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Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Bündnis90/Grüne) und Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) auf einer Senatspressekonferenz im Jahr 2020.

© Wolfgang Kumm/dpa

Luxuskaufhaus in der Krise: Warum Berlin für einen Millionenkredit für das KaDeWe bürgt

Berlins Finanzsenator Kollatz und Wirtschaftssenatorin Pop haben 2020 eine Kreditbürgschaft für das Luxuskaufhaus genehmigt. Im Parlament ist man erstaunt.

Während sich das operative Management des bekanntesten deutschen Warenhauses bemüht, das 1907 gegründete KaDeWe durch die Coronakrise zu führen, wachsen die Zahl der Kritiker und Zweifel an dem übergeordneten Geschäftsmodell der KaDeWe-Miteigentümerin, der Signa Gruppe des Tiroler Milliardärs René Benko. Ihr gehört auch die Immobilie am Tauentzien in Charlottenburg, in der das Kaufhaus residiert.

Vor drei Wochen hatte der Tagesspiegel über eine Analyse des US-Finanzdienstleistungsunternehmens Bloomberg berichtet. Demnach gehen Branchenbeobachter davon aus, dass Benkos Signa-Gruppe ihre Immobilien (dazu zählen auch viele Häuser der fusionierten Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof) angesichts der Krise eigentlich in den Büchern abwerten müsste.

Schließlich fehlen wegen der Pandemie Umsätze, Gewinne brechen ein. Benkos Konzern scheue diesen buchhalterischen Schritt, um Geldgeber bei der Stange zu halten, lautet die These. Die Immobilienbewertungen spielten eine zentrale Rolle in Signas Geschäftsmodell. Signa ließ mitteilen, der Bericht enthalte viele unzutreffende Unterstellungen und zahlreiche falsche Zahlen.

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Gleichwohl fragen Kritiker, warum die deutsche Bundesregierung dem Konzern 460 Millionen Euro Staatshilfen wegen der Schieflage bei Galeria Karstadt Kaufhof genehmigt und warum sich der Berliner Senat von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt im Frühjahr 2020 an einer Bürgschaft für die KaDeWe-Group beteiligt hat. Zusammen mit dem Bund und den Ländern Bayern und Hamburg bürgt Berlin seither für 90 Prozent eines Betriebsmittelkredites im Gesamtvolumen von angeblich 90 Millionen Euro.

„Diese Bürgschaft wurde in üblicher, also klandestiner, Manier zwischen den Senatsverwaltungen für Wirtschaft und für Finanzen organisiert“, glaubt Boris Bonczyk von der Initiative „BerlinerInnen gegen Signa“.

Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) habe im Senat mehrfach über die Bürgschaft berichtet, sagt seine Sprecherin. Im Abgeordnetenhaus und im Hauptausschuss war sie offenbar nicht Thema, meint Aktivist Bonczyk, der mit Mitstreitern unter anderem verhindern will, dass Benkos Signa Hochhäuser in der City-West und am Alexanderplatz baut.

Gern gesehene Gäste: Nathalie and René Benko beim Hahnenkamm-Rennen in Kitzbühl.
Gern gesehene Gäste: Nathalie and René Benko beim Hahnenkamm-Rennen in Kitzbühl.

© imago images/GEPA pictures

In einer Zeit, wo Tausende von kleinen Unternehmern um ihre Existenz bangten, habe der Senat die Einzelhandelssparte eines verschachtelten Konzerns (hier die Struktur beim KaDeWe) unterstützt, um dann erleben zu müssen, dass die Immobiliensparte dann ein paar Monate später Dividenden in dreistelliger Millionenhöhe an seine Gesellschafter auszahlt, kritisiert Bonczyk, im studierten Hauptberuf selbst Bau- und Wirtschaftsingenieur, der auch schon die Investorenspielchen rund um den Checkpoint Charlie kritisch begleitet hatte.

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Die Senatsverwaltung für Finanzen (SenFin) bestätigt den Vorgang, wenn auch nicht die Höhe der Zahlen, wegen der Pflicht zur Vertraulichkeit. „Wegen der Corona-bedingten öffentlichen Schließungsanordnungen ist bei der KaDeWe-Group GmbH für den etwa dreimonatigen Lockdown sowie die anschließende Wiederanlaufphase des Geschäfts ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf entstanden“, heißt es in einer Antwort von Staatssekretärin Vera Junker (SPD) auf eine schriftlichen Anfrage der Abgeordneten Gabriele Gottwald (Linke), die sich seit Jahren für das Thema interessiert und den Wert des Benko-Imperiums für „aufgeblasen“ hält.

