen zu werden.

Denn von 591 Prüferinnen und Prüfern sind nur 196 weiblich, was 33,2 Prozent entspricht. Behrendt befürchtet, dass rein männlich besetzte Prüfungskommissionen weibliche Prüflinge benachteiligen könnten. Als Beleg dafür dient ihm eine Studie aus Nordrhein-Westfalen, über die der Tagesspiegel bereits berichtete.

„Der Umstand, dass Frauen in den Prüfungskommissionen unterrepräsentiert sind, kann auch zu Diskriminierung von Frauen beitragen“, sagte Behrendt dem Tagesspiegel. Es sei ihm daher „ein wichtiges Anliegen“, den Anteil der Frauen in den Kommissionen zu erhöhen. Also probiert er es mit einer Werbeoffensive. Auch die Honorare für die Nebentätigkeit wurden angehoben (von 21 auf 28 Euro je Prüfling).

„Generell erzielen Frauen in den juristischen Staatsprüfungen im Schnitt immer noch Ergebnisse, die hinter denen der Männer zurückbleiben“, schreibt Behrendt. Tatsächlich waren die Ergebnisse der ersten Examina der Absolventinnen der Freien Universität und der Humboldt Universität innerhalb der letzten zwei Jahre schlechter als die der männlichen Studienkollegen.

Beim zweiten Examen waren die männlichen Referendare in sieben von elf Prüfkampagnen besser, wie die Justizverwaltung auf Anfrage des Tagesspiegels mitteilte.

In rein männlichen Kommissionen machen Frauen seltener Notensprünge

Aus einer empirischen Untersuchung im Auftrag des Justizministeriums in Düsseldorf geht hervor, dass die Zusammensetzung der Kommission in den mündlichen Prüfungen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die Bewertung der Kandidatinnen habe.

Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) wirbt für mehr Frauen in den Prüfungskommissionen.
Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) wirbt für mehr Frauen in den Prüfungskommissionen.

© Christophe Gateau/dpa

Bei einer ausschließlich mit Prüfern besetzten Kommission haben demnach weibliche Prüflinge im Verhältnis zu den männlichen bei gleichen Vornoten aus den schriftlichen Prüfungen eine um 2,3 Prozent niedrigere Wahrscheinlichkeit, die nächste Notenschwelle zu erreichen.

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Dieser Effekt steige an den Notenschwellen zu den besonders begehrten Prädikatsexamen sogar auf über sechs Prozent an. Ist die – dreiköpfige – Kommission dagegen mit jeweils einer Prüferin besetzt, verschwinde dieser Effekt. „Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser Effekt bei den in Berlin durchgeführten juristischen Staatsprüfungen, die sich strukturell kaum unterscheiden, nicht auch auftritt“, teilte die Justizverwaltung mit.

Pro Prüfung mindestens eine Frau?

Ziel sei es dementsprechend, dass in jeder Prüfungskommission der mündlichen Prüfungen mindestens eine Prüferin sitzt.

Eine „echte Gleichstellung im höheren Justizdienst zu erreichen“, sei ihm ein „persönliches Anliegen“, schreibt Behrendt außerdem. Da ist allerdings noch Platz nach oben: Eine Anfrage der FDP-Fraktion im April zeigte, dass seit 2016 zwar 141 Richterinnen und Richter befördert wurden – aber nur 42 Prozent waren weiblich.

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