SenFin schreibt, dieser Finanzierungsbedarf sei neben zusätzlichen Gesellschaftermitteln im Rahmen der öffentlichen Corona-Hilfsmaßnahmen durch eine öffentliche Bürgschaftsabsicherung auf der Grundlage einer Bundesregelung insbesondere zur Sicherung von Berliner Arbeitsplätzen begleitet worden.

Senat unterstützt Benkos Hochhauspläne - wenn er Jobs hält

Auf Gottwalds Frage, ob Senatsmitgliedern bei der Unterzeichnung des „Letter of Intent“ (hier im Wortlaut) mit Signa und der Galeria Karstadt Kaufhof GmbH am 3. August 2020 bekannt gewesen sei, dass das Land Berlin bereits eine Bürgschaft zur Kreditabsicherung für die KaDeWe Group geleistet hatte, teilt die Staatssekretärin mit. „Eine Senatsbefassung über die Bürgschaftsvergaben ist, (...), nicht erforderlich.“ Der Finanzsenator habe den Senat dennoch informiert, betont seine Sprecherin. Bei der erwähnten Absichtserklärung sicherte der Senat Benkos Signa Unterstützung bei deren Hochhausbauplänen zu – sofern Signa Jobs in den Kaufhäusern erhält. Einen Zusammenhang zwischen dieser Absichtserklärung und der Bürgschaft bestehe nicht, sagt Kollatz' Verwaltung.

Auch der Sprecher von Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), Matthias Borowski, verweist auf Vertraulichkeitsklausel, rechtfertigt eine Bürgschaft für das KaDeWe aber mit der „volkswirtschaftlich besondere Bedeutung für Berlin“. Neben der hohen Zahl an Arbeitsplätzen sei das Kaufhaus „ein touristischer Publikumsmagnet im Berliner Einzelhandel. Gäste aus aller Welt kommen hierher zum Einkaufen, die Sogwirkung des KaDeWe für den Tourismus ist sehr groß.“

Die Handelsgesellschaft des 1907 gegründeten Kaufhaus des Westens (KaDeWe) gehört der thailändischen Central Retail Corporation (CRC) und René Benkos Signa Gruppe. Die Immobilie gehört allein Signa-Gesellschaften.
Die Handelsgesellschaft des 1907 gegründeten Kaufhaus des Westens (KaDeWe) gehört der thailändischen Central Retail Corporation (CRC) und René Benkos Signa Gruppe. Die Immobilie gehört allein Signa-Gesellschaften.

© Doris Spiekermann-Klaas

Doch es gibt Skepsis bei neutralen Beobachtern, deren Fragen Benkos Signa in der Regel mit einem Drohbrief vom Medienrechtsanwalt beantworten lässt. Wie der Tagesspiegel erhielten auch die Macher der TV-Dokumentation „Der Kaufhauskönig“, die seit Montagabend in der ARD-Mediathek verfügbar ist, vorab derartige Post. In ihrem Film zeichnen Ingolf Gritschneder und Georg Wellmann den beeindruckend steilen Aufstieg des Schulabbrechers René Benko nach, der es in 20 Jahren geschafft, hat sich derart gut mit Regierungen zwischen Wien und Berlin zu vernetzen, dass die Politik seine Masche weitgehend kritiklos mitträgt.

Politiker geraten in Interessenskonflikte bei Signa

Mitunter geraten selbst Bundesminister in Interessenskonflikte: So wachen und beraten Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) von Amts wegen im Kuratorium die Essener RAG-Stiftung, also über den Nachlass der einstigen Ruhrkohle AG. Diese soll den Pott in Bewegung halten. Die Stiftung ist mit immerhin sechs Prozent Anteil eine der größten Signa-Anteilseigner. Scholz und Altmaier mussten über Staatshilfen für Signas Töchter entscheiden. Diese sei völlig unabhängig getroffen worden, behaupten ihre Ministerien.

Regierende in Bund und Ländern dürften schlicht hoffen, dass alles gut geht mit Signas Spiel. Denn einen Plan B haben sie nicht für den Fall, dass der Konzern plötzlich zehntausende Mitarbeitende von Galeria Karstadt Kaufhof und KaDeWe, dem Alsterhaus in Hamburg und dem Oberpollinger in München in die Arbeitslosigkeit entlässt. Signa und der Wert der Häuser müssten weiter wachsen, soll Benkos Geschäft weiter funktionieren. „Dabei hat jede Expansion irgendwann ein Ende“, glaubt Journalist Wellmann. Für Benko werde es immer schwieriger, dieses System aufrechtzuerhalten.

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